Mit Mut gegen Fremdenhass
Zwei Roggwilerinnen sind für den Prix Courage nominiert. Sie haben sich für Kolleginnen eingesetzt
Für ihr mutiges Eintreten gegen Fremdenfeindlichkeit sind zwei Bernerinnen aus Roggwil für den Prix Courage nominiert. Sie haben ein Zeichen gegen eine «rassistische Maitanne» gesetzt.
Dominique Schärer, infosüd
«Wir würden wieder genau gleich handeln», sagen Priska Grütter und Janine Meier aus Roggwil. «Denn mit unserem Einsatz haben wir bewirkt, dass in unserem Dorf der Maitannen-Brauch nicht mehr für rassistische Zwecke missbraucht wird.» Tatsächlich ging in diesem Jahr der Frühlingsbrauch, bei dem die 19-jährigen «Stellbuben» zu Ehren ihrer Jahrgangskolleginnen eine Maitanne stellen, im oberaargauischen Roggwil ohne Zwischenfälle über die Bühne.
Nicht so in den Jahren zuvor, als die «Stellbuben» die Namen der jungen Frauen mit ausländischen Wurzeln auf der Liste am Stamm der Maitanne ausliessen und statt dessen zuoberst auf der Maitanne eine Schweizer Fahne montierten. Erst mit Priska Grütter und Janine Meier wehrten sich 2005 erstmals zwei Jahrgängerinnen gegen diese Diskriminierung: Sie ergänzten die Liste mit den fünf fehlenden ausländischen Frauennamen. Als die «Stellbuben» diese umgehend wieder entfernten, wollten sie auch ihre eigenen Namen nicht mehr an der Maitanne stehen sehen. «Wir konnten nicht akzeptieren, dass gut integrierte Kolleginnen, zum Teil mit Schweizer Pass, vom Brauch ausgeschlossen wurden», sagt Janine Meier, heute kaufmännische Angestellte in Langenthal. Die daraus folgende Aktion sei «ein Zeichen gegen das rassistische Bäumchen» gewesen, ergänzt die angehende Germanistikstudentin Priska Grütter.
Keine Angst zeigen
«Wir hatten es lustig, als wir mit einem Leiterwagen durch Roggwil zogen, um die beiden Namensschilder an der Maitanne mit einem verlängerten Pinsel zu übermalen», berichten die beiden jungen Frauen. Allerdings seien sie froh gewesen, zu zweit zu sein und einen Teil ihrer Jahrgängerinnen hinter sich zu wissen – auch wenn diese nicht hätten eingreifen wollen. «Als uns einer der Rädelsführer bei der Maitanne einschüchtern wollte, sagte ich ihm, ich hätte keine Angst», sagt Janine Meier.
Die Aktion von Priska Grütter und Janine Meier weckte letztes Jahr nicht nur das Interesse der Medien, sondern löste auch eine Diskussion über Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus in der Region aus. Im Herbst zuvor nämlich war die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) ins Langenthaler Parlament gewählt worden. Mit den Rechtsextremen hätten sie nichts am Hut, hatte einer der «Stellbuben» dem «Bund» gesagt. Zwei oder drei von ihnen seien allerdings «schon eher rechts eingestellt». Das Auslassen von ausländischen Mädchennamen am Maibaum begründete der «Stellbube» damit, «dass Ausländer mit diesem Brauch nichts zu tun haben». Dies, obwohl ihre Kolleginnen auch bei den gleichaltrigen jungen Männern gut integriert waren, wie Janine Meier und Priska Grütter betonen.
Regeln eingeführt
Rechtsextremes Gedankengut und rassistische Spannungen zwischen den Jugendlichen hätten die Kirchgemeinde schon früher beschäftigt, sagt Hans Gerber, ehemaliger Pfarrer in Roggwil. Zusammen mit anderen Erwachsenen verfasste er eine «Roggwiler Erklärung» und lud zu öffentlichen Anlässen zum Thema Fremdenfeindlichkeit ein. Schliesslich einigten sich Gemeinderat und Kirchgemeinde auf die Regel, dass die Maitanne künftig keine Schweizer Fahne mehr tragen darf und dass entweder alle oder keine Namen von Jungbürgerinnen daran stehen sollen. Wie dieses Jahr werde er künftig vor dem ersten Mai mit den «Stellbuben» reden und ihnen diese Regeln in Erinnerung rufen, sagt Gemeindepräsident Erhard Grütter (fdp). Was rechtsextreme Tendenzen in Roggwil anbelange, so sei der Stimmenanteil für die Pnos bei den Berner Grossratswahlen diesen Frühling mit 4,2 Prozent in Roggwil nicht höher als in anderen Orten der Region gewesen.
Janine Meier und Priska Grütter sind wegen ihres Einsatzes gegen die «rassistische Maitanne» für den Prix Courage des «Beobachters» nominiert worden, der am 22. September verliehen wird. Roggwil wird sich indes weiterhin mit rechten Tendenzen befassen müssen: Für die Gemeindewahlen Ende Oktober will die Pnos einen eigenen Kandidaten stellen.
Lehrmittel zu Rassismus
Die Geschichte um die Roggwiler Maitanne ist eines von sechs Beispielen in der neu erschienenen Bildungsmappe «Schau hin!» zu den Themen Rassismus und Zivilcourage. Die Mappe dient der Arbeit mit Jugendlichen zwischen 13 und 20 Jahren, enthält sechs Porträts von jungen Menschen mit Zivilcourage und ein pädagogisches Begleitheft. Sie wurde von Alliance Sud, dem Friedensdorf sowie Juko Bern erarbeitet und ist im Schulverlag Bern erschienen. Sie kann bei der Stiftung Bildung und Entwicklung bestellt werden (globaleducation.ch).