Erneut sind Skinheads in Münchenbuchsee aktiv. Mit Steinen griffen sie zu nächtlicher Stunde einheimische Jugendliche an. Die jüngsten Vorfälle lassen die Bevölkerung und die Kantonspolizei aufhorchen. Jetzt will die Polizei mit vermehrter Präsenz Schlägereien verhindern. Nebst auswärtigen Gruppen randalieren jedoch auch Jugendliche aus dem eigenen Dorf. Sie zünden Autos an, demolieren Automaten und besprayen Gebäude. Gemeindepräsident Walter Bandi nimmt die Vorfälle mit Besorgnis zur Kenntnis. zw
REGION BERN (02.09.1999)<
Und wieder tauchten Skinheads auf
Münchenbuchsee. Skinheads und Jugendliche sorgen im Dorf für Unruhe. Eine Umfrage der Kantonspolizei und der Gemeinde zeigt: 15 Prozent der befragten Buchser fühlen sich nicht mehr sicher.
*Christine Zwygart
Eigentlich wollten sich die Jugendlichen kurz vor vier Uhr morgens auf den Heimweg machen, als ihnen plötzlich Steine um die Ohren flogen. Skinheads griffen die jungen Leute vor gut zehn Tagen im Buchser Kästli-Areal an. Wir verhielten uns passiv“, sagt ein Betroffener, der anonym bleiben will. Sie seien den teilweise grossen Steinen ausgewichen. Verletzt wurde niemand. Die alarmierten Polizisten waren zwar schnell zur Stelle, doch die Angreifer hatten längst das Weite gesucht. Wir glauben einen der Skinheads erkannt zu haben“, erzählt der Betroffene weiter. Ein 16-Jähriger aus Buchsi soll in besagter Nacht als Skin unterwegs gewesen sein. Die Jugendlichen überlegen sich, ob sie gegen ihn Anzeige erstatten wollen.
Dies ist nicht das erste Mal, dass Jugendliche und Skinheads in Buchsi aufeinander treffen. Immer wieder zirkulieren Gruppen von Rechtsradikalen im Dorf. Dabei kommt es zwar selten zu handfesten Schlägereien, doch die einheimischen Jugendlichen werden provoziert. So auch am Buchsi-Märit Mitte Juni. Unser Dorf wurde in der Nacht von 20 bis 30 so genannten Skinheads heimgesucht, die verschiedene Festbesucherinnen und Festbesucher aufs Massivste bedroht haben“, schreibt Parlamentarierin Patrizia Vökt (GFL) in einer Interpellation. Sie fordert nun, dass die Gemeinde einen Dorfpolizisten einstellt.
Polizei hält Augen offen
Die jüngsten Vorfälle lassen auch die Kantonspolizei aufhorchen. Wir wissen, dass in der Region Bern Skinheads unterwegs sind“, sagt Pressesprecher Peter Abelin. Die so genannte Nationale Offensive“ hat ihre Postadresse gar in Moosseedorf. An Festen und öffentlichen Anlässen würden die Skinheads provokativ und in Rockermanier“ auftreten, so Abelin weiter. Mit vermehrter Polizeipräsenz sollen Schlägereien jedoch verhindert werden. So verlief das Kulturfest Streeting 99“, das am vergangenen Wochenende über die Bühne ging, ruhig. Wir waren darauf gefasst, dass etwas passieren könnte“, sagt Abelin. Vielleicht habe die verstärkte Präsenz der Polizei das Auftauchen der Skinheads verhindert.
Platz eins: Vandalismus
Nicht nur Skinheads sorgen in Münchenbuchsee für Unruhen, sondern auch einheimische Jugendgruppen. Was die Beamten ahnten, haben sie nun schwarz auf weiss mit einer Umfrage bestätigt. Das Problem Nummer eins im Dorf ist der Vandalismus (siehe Kasten). Eine Pressekonferenz vor den Sommerferien liess aufhorchen. Treffen in den Schulklassen die richtigen Kinder aufeinander, ist im Dorf die Hölle los“, sagte Jürg Bissegger, Chef des Buchser Polizeipostens, damals. Die Jugendlichen zündeten Autos an, demolierten beim Bahnhof den Verpflegungs-Automaten, besprayten Wände und hinterliessen nach ihren nächtlichen Saufgelagen zerbrochene Flaschen im Dorf.
Die Lage hat sich im Moment zwar etwas beruhigt“, sagt Bissegger. Einerseits seien die damals randalierenden Schulabgänger heute in der Lehre, andererseits hätten aber auch die ersten Massnahmen gegriffen. Die Männer der Securitas, aber auch die Kantonspolizisten selber patrouillieren vermehrt im Zentrum. Zwischenfälle gibt es aber immer noch – das Problem ist nicht aus der Welt“, räumt Bissegger ein. Gemeinsam mit der Gemeinde versucht die Polizei das Problem nun an der Wurzel zu packen. In einem so genannten Sicherheitsmarketing sollen alle Betroffenen – Behörden, Lehrkräfte, Abwarte, Jugendarbeiter und Bauverwalter – Lösungen suchen.
Wahlloses Zerstören
Früher haben die Jugendlichen mit weniger mehr bewegt“, sagt Christoph Hilty im Rahmen einer Strassenumfrage der BZ. Wer heute auffallen wolle, müsse extremere Sachen anstellen, ist der 23-jährige Buchser überzeugt. Wir hatten irgendwie noch mehr Respekt“. Was ihn erschreckt, ist das wahllose Zerstören von Häusern, Autos und anderen Dingen. Versprayen Jugendliche den Polizeiposten, ist klar, gegen was sie sich wehren“, sagt Hilty. So habe er aber das Gefühl, dass die Jugendlichen nicht wüssten, was sie mit ihrer Energie anfangen sollten. Bedroht fühlt er sich in seinem Dorf nicht. Doch er plädiert für die Bekämpfung der Probleme und nicht der Symptome“.
