Neonazi-Treffpunkt profitiert von den offenen Grenzen
Im Dreiländereck am Bodensee sind Treffen von Rechtsextremisten beinahe an derTagesordnung. Neonazis nutzen die offenen Grenzen. Lange Zeit profitierten siedabei von den bürokratischen Hürden für ermittelnde Beamte. Doch die Polizei hatreagiert und überwacht die Region nun gezielt.Klaus WittmannIn der Vergangenheit war der Polizei in der Region immer wieder vorgeworfenworden, auf dem rechten Auge blind zu sein. Jahrelang war das Allgäu als «brauneEcke» verschrieen. Nicht vergessen ist dort der Schock, den Neonazis auslösten, alssie 1985 eine Rohrbombe auf einem Spielplatz zündeten. Im selben Jahr sorgtenRechtsextremisten mit einem gewalttätigen Aufmarsch und einem Überfall aufPunker für Schlagzeilen.Kooperation soll den Erfolg bringenDoch seit einigen Jahren hat die Polizei ihr Einsatzkonzept geändert. Das bayerischeInnenministerium hat den Chef der Kemptener Polizeidirektion, Hans-Jürgen Memel,zum Grenzbeauftragten für die Nachbarländer Österreich, Schweiz und Liechtensteinernannt. «Wir haben im Rahmen dieser Kooperation einen Lageaustausch zwischenden Polizeichefs beschlossen», erklärt Memel. Jetzt könne die rechte Szene aufkurzen Dienstwegen gezielt überwacht werden.An einem Beispiel aus den vergangenen Tagen macht der Kemptener KripochefWalter Hägele deutlich, wie dies in der Praxis aussieht: Ein Rechtsradikaler ausZürich hatte in Würzburg über das Internet Propagandamaterial bestellt. Die Kollegendort baten die Kemptener wegen ihrer guten Verbindungen in die Nachbarländer umHilfe. Die verschlüsselte Internetadresse konnte «geknackt» werden, und dieErmittler erhielten wichtige Informationen über die Beziehungen von Zürcher undWürzburger Neonazis.Bei solchen Einsätzen hilft eine neue Spezialabteilung innerhalb der Polizeidirektion,die «Regionale Beweismittelsicherungs- und Auswertungsstelle» (RBA). Die Bürosin einem Seitentrakt sind zusätzlich gesichert durch Nummerncodes. Nur ein kleinerTeil der Beamten hat Zutritt. Hier versehen EDV-Experten ihren Dienst, die in SachenComputer und Internet, vor allem auch bei der Wiederherstellung vermeintlichgelöschter Daten, gut geschult sind. Drei- bis viermal wöchentlich sind die Beamtenbei Beschlagnahmeaktionen dabei. Immer häufiger geht es dabei umRechtsextremismus im Netz.«Zahl der Rechtsextremisten nimmt eher zu»
Massgeblich für die Bekämpfung des Rechtsextremismus im Bodenseeraum ist aufbayerischer Seite das Kommissariat Staatsschutz, das eng mit den einzelnenPolizeiinspektionen zusammenarbeitet. Bei jeder der neunzehn Inspektionen derPolizeidirektion Kempten ist ein Verbindungsmann für die Staatsschutzabteilungaktiv. Die rechtsextreme Szene sei der Polizei inzwischen weitgehend bekannt,berichten Memel und Hägele übereinstimmend. Sie wird im Allgäu auf 160 bis 180Aktive beziffert. Der Schwerpunkt hat sich dabei vom Ostallgäu mehr und mehr insWestallgäu verlagert. «Die Zahl nimmt eher zu, weil immer jüngere dazu kommen.Wir haben aber keine Hinweise darauf, dass die Alten ausscheiden», erklärtKripochef Hägele.Neonazis sind gut organisiert
Für seine Beamten heisst das Mehrarbeit. «Wir wissen nicht über jede einzelneVeranstaltung immer sofort Bescheid, denn die schotten sich ab, organisieren daskurzfristig über Handys. Aber sehr häufig sind wir doch schnell informiert», sagtHägele.Polizeidirektor Memel erläutert: «Viele unserer Beamten surfen in ihrer Freizeit imInternet, und wenn sie da irgendwas für uns Wichtiges entdecken, informieren dieuns umgehend. In allen Dienststellen kennt jeder die Priorität dieser Sache.» Oftwürden sich auch Bürger melden, die von einem Treffen wüssten. Bei den Treffender Rechten erfahren die Mitarbeiter des Staatsschutzkommissariats auch vonneuen Anhängern.«Da reagieren wir sofort», sagt Polizeichef Memel. «Wir gehen an die Jugendlichen,die erstauffällig werden, heran und verdeutlichen ihnen die Folgen eines weiterenAbgleitens in die Szene.» Darüber hinaus würden die Eltern informiert.