«Kein Hort der Rechtsextremen»

 

Der Bund vom 11.04.2009

Die Burgdorfer Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch (sp) zur Pnos-Demonstration und zu den Zielen im ersten Amtsjahr

 

Während der Pnos-Demo in Burgdorf erlebte Elisabeth Zäch ihre schwierigsten Stunden als Stadtpräsidentin. Sie sagt zudem, wieso kulturell Interessierte den Teilverkauf der Localnet unterstützen sollten.

Interview: Tobias Gafafer

«Bund»: Frau Zäch, bis vor 100 Tagen waren Sie Buchhändlerin. Kommen Sie als Stadtpräsidentin überhaupt noch zum Bücherlesen?

Elisabeth Zäch: Ja, klar. Seither habe ich schon sieben Bücher gelesen. Das ist und bleibt mein Hobby und ist eine ganz grosse Bereicherung. Sehr beeindruckt war ich von Philip Roths «Empörung» und von Klaus Merz’ «Der Argentinier».

Mit der Pnos-Demo hatten Sie gleich Ihre erste Feuerprobe. Hat Burgdorf ein Problem mit Rechtsextremen?

Burgdorf ist wie andere Gemeinden dieser Grösse immer wieder damit konfrontiert. Die Szene sucht gerne kleinere Städte aus, weil sie dort mit wenig Aufwand grosses Aufsehen erregt. In Burgdorf gab es zudem Verurteilungen wegen der Rassismusstrafnorm. Ich verwahre mich aber immer wieder dagegen, dass Burgdorf ein Hort der Rechtsextremen sei. Dies bewies doch die spontane Aktion aller demokratischen Parteien, die sich zu einem farbenfrohen Burgdorf und dem respektvollen Umgang mit anderen Kulturen bekannten. Das hat mich sehr gefreut.

Sie setzten sich mit der Aktion Courage gegen rechtsextreme Gewalt ein. Mit der Demo zielte die Pnos offenbar auch auf Sie. Was ging Ihnen dabei durch den Kopf?

Ich stehe zu meiner Haltung. Es ist nur gut, wenn man weiss, dass ich mich als Stadtpräsidentin gegen rechtsextremes Gedankengut verwahre. Aber es waren tatsächlich die schwierigsten Stunden in diesen 100 Tagen. Man wusste, dass eine extrem gewaltbereite Szene in die Stadt kommt, und damit meine ich auch den Schwarzen Block. Die vermummten Gestalten machen mir Angst. Trotz grossem Vertrauen in die Polizei blieb eine bedrückende Ungewissheit. Umso erleichterter war ich, dass alles gut über die Bühne ging.

In Bern wurde die Stadt Burgdorf teils als klein kariert wahrgenommen. Waren Sie tatsächlich «erleichtert», als die Demo in Bern stattfand?

Ich war nicht erleichtert, dass die Demo in Bern stattfand, sondern dass es nicht zu einer Konfrontation zwischen den beiden Szenen gekommen ist. Grundsätzlich bin ich aber enttäuscht, dass sich das Gedankengut der Pnos hält. Genauso wenig Verständnis habe ich für den Schwarzen Block. So löst man keine politischen Probleme.

Kann ein Reglement in Zukunft solche Demos verhindern?

Auch ein Demoreglement kann uns die Grundsatzfrage der Demonstrationsfreiheit nicht abnehmen. Es kann höchstens Bedingungen für die Bewilligungen festlegen. Wir werden aber ohnehin ein Ortspolizeireglement erarbeiten müssen, und in diesem Rahmen werden wir uns der Sache annehmen. Es gilt, mit den Parteien auszuhandeln, wie stark wir ins Recht der Demonstrationsfreiheit eingreifen können und wollen. Das ist demokratisch etwas vom Heikelsten.

Die Thuner Stimmberechtigten schmetterten den Verkauf der Energie Thun an die Berner BKW jüngst wuchtig ab. Droht dem Verkauf der Burgdorfer Localnet im Mai an der Urne dasselbe Schicksal?

