In Dornach und Arlesheim verbreitet ein bekannter Rechtsextremist sein Gedankengut
Hannes Hänggi
Der Revisionist Bernhard Schaub verteilt Flugblätter, in denen er den Holocaust leugnet. Äusserungen Blochers hätten ihn motiviert.
Was Bewohner in Arlesheim und in Dornach vorgestern in ihren Briefkästen fanden, verschlug den meisten die Sprache: In der Nacht verteilte der Rechtsextreme Bernhard Schaub (Jahrgang 1954) ein vierseitiges Pamphlet mit dem Titel: «Wie war das mit dem Holocaust?» In einem zweiten Flugblatt macht Schaub zudem Werbung für einen Vortrag, den er bei sich zu Hause in Dornach halten will. Dann möchte Schaub zeigen, dass der Dichter Conrad Ferdinand Meyer ein «überzeugter Vertreter des Reichsgedankens» gewesen sei, wie es auf dem Blatt heisst.
Die in Schaubs Pamphlet verbreiteten Gedanken sind haarsträubend: So habe es im Zweiten Weltkrieg keine Gaskammern gegeben, die Juden in den Konzentrationslagern seien an Fleckfieber-Epidemien gestorben und das tödliche Blausäuregas «Zyklon B» sei lediglich als Entlausungsmittel eingesetzt worden. Eine Aufzählung, die den Rechtsextremismus-Experten Samuel Althof von der Organisation Aktion Kinder des Holocaust ekelt: «Bernhard Schaub greift immer wieder in die alte, stinkige Revisionistenkiste» (siehe Interview). Denn mit immer denselben Argumenten versuchten die Revisionisten, den Nationalsozialismus zu rechtfertigen und den Völkermord an den Juden zu leugnen.
Schaub versucht seine Gedanken seit Jahren unter die Leute zu bringen. Zuletzt bei einer 1.-Mai-Kundgebung in Aarau. Nach dieser Hetzrede wurde der ehemalige Lehrer an zwei Rudolf-Steiner-Schulen wegen Verstosses gegen die Antirassismus-Strafnorm angezeigt, aber nicht verurteilt.
Die Polizei ermittelt. Dies könnte sich nun ändern. Denn bereits prüfen die Juristen der Solothurner Kantonspolizei, ob ein Offizialdelikt vorliegt, wie der Polizeisprecher Urs Eggenschwiler sagt. «Liegt ein Verstoss vor, dann wird die Polizei Strafanzeige einreichen.» Und dann würde die Polizei auch den öffentlich angekündigten Vortrag verbieten, ergänzt Eggenschwiler.
Dass Schaub sowohl den Vortrag öffentlich angekündigt hat, als auch seine rechtsextreme Meinung öffentlich und erst noch schriftlich verbreitet hat ? «in vierstelliger Zahl», wie Bernhard Schaub gegenüber der baz betont ?, könnte ihm diesmal zum Verhängnis werden. Bislang entging er immer einer Verurteilung durch die Antirassismus-Strafnorm ? «vielleicht durch vorsichtige Wortwahl», vermutet Althof. Im verteilten Pamphlet bestreitet Schaub aber nicht nur die Existenz des Holocaust, sondern ruft die Leute sogar dazu auf, «das vorliegende Schriftstück» zu vervielfältigen und «grossflächig» zu verbreiten.
Das Antirassismusgesetz stellt aber die Verbreitung von Ideologien, den Aufruf zur Diskriminierung, das Leugnen von Völkermord sowie solche Propaganda-Aktionen unter Strafe. «Theoretisch kann man Schaub also sein Handeln verbieten», sagt Althof. Ob eine Verurteilung Schaub aber beeindrucken würde, bezweifelt Althof: «Die Einsicht fehlt, Schaub funktioniert in einem hermetisch abgeschlossenen Gedankengefüge.»
Irrweg. Revisionisten leugnen die Existenz von Vernichtungslagern. Im Bild: Das Konzentrationslager von Auschwitz. Foto Keystone
Angriff auf das Antirassismusgesetz
Flugblätter. Jahrelang mied Bernhard Schaub den Kontakt mit der Öffentlichkeit und den Medien. Nach den Äusserungen von Justizminister Christoph Blocher in der Türkei möchte Schaub jetzt aber eine öffentliche Diskussion über die Gaskammern und das Antirassismusgesetz in Gang bringen, wie er der baz sagte. Die von ihm «in vierstelliger Zahl» verbreiteten Flugblätter sollen dazu beitragen. hsh
«Rechtsextreme sträuben sich gegen die Realität»
Holocaust-Leugner Bernhard Schaub argumentiere immer geschichtlich-revisionistisch, sagt Samuel Althof
Interview: Hannes Hänggi
Schon seit Jahren beobachtet Samuel Althof von der Organisation «Aktion Kinder des Holocaust» die rechtsextreme Szene ? unter anderen auch den Holocaust-Leugner Bernhard Schaub.
baz: Herr Althof, verliehen die Äusserungen Christoph Blochers in der Türkei den Rechtsextremen in der Schweiz Auftrieb?
Samuel Althof: Das glaube ich nicht, zumindest nicht, was Bernhard Schaub betrifft. Schaub ist eine Person, die wellenartig aktiv wird und sich von der aktuellen Politik nicht besonders beeinflussen lässt.
Sie glauben also nicht, dass Blocher Schaub massgeblich beeinflusst hat?
Nein, das kann ich mir kaum vorstellen. Wenn aber der Rechtsextremismus politisch nicht delegitimiert wird, dann verleiht das den Rechtsextremen natürlich Auftrieb.
Was könnte dann die Flugblattaktion ausgelöst haben?
Schaub zählt zu jenen programmatischen Geschichtsrevisionisten, die schon seit Jahren versuchen, sich in der politischen rechtsextremen Szene ein Standbein aufzubauen, zum Beispiel in der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos). Das gelingt ihm aber nicht. Weil er von seinen Anhängern eine Art bedingungslosen Gehorsams verlangt, der bei Jungen sofort zu einem Generationenkonflikt führt.
Weil Rechtsextreme eher jünger sind?
Ja, Schaubs Umfeld besteht eher aus Personen ab 35 Jahren. Jugendliche fühlen sich hingegen kaum zu ihm hingezogen.
Bei der Pnos hat Schaub also keinen grossen Einfluss mehr?
Er versucht zwar, innerhalb der Partei Einfluss zu nehmen, erlangt aber nicht die Position eines Parteiprogrammatikers. Auch in der rechtsextremen Szene ist Schaub keine «In-Figur». Er hat aber Verbindungen zu Neonazis nach Deutschland und trifft sich immer wieder unter anderem mit Exponenten der NPD.
Wie lauten denn die Argumente der Holocaust-Leugner?
Die von den Holocaust-Leugnern aufgegriffenen Argumente sind immer dieselben. So greift auch Bernhard Schaub immer wieder in die alte, stinkige Revisionistenkiste und behauptet, die Juden seien in den Konzentrationslagern mit «Zyklon B» lediglich desinfiziert und nicht vergast worden. Diese Argumente sind wissenschaftlich längst widerlegt und nachweislich falsch. Der revisionistische Rechtsextremismus sträubt sich gegen die wissenschaftliche Realität.
Geht denn in der Gesellschaft die Sensibilisierung für den Holocaust vergessen?
Nein, gar nicht. Denn es gibt viele Bemühungen, dem Vergessen entgegenzuwirken. Wenn der Rechtsextremismus in der Bevölkerung verbreitet und akzeptiert wäre, besässe er nicht dieses starke Provokationspotenzial.