Thuner Stadtrat behandelte Antworten zu Antifa-Demo-Vorstössen
Mireille GuggenbÜhler
Bern hat sie, Thun nicht: die Reithallensituation. Und diese «Reithallensituation», die wolle man in Thun auch nicht, gab an der gestrigen Stadtratssitzung SVP-Fraktionspräsident Georges Greiner im Namen seiner Partei zu verstehen. «Enttäuscht» sei die Fraktion über die Antwort des Gemeinderates auf die Interpellation der SVP betreffend den eskalierten Antifaschistischen Abendspaziergang vom 17. Mai. Zur Erinnerung: Rund 1200 vorwiegend jugendliche Demonstranten trafen sich damals in Thun, um gegen «latenten Rechtsextremismus, Sexismus, den Irak-Krieg und die Globalisierung» zu demonstrieren. Dabei kam es an verschiedenen Orten zu heftigen Ausschreitungen – Wände wurden versprayt, Fenster eingeschlagen und Steine geworfen. Die Stadt Thun erlebte damals zum ersten Mal Ausschreitungen dieser Art an einer Demo. Daraufhin reichten SVP und EDU am 5. Juni zwei fast gleich lautende Interpellationen ein, die der Gemeinderat zuerst schriftlich und gestern nun auch noch mündlich beantwortete.
Vermummung verbieten
Die SVP-Fraktion, so Greiner gestern, «erwartet vom Gemeinderat, dass er in Zukunft das Recht im Bereich der Vermummung durchsetzt». Explizit das hatten Sicherheitsvorsteher und Gemeinderat Heinz Leuenberger (sp) sowie Polizeichef Erwin Rohrbach auf Anraten eines Polizeispezialisten damals nicht gemacht. Wie der Gemeinderat in seiner Antwort auf die Interpellation schrieb und Leuenberger gestern betonte, mache es nicht immer Sinn, das Vermummungsverbot rigoros durchzusetzen. Und der gestern ebenfalls anwesende Polizeichef fügte an, dass man bei einer gewaltsamen Durchsetzung des Verbots Gefahr laufe, «dass sich die Nicht-Vermummten mit den Vermummten solidarisieren, und alle kennen dann nur noch einen Gegner: die Polizei.»
Renate Begré (gfl) bekundete gestern Mühe mit vermummten Demonstranten, aber nicht mit dem damaligen Vorgehen der Polizei: Das Abschätzen der Situation und «situationsbedingtes Aushandeln» müssten immer möglich sein. Und hinter den Vermummten glaubt Begré vor allem Angst auszumachen. Es sei dies die Angst vor Repressalien der Gegenszene.
Auch FDP-Fraktion «enttäuscht»
Ebenfalls enttäuscht von der Antwort des Gemeinderates zeigte sich die FDP-Fraktion laut Stadträtin Jolanda Moser. Das Demonstrationsrecht sei auch «der FDP heilig» – dasselbe hatte bereits SVP-Fraktionspräsident Georges Greiner betont und nachgeschoben, dass die Fraktion das Demonstrationsrecht sehr wohl kenne und als Interpellations-Antwort nicht «seitenlange, interimistische Abhandlungen» benötige.
Wie Moser weiter ausführte, verlange die FDP«konkrete Auflagen im Bewilligungsverfahren». Sie erhielt dabei Rückendeckung von SVP- und EDU-Seite: Carlo Kilchherr (svp) und Gerhard Bieri (edu) forderten beide «Leitplanken und höhere Hürden» bei zukünftigen Bewilligungserteilungen.
Der Gemeinderat möchte sich allerdings gemäss seiner Interpellations-Antwort «nicht grundsätzlich für bestimmte Auflagen festlegen». Abgesehen davon, so Leuenberger gestern, «hatten wir Leitplanken gesetzt – wir wollten eine friedliche Demo und nicht eine solch saumässige Veranstaltung». Die Spielregeln, so Leuenberger weiter, «waren klar definiert. Er sei nicht etwa «ein Softie», sondern habe auch Interesse daran, Thun «zu beschützen». Wolle man jedoch den Gesamtgemeinderat bei einer Bewilligung mit einbeziehen, wie dies Kilchherr gestern forderte, «muss das Ortspolizeireglement geändert werden».
Zufrieden mit der Antwort des Gemeinderates waren gestern nebst der GFL- die SP-Fraktion sowie die FdM (Fraktion der Mitte). Zwar zeigten sich alle Sprecher wenig erfreut über den 17. Mai, ja, sprachen gar von einem «Saubannerzug» (Peter Holenstein, fdm). Doch wie SP-Sprecher Samuel Gauler meinte, könnten bei jeder Art von Demo plötzlich «ungebetene Gäste» auftauchen.