Wenn ich für etwas kämpfe, gehe ich auch davon aus, dass es gelingt. Der Teilverkauf der Localnet ist ein sinnvolles Geschäft, weil es sowohl dem Unternehmen als auch der Stadt viel bringt. Das Geschäft wurde anders und seriöser als in Thun aufgegleist. Geschäftsleitung und Verwaltungsrat der Localnet stehen voll und ganz dahinter. Diese Gremien waren auch für die Verkaufsgegner absolut vertrauenswürdig.

Der Zeitpunkt für Liberalisierungen ist doch denkbar ungünstig.

Es ist sicher psychologisch nicht die idealste Zeit. Zudem ist das Geschäft sehr emotional beladen, weil man ein stadteigenes Werk teilverkauft. Dass heisst aber nicht, dass man es nicht versuchen soll. Politik will gestalten, und das heisst auch, dass sie etwas wagen muss.

Sind die grossen Investitionen in die Burgdorfer Infrastruktur ohne den Verkauf möglich?

So absolut sehe ich das nicht. Aber wenn die Localnet nicht teilverkauft wird, ist die Finanzierung der notwendigen Investitionen sehr viel schwieriger oder gar unmöglich. Steuererhöhungen wären dann ein Thema und die intensive Suche nach Investoren, die der Stadt diese Aufgaben abnehmen würden. Ob dafür die richtige Zeit ist? Ich bezweifle es.

Verstellt der Verkaufserlös von 39 Millionen Franken den Blick auf die finanziellen Realitäten?

Die Localnet hat in den letzten Jahren sehr gut gewirtschaftet und damit können wir nun 39 Millionen lösen. Mit diesem Kapital wollen wir einen Gegenwert schaffen und sinnvolle Investitionen in die Infrastruktur der Stadt vornehmen, die der ganzen Bevölkerung dienen. Allerdings braucht es zuerst eine breite finanzpolitische Debatte. Wir müssen überparteilich aushandeln, was wir uns in welcher Priorität leisten können und wollen.

Was würde bei einem Nein etwa mit der anstehenden Sanierung des Casinotheaters passieren?

Das weiss ich noch nicht. Wir würden aber alles daran setzen, dass wir die Sanierung trotzdem schaffen. Das Casino ist ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur. Es darf auf keinen Fall geschlossen werden, was leider wegen ungenügendem Brandschutzes und anderer Mängel droht. Deshalb sollten kulturell Interessierte den Teilverkauf unterstützen.

Die kantonale Spitalpolitik ist unter Druck. Ist das Regionalspital Emmental (RSE) in Burgdorf mittelfristig in der heutigen Form haltbar?

Ja, klar, denn es bietet Qualität. Der Einfluss der Stadt ist offiziell aber nicht sehr gross, weil das Spital dem Kanton gehört. Wichtig ist, dass wir in engem Kontakt stehen und die Stadt Burgdorf für einen starken Standort lobbyiert, wo immer es sinnvoll ist. Genauso halten wir es mit der Fachhochschule, die wir uns ebenfalls nicht schmälern lassen.

Was wollen Sie in Ihrem ersten Jahr als Stadtpräsidentin erreichen?

Ich will es schaffen, dass man mich als starke und partnerschaftliche Stadtpräsidentin für alle wahrnimmt – in Stadt, Region und Kanton. Einen besonderen Fokus richte ich auf die Neuausrichtung des Stadtmarketings.

«Wenn ich für etwas kämpfe, gehe ich davon aus, dass es gelingt.»

100 Amtstage

Anfang Dezember 2008 wurde die damalige Gemeinderätin und Buchhändlerin Elisabeth Zäch mit deutlichem Abstand zur Nachfolgerin von Franz Haldimann (bdp) zur ersten Burgdorfer Stadtpräsidentin gewählt. Das Frauen-Netz Burgdorf feierte die ersten 100 Amtstage von Zäch am Mittwochabend mit einem musikalisch umrahmten Anlass in Burgdorf. (tga)