UNTERSEEN Drei junge Männer werden sich Anfang 2004 wegen versuchten und vollendeten Mordes an Marcel von Allmen und wegen weiterer geplanter Tötungsdelikte vor Gericht zu verantworten haben. Die Tat war eine Abrechnung unter Rechtsextremen.
CHRISTINE BRAND
«Der Prozess ist nötig, damit wir verarbeiten und abschliessen können.» Es war im März 2002, als Simon Margot, Gemeindepräsident von Unterseen, vom mühseligen Warten auf den Prozess erzählte. Es ist ein langes Warten geworden. Immer wieder mussten die Fristen für die psychiatrischen Gutachten verlängert werden. Jetzt aber wurde der Fall ans Gericht überwiesen: Anfang 2004 werden sich drei junge Männer vor dem Kreisgericht Interlaken für eine Tat zu verantworten haben, die die Gemeinde Unterseen erschüttert und über die Landesgrenzen hinaus für Schlagzeilen gesorgt hatte.
Das Verbrechen
In der Nacht auf den 26. Januar 2001 verschwand Marcel von Allmen, 19-jährig, aus Unterseen. Er habe noch mit jemandem abgemacht, hatte er seiner Freundin erzählt. Um Mitternacht wollte er zurück sein. Das war er aber nicht. Seine Leiche wurde Tage später im Thunersee gefunden. Vier «Kameraden», die gemeinsam mit von Allmen den rechtsextremen «Orden der arischen Ritter» bildeten, hatten ihn in jener Nacht zur Ruine Weissenau gefahren, ihn dort mit einem Metallrohr brutal zu Tode geschlagen und ihn danach mit einem Gewicht versehen im Thunersee versenkt. Angeblich, so sagten die vier, weil er gegen ein Schweigegelübde verstossen hatte. Die 17- bis 22-jährigen «Kameraden» vom «Orden der arischen Ritter» hatten sich ihres Mitglieds entledigt, weil er geplaudert hatte.
Die vier jungen Männer waren rasch festgenommen und bald geständig. Die Voruntersuchung brachte aber noch Weiteres an den Tag: Marcel von Allmen hätte bereits eine Nacht zuvor umgebracht werden sollen nur weil er nicht zum vereinbarten Treffpunkt erschienen war, hatte er noch einen Tag länger zu leben. Und: Bereits vorher hatten die drei älteren Mitglieder des Ordens Tötungsdelikte geplant, wie der Untersuchungsrichter Hans-Peter Zürcher im Dezember 2001 vor den Medien ausführte. Das erste Opfer, das die Gruppe töten wollte, war ein jugoslawischer Staatsangehöriger, knapp 18-jährig, wohnhaft in der Region Bödeli. Er sollte gemäss Zürcher Ende 1999 umgebracht werden, weil er Schweizer belästigt haben soll. Das zweite ausgewählte Opfer war ein 19-jähriger Schweizer, der von der Existenz des Ordens wusste. Es habe Differenzen gegeben. Er hätte im Herbst 2000 sterben sollen. «Sie haben Tötungen geplant und vorbereitet», sagte Zürcher. «Teilweise wurde die Ausführung der Tötung versucht.» Um den Orden zu finanzieren, begingen die Mitglieder Einbruchdiebstähle, betrieben Hehlerei mit Schmuck, verkauften Haschisch. Den «Orden der arischen Ritter» hatten sie gegründet, um sich gegen «Pöbeleien von Ausländern» zur Wehr zu setzen.
Das erste Urteil
Der Jüngste der Gruppe er war zum Zeitpunkt der Tat gerade noch nicht 18 Jahre alt wurde im November 2001 vom Jugendgericht wegen Mordes und unvollendet versuchten Mordes schuldig gesprochen und zu einer Vollzugsmassnahme in einem Erziehungsheim verurteilt. Die Massnahme dauert längstens bis zum zurückgelegten 25. Altersjahr. Über das Ende der Massnahme wird das Jugendgericht entscheiden.
Der zweite Prozess
Voraussichtlich Anfang 2004 der definitive Termin steht noch nicht fest wird nun auch den drei erwachsenen Angeklagten der Prozess gemacht. Sie wurden gemäss dem Untersuchungsrichteramt Berner Oberland «wegen unvollendet versuchten und vollendeten Mords an Marcel von Allmen und wegen weiterer geplanter oder versuchter Tötungsdelikte» dem Kreisgericht Interlaken zur Beurteilung überwiesen. «Es wird ihnen vorgeworfen, am 26. Januar 2001 einen ersten Versuch zur Tötung des Marcel von Allmen unternommen und, nachdem das Opfer nicht zum vereinbarten Treffpunkt erschienen war, die Tat dann in der folgenden Nacht vollendet zu haben.» Auch wegen des Mordversuchs am 18-jährigen Jugoslawen werden sie sich zu verantworten haben. Und weil sie «die Tötung eines damals 19-jährigen Schweizers auf zwei verschiedene Arten geplant und zu diesem Verbrechen mehrmals angesetzt haben», wie das Untersuchungsrichteramt mitteilt. «Die Anschuldigung lautet auf mehrfachen versuchten Mord, eventuell strafbare Vorbereitungshandlungen zu Mord.» Nicht weiter verfolgt werden hingegen die ihnen zur Last gelegten Einbruchdiebstähle, die Hehlerei, falsche Anschuldigung und versuchte Erpressung. «Ein Verfolgungsverzicht ist möglich, wenn Delikte für die zu erwartende Gesamtstrafe oder Massnahme nicht beträchtlich ins Gewicht fallen», begründet die Untersuchungsbehörde. Die drei Angeschuldigten befinden sich im vorzeitigen Strafantritt.