Die beiden Skinheads, die 110 Schüsse auf die Solterpolter-Wohngemeinschaft abfeuerten, müssen wegen versuchter Tötung fünf Jahre ins Zuchthaus. Der dritte Beteiligte erhielt eine bedingte Strafe.
Eveline Kunz
«Eine unverständliche, sinnlose, feige Tat»: Klare Worte von Gerichtspräsident Peter Reusser, der gestern das Urteil des Kreisgerichts Bern-Laupen eröffnete. In der Nacht vom 9. auf den 10. Juli 2000 haben «ideologisch irregeleitete Skinheads das Gebäude im Marzili unter massiven Sturmgewehrbeschuss genommen», mit dem Ziel, den Bewohnern einen Schrecken einzujagen. Gestern hat das Kreisgericht die beiden Schützen, heute 21 und 23 Jahre alt, zu je fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Der dritte Beteiligte, 20-jährig, erhielt 18 Monate Gefängnis bedingt auf drei Jahre.
Tod in Kauf genommen
«Nur vor dem Hintergrund der menschenverachtenden rechtsextremen Gesinnung war eine solche Tat überhaupt möglich», sagte Gerichtspräsident Reusser. Er zitierte Aussagen, welche die beiden Schützen kurz nach der Tat gemacht hatten: «Ich hätte trotzdem geschossen, auch wenn das Risiko gross war, dass ich jemanden treffe», hatte der ältere Schütze, ein 23-jähriger Velomechaniker, ausgesagt. Er habe «von den Linken die Nase voll» gehabt. Vor Gericht sagten die Schüt- zen später, sie seien sich nicht bewusst gewesen, dass sie jemanden gefährden könnten. Dies taten die Richter als Schutzbehauptung ab. Die ganze Aktion sei dafür zu zielgerichtet gewesen. Ausserdem hätten die Täter damit gerechnet, dass die Bewohner zu Hause waren. Sonst hätte es keinen Sinn gemacht, diesen einen Schrecken einjagen zu wollen. Auch die Durchschlagskraft der Munition hätten die Täter gekannt. Das Gericht ging davon aus, dass die beiden Schützen in Kauf genommen hatten, eine unbestimmte Zahl von Personen zu töten. Es verurteilte sie deshalb wegen eventualvorsätzlich versuchter Tötung.
«Um ihr Leben gerannt»
«Die Personen im Gebäude sind um ihr Leben gerannt», sagte Reusser. Fünf Bewohner waren zu Hause, als morgens um 2.40 Uhr die Schüsse fielen. Um sie herum hätten überall Schüsse eingeschlagen, sagte eine Bewohnerin vor der Polizei. Rund 50 der 110 Schüsse durchschlugen Fenster und Türen. «Es ist nicht das Verdienst der Schützen, dass niemand verletzt wurde», betonte Reusser.
Alkohol im Blut
Strafmildernd berücksichtigte das Gericht eine leicht verminderte Zurechnungsfähigkeit der Schützen, da beide geschätzte 2 Promille Alkohol im Blut hatten. Sie hatten zuvor in einer Burgdorfer Bar getrunken, wobei der ältere Schütze laut Zeugen «traurig und aggressiv» geworden sei. Seinen ganzen Frust habe er auf die Linken projiziert. Anschliessend holte er zu Hause sein Sturmgewehr.
Fahrer war Mittäter
Bei einem Schiessstand besorgte der dritte Beteiligte ein zweites Sturmgewehr und etwa fünf Magazine Munition und fuhr die beiden Schützen zum Tatort. Ihn verurteilte das Gericht gestern wegen Gefährdung des Lebens. Allerdings sei er Mittäter gewesen und nicht bloss Gehilfe, meinten die Richter. Er habe einen wesentlichen Beitrag geleistet, ohne den die Tat nicht so abgelaufen wäre. Allerdings habe der 20-Jährige – anders als seine Mittäter – nicht den Tod der Bewohner in Kauf genommen. Er hatte während der Schiesserei im Auto gewartet. Er sei noch sehr jung und naiv gewesen und habe aus Gruppendruck mitgemacht, befanden die Richter. Positiv bewerteten sie, dass er sich anscheinend von der Neonazi-Ideologie gelöst habe. Beim ältesten Angeschuldigten äusserte das Gericht diesbezüglich Zweifel.