Die für gestern Abend von linken Parteien geplante Informationsveranstaltung zum Thema «Antisemitismus, Rassismus und Sexismus in der Anthroposophie?» wurde überraschend kurzfristig abgesagt.
cf. Das Thema ist heikel. Und offensichtlich lässt sich kaum darüber sprechen. Zumindest nicht öffentlich oder halböffentlich, wie dies an einer Veranstaltung, welche die Basler Linke (Basta, Grüne Partei, SP Basel-Stadt und Frauenliste) zusammen mit der Aktion Kinder des Holocaust organisiert hatte, geplant war. Eingeladen war der deutsche Journalist und Politologe Peter Bierl, der über die «Wurzelrassenlehre Rudolf Steiners – Das zentrale Element des anthroposophischen Rassismus» referieren wollte, sowie Ekkehard Stegemann, Professor an der Theologischen Fakultät der Uni Basel und Präsident der Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft. Sein Thema: «Antijüdische Stereotypen in der anthroposophischen Tradition – Fragezeichen?» Moderieren sollte das Gespräch Ständerat Gian-Reto Plattner. Doch zu einem Gespräch kam es nun gar nicht. Die Veranstaltung wurde kurzfristig abgesagt.
Die Aktion Kinder des Holocaust sagte bereits in ihrer Presseerklärung vom 6. September ihre Teilnahme an der Veranstaltung ab. Aber nicht nur die Aktion Kinder des Holocaust zog sich aus der Veranstaltung zurück, auch Peter Bierl liess sich entschuldigen. Der Grund ist bei beiden der «nachnominierte» Stefan Leber. Leber ist Mitglied im Vorstand des Bundes der Waldorfschulen und Verfasser des Werkes «Anthroposophie und Waldorfpädagogik in den Kulturen der Welt». Darin schreibt Leber Sätze wie: «Das Triebleben“ des Schwarzen mit seiner stoffwechselhaften, bewegungsfähigen Natur wird nur scheinbar abschätzig beurteilt (bei Steiner, Anm. d. Red.): in Wirklichkeit erweist es sich als Überlegenheit und Vorzug, nämlich als Schutz vor dem Fall in den Materialismus und damit auch den Sozialdarwinismus, dem der Weisse leicht erliegt.» «Solche und ähnliche Auffassungen sind für mich», so Bierl, «nicht diskussionsfähig. Über die angeblich besondere Triebnatur von Schwarzen kann ich auch in München an jedem Stammtisch diskutieren.»
Leber wurde von Gian-Reto Plattner als Vertreter der anthroposophischen Seite und hinsichtlich eines kontradiktorischen Gespräches eingeladen. Gegenüber der BaZ bedauert Plattner, dass ein aufgeklärtes Gespräch zwischen den Podiumsteilnehmern offenbar unmöglich sei. Die in diesem Zusammenhang von einem der Podiumsteilnehmer getroffene Feststellung, man könne «nur über, nicht mit» der Gegenseite reden, hält Plattner für diskriminierend und undemokratisch. Er sieht sich inskünftig ausserstande, Gespräche zwischen «zerstrittenen Gruppen» zu leiten. Er vertritt jedoch die Ansicht, dass die Werke Rudolf Steiners und seiner Exegeten nach dem entsetzlichen Ereignis der Shoah nicht mehr ganz so unbefangen interpretiert werden könnten: «Eine offene und für Öffentlichkeit transparente Auseinandersetzung mit der gegen diese Werke vorgebrachte Kritik scheint mir», so Plattner in einer Medienerklärung, «im Eigeninteresse der in unserer Region unbedrängt lebenden und stark verwurzelten anthroposophischen Bewegung zu liegen.»