Gemeindepräsident Walter Bandi (SVP) stimmt dem zu. Er nimmt die Entwicklung mit Besorgnis zur Kenntnis (siehe Interview). Nebst verschäften Kontrollen will die Gemeinde nun jeweils innert 24 Stunden die Beschädigungen beseitigen. Und auch mit Altlasten“ wird aufgeräumt: Arbeitslose renovieren den alten Spycher neben dem Robinson-Spielplatz. Er wurde durch Jugendliche nicht nur über und über besprayt, sondern auch mehrmals aufgebrochen. Alte Brandmale und Farben sollen verschwinden.*
REGION BERN (02.09.1999)
Eltern wissen nicht, was ihre Kinder tun“
Die heutige Situation dürfe nicht hochgespielt werden, sagt Gemeindepräsident Walter Bandi (SVP).
*Interview: Christine Zwygart
BZ: Herr Bandi, 15 Prozent der Befragten fühlen sich in Buchsi nicht mehr sicher. Ist diese Zahl für Sie alarmierend?
Walter Bandi: Ich habe das eigentlich so erwartet. Aber man muss diese Zahl relativieren. Ich stelle fest, dass sich immer noch sehr viele sicher fühlen. Ich habe aber durchaus Verständnis, wenn die Leute vorab in den Nachtstunden verunsichert sind.
Fühlen Sie sich auch bedroht?
Nein. Aber ich verstehe es, wenn einige Buchser beim Anblick einer Menschengruppe lieber die Strassenseite wechseln.
Als Grund für die Unsicherheit geben die meisten Vandalismus an. Hat sich die Situation in Buchsi verschärft?
Vandalismus hat es schon immer gegeben. Doch heute wird er viel sensibler wahrgenommen.
Wieso randalieren die Jugendlichen in Ihrem Dorf? Haben Sie den Grund gefunden?
So weit sind wir noch nicht. Ich denke aber, dass die Jungen oft gar nicht bewusst randalieren. Durch Alkoholgenuss und das Gruppenverhalten zerstören sie manchmal Sachen – auch wenn sie das gar nicht gewollt haben.
Reagiert die Gemeinde auf den Alkoholkonsum?
Sicher. Eine Arbeitsgruppe kümmert sich darum. Die Schule, die Jugendarbeit, aber auch das Infoblatt sollen helfen. Die Geschäfte haben wir erneut auf das Verkaufsverbot von Alkohol an Minderjährige hingewiesen.
Die Jugendlichen werfen der Gemeinde immer wieder vor, sie mache zu wenig für sie. Ist das vielleicht mit ein Grund?
Das ist möglich. Doch konkrete Wünsche wurden nicht gestellt. Sowohl bei der Skater-Anlage als auch beim JugendcafÈ fällt zudem auf, dass nur wenige Jugendliche mithelfen. Viele legen einfach eine Konsumhaltung an den Tag.
Nebst Jugendlichen bewegen sich auch Skinheads im Dorf.
Wir nehmen das mit Besorgnis zur Kenntnis. Aber man darf das nicht hochspielen. Konflikte sind bis jetzt nur mit den Bewohnern des Kästli-Areals aufgetaucht.
Beim jüngsten Vorfall vor gut zehn Tagen glauben die Betroffenen, einen 16-Jährigen aus Buchsi erkannt zu haben.
Diese Aussage muss gründlich überprüft werden.
Sie kennen den Jugendlichen?
Ich weiss von einem Namen. Doch Abklärungen haben ergeben, dass die Mutmassungen falsch waren.
Verletzen die Eltern teilweise ihre Aufsichtspflicht?
Es ist so, dass viele nicht wissen, was ihre Kinder machen.
Damit sich die Situation entspannt, verlangt die Grüne Freie Liste in einer Interpellation die Anstellung eines Gemeindepolizisten.
Wir werden das prüfen. Es gibt aber auch andere Varianten.
Zum Beispiel?
Der verstärkte Einsatz der Securitas. Auch die Abteilung für öffentliche Sicherheit könnte ihre Kontrollfunktion verstärken.*
REGION BERN (02.09.1999)
Buchsi ist nicht alleine
Vandalismus und Probleme mit Skinheads sind nicht nur in Münchenbuchsee ein Thema. Eine Auswahl aus der Region Bern:
Utzenstorf: Im Dorf haben Jugendliche bei nächtlichen Streifzügen einen Schaden von rund 20 000 Franken verursacht. Sie warfen Billettautomaten um, zerschnitten das Kletternetz auf dem Pausenplatz und spannten Robidogs über die Strasse.
Hindelbank: Auch hier treten regelmässig Skinheads auf. Sie hetzen scheinbar in Flugblättern gegen Ausländer auf, verfolgen Jugendliche in Autos und machen immer wieder Radau.
Zollikofen: Vor einem Jahr haben unbekannte Täter die Besetzer der Strickwarenfabrik angegriffen. Mit Flaschen, Steinen und Gewehrkugeln hätten die 30 Nazis“ versucht, das Gebäude zu stürmen, schrieben die Besetzer damals in einem CommuniquÈ. Die Polizei bezeichnete die Angreifer als mutmassliche Sympathisanten der rechten Szene“.
Ittigen: Mitte der 90er Jahre geriet das Quartier Kappelisacker wegen Jugendproblemen in die Schlagzeilen. Auch Scharmützel zwischen Skinheads und ausländischen Jugendlichen wurden bekannt. zw