Kommandant Daniel Blumer hat bei der Berner SVP die Volks(partei)seele brodeln erlebt SVP-Polizeidirektorin Ursula Begerts erster Offizier, Daniel Blumer, hat als SVP-Gast einiges zu hören bekommen: Vom gutbürgerlichen Hausbesitzer-Präsidenten bis zum rechtsextremen Skinhead tönte es, Bern sei nicht mehr sicher, da müsse durchgegriffen werden. Bericht aus einem Saal mit dicker Luft.
* RUDOLF GAFNER
«Hat es Sie nicht auch schon angekotzt?» fragt Daniel Rutsch. «Mich ja.» Und: «Ist Bern sicher? Nein!» Gründe: «Wir haben ,Toleranz und ,schnurren. Wo sind die Cops, die Flics? Daniel Blumer macht ja bloss, was die Politik ihm sagt, und wenn halt unsere Politiker Warmduscher sind». Rutsch, Präsident des Berner Hauseigentümerverbands, ist bekannt für scharfe Voten, aber vor dem hundertköpfigem Publikum der SVP Bern-Süd dreht der SVP-Mann am Dienstagabend so richtig auf. «Wir brauchen eine Stadtregierung, doch die haben wir nicht», klagt er, verlangt «Law and Order fertig!» Denn in Bern «wird das Privateigentum in keiner Weise mehr respektiert», da gebe es «mehr Demonstrationen als Märkte». Lehrer sollten «gescheiter Karate lernen» statt in «Gut zureden» und «Mediation» zu machen. Würde er, Rutsch, einen Sprayer erwischen, «gäbe ich dem am liebsten auf die Nuss. Aber dann erwische ich am Ende noch einen Professorensohn aus Muri und habe ein Verfahren wegen Körperverletzung am Hals.» Applaus. Ja, meint SVP-Grossrat Thomas Fuchs, Bern kranke an «Linken, die das Gefühl haben, man könne alles mit Räucherstäbchen-Kursen lösen». Wieder Applaus. «Und unser Quartier hat ein Riesenproblem», klagt VP-Süd-Präsidentin Beatrice Wittwer, denn «Sprayen, Lärm, Nachtruhestörer, Kriminalität und so weiter» bedrohten den Frieden. «Im Quartier wird geschossen, es werden Scheiben eingeworfen, es verfolgen Jugendliche andere Jugendliche», schildert SVP-Stadtrat Peter Bernasconi die Krise und will wissen, wer hier auch finde, Gewalt nehme zu. Mehr als 50 Prozent im Saal heben zustimmend die Hand.
Ruf nach Machern und Grenzen
Doch Einheizen à la Rutsch oder Fuchs braucht es gar nicht, die Luft ist ohnehin dick. «Katastrophal» seis mit all den «Vaganten», «nicht mehr tragbar», sagt ein spray- und einbruchgeschädigter Hausbesitzer. «Jetzt brauchts nicht Denker, sondern Macher, die klare Grenzen setzen», meint ein älterer Herr. «Wo sind unsere Parteien? Der Polizeibestand muss wesentlich verstärkt werden», fordert ein anderer. Und als Stephan Wyder, Jugendarbeiter der Stadt, entgegen hält, man solle Jugendliche doch nicht so verteufeln, man müsse auch zuhören, sie ernst nehmen, ihnen «eine Chance geben», meint eine Zuhörerin nur: «Der hätte Pfarrer werden sollen.» Und einem Zuhörer platzt schlicht der Kragen:«Zum Kotzen ist das, pfui!» ruft er, steht auf, verlässt den Saal und eine Fünfergruppe kettenrauchender Jugendlicher an einem Tisch klatscht in die Hände.
Sie fallen auf: Vier Glatzköpfe in Skinhead-Manier und ein blondes Reenie (weiblicher Skin) unter ihnen ein langjährig einschlägig als rechtsradikaler Aktivist bekannter Berner. Er beklagt sich beim Polizeichef über Gewalt von «Hip-Hopper- und Reithalle-Banden» und darüber, dass die Polizei «das linke Lager bevorzugt behandelt». Und einer der Glatzenkameraden, ein 19-Jähriger aus der Agglomeration Bern, lässt Hausbesitzerpräsident Rutsch wissen, dass er dessen Sicht betreffs «Auf die Nuss geben» teilt: «Wenn man mal so einen Büffel erwischt und ihm ,eine preicht, ist man nur selber der Kriminelle.»
Über Anspruch und Wirklichkeit
Kommandant Blumer hat einiges gehört und antwortet. Politisch sei die Polizei nicht, sie werde allenfalls zum Spielball von Politik gemacht, sagt er dem Jungrechten. Dann richtet er sich an die Bürger im Saal. «Ich weiss, dass wir nicht alle Bedürfnisse befriedigen können.» Die Polizei sei wegen Personalnot gezwungen, Schwerpunkte zu setzen.