Die Razzien erfolgten auf Anweisung der Freiburger Kantonspolizei. Sie ermittelt gegen Personen aus der Autonomen-Szene. Diese werden verdächtigt, an einem Überfall auf eine Freiburger Bar im letzten Oktober beteiligt gewesen zu sein.
Dinu Gauthier
Die Freiburger Kantonspolizei hat diese Woche in der Stadt Bern vier Hausdurchsuchungen durchführen lassen und vier Jugendliche aus der autonomen Szene verhaftet. Zwei weitere Razzien und Festnahmen fanden zudem in Solothurn statt.
Gewalt, um Konzert zu verhindern
Die Polizeiaktion steht im Zusammenhang mit dem Überfall auf die Freiburger Bar Elvis et moi vom Oktober letzten Jahres. Etwa dreissig vermummte Personen hatten damals am Interieur einen Sachschaden von rund 30000 Franken angerichtet und einen Polizisten leicht verletzt, als dieser eine Person festzunehmen versuchte. Mit dem Angriff sollte ein Auftritt der italienischen Gothikband Camerata Mediolanense verhindert werden, so die Begründung in einem mit «Antifaschistische Aktion, Kommando nazifreie Subkultur» unterschriebenen Communiqué. Die Band war in der Vergangenheit an rechtsextremen Veranstaltungen aufgetreten und hatte Neonaziblättern sympathisierende Interviews gegeben, so Rechtsextremismusexperte Hans Stutz in der «Wochenzeitung» (WOZ).
Erste Verhaftungen im Februar
Die Freiburger Polizei führt seit Oktober sehr aufwendige Ermittlungen durch. Aufgrund von DNA-Spuren an Vermummungsmaterialien, die in der Nähe der Bar gefunden wurden, konnte sie einen Angreifer identifizieren, worauf sie im Februar «neun bis zehn Hausdurchsuchungen» in Bern durchgeführt hat, wie der Freiburger Untersuchungsrichter Marc Bugnon sagt. Einen jungen Mann nahm sie damals für eine Woche in Untersuchungshaft, die restlichen Verhafteten wurden als «Auskunftspersonen» im Schnitt etwa zehn Stunden festgehalten.
Die Erkenntnisse, die durch die Massnahmen vom Februar gewonnen worden seien, hätten nun zu erneuten Einsätzen geführt, sagt Bugnon. Im Gegensatz zum Februar habe man diese Woche aber nur Leute verhaftet, gegen die «starker Verdacht» bestehe, die also als Beschuldigte und nicht als Auskunftspersonen gelten. Alle Festgenommen seien bis Freitagabend wieder freigelassen worden. «Ob es Geständnisse gegeben hat, kann ich auch aus ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen», so der Untersuchungsrichter, der damit rechnet, dass noch weitere zehn bis zwanzig Personen befragt werden müssen.
Unverhältnismässiges Vorgehen?
Gegenüber dem «Bund» äussert sich ein Mann aus der Berner Antifaszene zu den polizeilichen Ermittlungen der letzten Monate. Er will anonym bleiben. «Die Freiburger Polizei praktiziert Beugehaft.» Mehreren Festgenommenen sei gesagt worden, sie würden erst wieder freigelassen, wenn sie ihre Beteiligung am Überfall gestehen, so der Aktivist. Überhaupt würden die Freiburger Behörden mit «Sheriff-Methoden» und «auf gut Glück» ermitteln. «Bei der Anzahl und der Art und Weise der Verhaftungen und Razzien könnte man meinen, es gehe um einen Mordfall. Bei der Aktion in Freiburg haben die Beteiligten aber bewusst keine Personen verletzen wollen.» Zahlreiche beschlagnahmte Gegenstände wie etwa Computer hätten die im Februar Verhafteten bis heute nicht zurückerhalten, sagt der Antifaschist. Dies obwohl die Betroffenen mit einer Ausnahme formell gar nicht als Beschuldigte gelten.
Frage an Untersuchungsrichter Bugnon: Betreibt die Polizei unverhältnismässige Ermittlungen? «Ganz und gar nicht. Der Überfall hat hier in Freiburg viele Leute geschockt. Zudem gilt es, eine grosse Anzahl von Tätern zu ermitteln.» Die Ermittlungen würden aber auch nicht mehrere Jahre dauern.
Franz Riklin, Strafrechtsprofessor an der Universität Freiburg, kann die Frage der Verhältnismässigkeit als Aussenstehender nicht genau beurteilen. «Dass man einen solchen Überfall in unserer Gesellschaft nicht akzeptieren kann, verstehe ich. Der Ermittlungsaufwand hängt wohl auch damit zusammen, dass die Wahrheitsfindung schwierig ist, weil die Befragten kaum sehr kooperativ sein dürften», so Riklin. Hingegen sei eine Haftdauer von zehn Stunden für Auskunftspersonen wohl unverhältnismässig, sagt der Strafrechtler.
Ähnliches Konzert in Zug
Heute Samstagabend findet in einem Jugendtreff in der Stadt Zug ein Konzert statt, das einige Parallelen mit dem verhinderten Konzert vom Oktober in Freiburg aufweist: Im Internet sind heftige Debatten zwischen Antifas und Black-Metal-Fans zur Frage im Gange, ob die auftretenden Bands lediglich «patriotisch» oder «rechtsextremistisch» seien. Die Polizei hat vorsichtshalber zusätzliches Personal in Bereitschaft versetzt, wie die «Neue Luzerner Zeitung» diese Woche berichtete.