Gewerkschafter zunehmend von rechtsextremer Gewalt bedroht. Im Internetwerden laut BKA vermehrt Listen mit Namen, Adressen und Lichtbildern vonAusländern und Vertretern des linken Spektrums veröffentlicht. Darunterseien Politiker, Künstler und Gewerkschafter, berichtete BKA-PräsidentUlrich Kersten der Springerzeitung Welt am Sonntag. Zwar seien imZusammenhang mit diesen Listen bisher noch keine Anschläge bekanntgeworden, doch es bestehe die Gefahr, daß Rechtsextremisten zu Gewalttatenermutigt würden. Kersten sieht die Gefahr, daß Rechtsextreme versuchen,sich eine »Struktur und Ausrüstung zu schaffen, um gezielt gegen politischeGegner vorzugehen und bestimmte Objekte anzugreifen«. Waffen- undSprengstoffunde der letzten Zeit gäben Anlaß zur Sorge.
Neu sind diese Erkenntnisse und Warnungen, die von Antifaschisten seitJahren ausgesprochen werden, nicht. Neu ist lediglich, daß Staatsschutz undPolitiker das Thema im Zuge rot-grüner Imagepflege ganz oben auf dieTagesordnung setzen und als das Hauptproblem darstellen. Ein gelungenesAblenkungsmanöver von Ursachen des Rechtsextremismus wie auch von anderenProblemen beispielsweise in Sozial- und Bildungspolitik.
Auch nicht neu ist die Beharrlichkeit, Rechtsextremismus als ein Problemder neuen Länder – mit dem Hinweis auf Demokratiedefizite der ehemaligenDDR-Bürger – darzustellen. Der für den Staatsschutz verantwortlicheDirektor des BKA Manfred Klink beklagte am Wochenende in derMitteldeutschen Zeitung ein wesentlich höheres Gewaltpotential inOstdeutschland. Der innenpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, CemÖzdemir, will anscheinend Demokratieunterricht in den neuen Länderneinführen: Nach der Vereinigung habe den Ostdeutschen offenbar niemanderklärt, daß zur Bundesrepublik auch Werte gehörten, so derGrünen-Politiker im Focus. Und weiter: »Wir müssen unseren Brüdern undSchwestern im Osten klarmachen: Das Grundgesetz gilt in allen Teilen derBundesrepublik.«
Allerdings liegen weder Wuppertal, wo Neonazis vor 14 Tagen eineantifaschistische Kundgebung angegriffen haben, noch Dortmund, wo derRechtsextremist Michael Berger im Juni drei Polzisten erschossen hat, oderLudwigshafen, wo Rechtsradikale in der vergangenen Woche Molotow-Cocktailsin ein Flüchtlingsheim warfen, im Osten der Bundesrepublik. Auch amvergangenen Wochenende waren Neonazis in Ost und West gleichermaßen aktiv.In Düsseldorf beteiligten sich Neonazis, darunter der Dortmunder SigfriedBorchardt, SS-Siggi genannt, an der Demonstration zur Rettung derKampfhunde und verteilten in Anspielung auf den Polizistenmörder BergerFlugblätter mit der Aufschrift »3 zu 1 für Deutschland«. In Uetersen beiPinneberg in Schleswig- Holstein wurde in der Nacht zum Sonnabend einBrandanschlag auf eine türkische Moschee verübt. In Sülfeld, ebenfalls inSchleswig-Holstein, griffen rund 100 Neonazis am Sonntag morgen Teilnehmereines Zeltlagers an und verletzten mehrere Personen. In Magdeburg hetztenzehn bis 15 Jugendliche in der Nacht zum Sonntag zwei Vietnamesen durch denStadtteil Neu-Olvenstedt und verprügelten sie. Ebenfalls am Sonntag griffenetwa 20 rechte Skinheads im sächsischen Böhlen ein Fernsehteam an undverprügelten einen Kameramann am Ort eines Zugunglücks. Die Skins gehörtenoffenbar zu der gleichen rechten Szene wie die vier Personen, die amSonnabend beim Überqueren einer Gleisanlage von einem Zug erfaßt wordenwaren. Einer der Jugendlichen verstarb.