Anzeige gegen rechtsextremen Stadtrat

BernerZeitung

Langenthal Der politische und juristische Druck auf Pnos-Stadtrat Tobias Hirschi wird immer grösser

Der rechtsextreme Parlamentarier Tobias Hirschi steht mit dem Rücken zur Wand: Prominente Langenthaler Politiker fordern den Stadtrat zum Rücktritt auf. Zudem wurde Hirschi wegen der Verbreitung von antisemitischen Ideologien angezeigt.

Harte Zeiten für Tobias Hirschi, Stadtrat der rechtsextremen Partei national orientierter Schweizer (Pnos). Nach seinem Auftritt an der unbewilligten Demo am 1. August in Brunnen hagelt es Kritik und Rücktrittsforderungen von prominenten Langenthaler Politikern. Doch damit nicht genug: Wie Dokumente, die der Redaktion vorliegen, beweisen, wurde Tobias Hirschi wegen Verstosses gegen die Antirassismusstrafnorm angezeigt. Die Strafanzeige wegen Rassendiskriminierung wurde am 20. Juli beim Untersuchungsrichteramt II in Burgdorf eingereicht. Hirschi wird vorgeworfen, seinen Artikel im Pnos-Mitteilungsblatt «Morgenrot» zur 1.-Mai-Demo in Solothurn mit einem antisemitischen Bild illustriert zu haben. Die «Morgenrot»-Ausgabe wird auf der Pnos-Homepage verbreitet und zeigt ein Transparent mit der Aufschrift «Wer regiert den Arbeiter». Unterlegt wird das Transparent mit einem gelben Davidstern auf einer blauen Kugel. Dieses Symbol stehe für das Weltjudentum, heisst es in der eingereichten Strafanzeige. «Die Aussage des Transparentes ist somit die, dass der weltweite jüdische Kapitalismus die Arbeiter ausnütze und unterdrücke», heisst es weiter. Dies stelle eine strafrechtlich relevante Verbreitung von antisemitischen Ideologien dar. Die Symbole schrieben Juden diskriminierende und herabwürdigende Eigenschaften zu. Beispielsweise durch Anspielung auf eine behauptete Geldgier, heisst es in der Anzeige.

Auch auf nationaler Ebene bewegt sich die Pnos auf dünnem juristischem Eis. Das Bezirksgericht Aarau verurteilte mehrere Pnos-Exponenten wegen der Veröffentlichung eines Wahlplakates und Passagen aus dem Parteiprogramm zu Bussen. Vorwurf: Verstoss gegen die Antirassismusstrafnorm.

«Hirschi soll zurücktreten»

Nicht nur auf juristischer Ebene weht Hirschi ein rauer Wind entgegen. Seine Teilnahme an der unbewilligten Demo in Brunnen hat in Langenthal für Empörung gesorgt. Der SP-Stadtrat Urs Masshardt nimmt kein Blatt vor den Mund: «Tobias Hirschi soll auf der Stelle zurücktreten.» Hirschis Auftritt an der Demo in Brunnen sei zutiefst unanständig. «Das hat mit Patriotismus nichts zu tun, das ist Fanatismus», sagt Masshardt, der vor den Wahlen im Oktober 2004 als einziger mit Inseraten vor Hirschi und der rechtsextremen Pnos gewarnt hatte. «Tobias Hirschi ist untragbar», sagt auch Masshardts Parteikollege, Stadtrat Reto Müller. Er müsse sich entscheiden, ob er «Terror oder Politik» machen wolle. «Entweder er entschuldigt sich vor dem Stadtrat, oder er tritt zurück.» In die gleiche Kerbe schlägt auch SP-Präsidentin Nathalie Scheibli. «Hirschi ist unwürdig, ein aktiver Politiker zu sein.» Sein Verhalten werde sicher an der nächsten Fraktionssitzung thematisiert. Über eine Rücktrittsforderung seitens der SP an Hirschi müssten Partei und Fraktion entscheiden, so Scheibli.

Steiner hofft aus Hirschis Lernfähigkeit

Und was meint SVP-Präsident Roland Christen zum jüngsten Auftritt von Tobias Hirschi? Immerhin war es SVP-Bundesrat Samuel Schmid, der von den Rechtsextremen auf dem Rütli während seiner Rede aufs Übelste beschimpft und beleidigt wurde. «Es ist eine Frechheit, was auf dem Rütli geschehen ist, ich verurteile das aufs Schärfste», erklärt Christen. Hirschi schade sich mit seinem Auftreten nur selber, ist er überzeugt. Den Rücktrittsforderungen will sich Christen aber nicht anschliessen. «Es ist nicht an mir, Konsequenzen zu ziehen.»

Handeln will dagegen Stadtratspräsident Reto Steiner (EVP). Er hat Hirschi bereits an der Stadtratssitzung vom 9. Mai öffentlich gemahnt – wenn auch ohne seinen Namen zu nennen. Hirschi hatte am 1. Mai für Schlagzeilen gesorgt, als Recherchen dieser Zeitung ergaben, dass der Pnos-Stadtrat an der unbewilligten Demo in Solothurn teilgenommen hatte. Diese eskalierte, und im Verlauf des Saubannerzuges kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Steiner forderte Hirschi auf, die Rechtsordnung einzuhalten und die Würde des Parlaments zu achten.

Offenbar vergeblich. «Ich werde ihm an der nächsten Stadtratssitzung einen schärferen Verweis erteilen und auch das Gespräch mit ihm suchen», erklärt Steiner. «Es geht nicht, dass der Bundespräsident auf derart unflätige Art und Weise beschimpft wird und Hirschi ein weiteres Mal an einer unbewilligten Demo teilgenommen hat.» Spontan schlägt auch FDP-Stadtrat und Hirschis Banknachbar Richard Bobst ein Gespräch vor, um Hirschi seinen Missmut kundzutun. Mit Hirschi, den Fraktionspräsidenten und Reto Steiner – und zwar ohne Hir schis Kameraden, «die ihn vor und nach den Sitzungen sofort in Beschlag nehmen». Tobias Hirschi war gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Er reagierte auch nicht auf die Nachricht auf der Combox seines Natels.

Käser: «Ich bin entsetzt»

Es ist schwierig, mögliche Konsequenzen für das Verhalten von Tobias Hirschi zu eruieren. Amtsenthebungsverfahren sind im Kanton ein Novum. Stapi Hans-Jürg Käser (FDP) zeigte sich gestern «entsetzt» über den jüngsten Vorfall. Sollte ein Richter Hirschi jemals verurteilen, werde die «Stadt, in Zusammenarbeit mit der Justiz, das weitere Vorgehen prüfen». (ltr)