Der Anführer
Er steht im Hintergrund, aber er war der Anführer der Rüt-li-Pöbler. Der junge Mann mit dem fiesen Lachen versteckt sich hinter einer verspiegelten Sonnenbrille und einer Baseballmütze mit der Aufschrift «Bündner Widerstand». Er trägt ein Sennenchutteli mit aufgenähtem Bündner Kantonswappen.
Schon zwei Minuten nachdem Bundesrat Samuel Schmid mit seiner Ansprache begonnen hat, schreit er: «Verrat, Verrat, Halbbundesrat.» Sofort brüllen alle anderen Glatzköpfe mit. Hebt er seine Rechte zum verkappten Hitlergruss, machen es ihm alle andern nach. Immer wieder stimmt er Sprechchöre an, immer wieder beleidigt er den Bundespräsidenten als Erster.
Der Schläger
Er war einer der auffälligsten Pöbler auf dem Rütli. Das «Pit Bull»-Shirt, ein klassisches Neonazi-Outfit, spannt sich über seiner Wampe. Auf der Innenseite des linken Unterarms trägt der stark übergewichtige Glatzkopf ein eintätowiertes keltisches Kreuz, rechts eine Flamme auf der Haut.
Gemäss Hooligan-Experten handelt es sich um einen jungen Zürcher, der immer wieder bei Schlägereien in und vor Fussballstadien anzutreffen ist.
So auch im Mai vergangenen Jahres beim Spiel GC – FC Basel. Damals trug der junge Mann ebenfalls ein «Pit Bull»-Shirt – und Lederhandschuhe. Ein Augenzeuge: «Er holte sich eine blutige Nase, weil er zu dick und zu langsam war, um seinen Gegnern davonzurennen.»
Der Politiker
Zum Beispiel Tobias Hirschi (21). Er ist der erste «Politiker» unter den Neonazis. Seit Oktober 2004 sitzt er für die «Partei National Orientierter Schweizer» (Pnos) im vierzigköpfigen Parlament der Berner Kleinstadt Langenthal. Sein politisches Programm: «Zügige Rückführung kulturfremder Ausländer». Der «Rassenpolitiker» («Wochenzeitung») hat zwei Motionen eingereicht. Mit der ersten wollte der Fraktionslose Einsitz in Kommissionen nehmen. Zudem verlangte er ein Bettelverbot für Langenthal. Beide Motionen wurden abgeschmettert. Aber Hirschi sitzt nicht nur im Parlament.
Wenns rechte Demos gibt, ist er immer zuvorderst dabei. Zuletzt in Brunnen SZ. Gegen Hirschi laufen mehrere Strafverfahren, weil er die Antirassismus-Strafnorm verletzt haben soll.
Die Skin-Girls
Unter den pöbelnden Neonazis auf dem Rütli waren auffallend viele Frauen. Auch sie schrien Bundespräsident Samuel Schmid nieder, auch sie hoben den rechten Arm zum verkappten Hitlergruss.
Aber die Frauen in der von Männern dominierten Neonazi-Szene sind nur An-hängsel. Bestenfalls werden sie als Freundinnen toleriert. In einem Leserinnenbrief an ein Skingirl-Magazin hiess es: «Wir wollen endlich mal von diesem «Fickhennen»- Image wegkommen.» Skinhead-Experte Dieter Bongers von der Basler Anlauf- und Beratungsstelle Rechtsextremismus: «Die Frauen sind für das Verarzten ihrer Männer nach Schlägereien zuständig oder fahren sie mit dem Auto zu Treffen.» Er schätzt den Frauenanteil in der rechtsextremen Szene auf höchstens ein Drittel.
Die Szene
Der Extremismus-Bericht 2004 des Bundes nennt die Zahl von rund 1000 Neonazis in der Schweiz. 1997 hatte die extreme Rechte lediglich 275 Mitglieder. Die bekannteste Gruppe ist die Pnos (Partei national orientierter Schweizer) mit etwa 130 Mitgliedern. Sie gilt als Hauptorganisatorin der Rütli-Aufmärsche und ist politisch aktiv, unter anderem im Stadtparlament von Langenthal BE. Die Pnos pflegt Kontakte zu anderen, teilweise gewalttätigen in- und ausländischen rechtsextremen Gruppen. Ihre Mitglieder kamen wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt. Als erste Rechtsextremen-Gruppierung gelten die Hammerskins, die in der Schweiz seit 1990 bekannt sind. Beide Gruppierungen haben eine vorwiegend jugendliche Anhängerschaft. Ganz anders die «neuheidnische» Avalon-Gruppe, die ein rechter Diskussionszirkel für ältere Mitglieder ist und auch seit 1990 besteht. Avalon unterhält Verbindungen zur Pnos und zu Gleichgesinnten im Ausland.