Neonazis umzingeln das Fricktal

BaslerZeitung

Im Fricktal häufen sich die Vorfälle rund um Rechtsextremisten wiederfranziska laur

Die Fricktaler Neonazi-Szene ist wieder aktiv. Auch Exponenten aus dem Baselbiet und Deutschland tauchen vermehrt auf.

Sie verprügeln Jugendliche und veröffentlichen abstossende Seiten im Internet: Rassistische Rechtsextreme und Neonazis fallen wieder unangenehm auf. «Wir sind umzingelt von Neonazis hier im Fricktal. Der Aargau ist ein Terrain, wo man sie gewähren lässt», sagt Heinz Kaiser aus Frick, Kämpfer gegen die Nazi-Szene.

Kürzlich forderte Kaiser das Verbot der Pnos, und er hat einige Anzeigen gegen Einzelpersonen im Köcher. Kaiser hat eine Helpline für Opfer von Gewalt eingerichtet. Durch seinen Einsatz gegen Rechtsextremismus und Rassismus ist er in der ganzen Schweiz bekannt. Opfer von Neonazis hätten gerade im Aargau oft Mühe, ihre Anzeige zu deponieren. Kaiser: «Da wird beschwichtigt und bagatellisiert.» Und weiter: «Ich fürchte mich nicht vor Neonazis. Ich fürchte mich nur vor denen, die nichts dazu sagen.» (vgl. Text nebenan)

Ein Vater aus dem Fricktal will nicht länger schweigen. Sein Sohn wurde von Neonazis verprügelt, nun hat er die Nase voll. Er hat Anwälte eingeschaltet und straf- und zivilrechtliche Anzeigen eingereicht. Nach Anpöbeleien musste der Sohn, gebürtiger Schweizer mit ausländisch klingendem Namen, ein Fest verlassen. Ein Gruppe von Glatzköpfen mit Springerstiefeln verfolgte ihn, erzählt der junge Mann. Als er flüchten wollte, rutschte er aus und fiel hin. «Sie standen um mich herum und traten auf meinen Kopf ein.»

Der junge Mann verbrachte den Sonntag im Spital. Rasende Kopfschmerzen, Prellungen im Gesicht, eine angeschwollene Augennetzhaut und drei angeschlagene Zähne zeugen vom Zwischenfall. Die Vorprüfungen für die Matur musste er absagen.

Namen nennen. Der Mann kann Namen nennen. Ihm ist auch aufgefallen, dass sich ein Deutscher in der Gruppe befand. Nicht immer fällt es den Opfern leicht, Anzeige zu erstatten, und wenn sie es tun, würden sie nur ungern aufgenommen, meint Heinz Kaiser. Möhlin ist ein beliebtes Pflaster für Rechtsextreme. Abstossende Internetseiten zeugen davon. Da wird etwa dazu aufgerufen, Möhlin von Ausländern zu säubern: «In einer Gruppe sind wir wie ein Sturm, der über die Kanackenfelder wirbelt und alles zerstört, was nicht schweizerisches Blut hat oder keine weisse Abstammung vorweisen kann», steht auf der Gästeseite von www.nolimitpub.ch etwa. Das «No Limit» ist ein Pub in Möhlin, und unter anderem ein Treffpunkt von Rechtsextremen.

Doch Möhlin steht nicht allein. Im oberen wie im unteren Fricktal tummeln sich praktisch nach jedem Dorffest Gruppen von Glatzköpfen in Bomberjacken und T-Shirts mit Nazi-Emblemen. Wenn man eine Diskussion mit ihnen beginne, so würden die Holocaust-Leugnung und das nationalsozialistische Gedankengut offensichtlich, meint ein Beobachter der Szene, der anonym bleiben will.

In Deutschland wie im Baselbiet ist das Terrain aufgrund von Anklagen und Verboten um einiges steiniger geworden. Da scheint der Aargau als Tummelplatz für junge Rechtsextreme wieder beliebter geworden zu sein. «Die Aargauer Polizei kann halt aufgrund ihres Personalmangels nicht so viel Aufwand betreiben», sagt Dieter Bongers, Leiter der Anlaufstelle für Rechtsextremismus beider Basel.

Stellung bezogen. «Die Situation hat sich massiv beruhigt, seit wir Flagge gezeigt haben», bestätigt auch Barbara Umiker, Mediensprecherin der Baselbieter Polizeidirektion. Regierungs- und Parlamentsmitglieder hätten in den letzten Jahren dezidiert Stellung gegen «die braune Suppe» bezogen. Man habe auch eine Anlaufstelle für Rechtsextremismus eingerichtet, die mittlerweile von beiden Basel betrieben wird. Dort biete man jugendlichen Rechtsextremen Ausstiegshilfen an. Diese Anlaufstelle ist in der ganzen Schweiz einzigartig.

Doch langsam scheint sich auch im Aargau etwas zu bewegen. Das Aargauer Bezirksamt hat kürzlich Mitglieder des früheren und heutigen Parteivorstandes der Pnos wegen «Rassendiskriminierung» zu Geldstrafen verurteilt. Auch diese Anzeige stammt von Heinz Kaiser. Er will nicht aufgeben, solange die Szene noch aktiv ist.