«Heute schäme ich mich dafür»

MittellandZeitung

Kantonsgericht Nur noch für zwei Beteiligte ist der Pronto-Fall in der zweiten Runde

Es gibt nichts zu beschönigen: Was Rechtsradikale vor gut drei Jahren in Liestal angerichtet haben, bleibt eine unverzeihliche Tat. Das haben auch die Täter gelernt.

rolf schenk

Für 13 Beteiligte am Überfall auf den Coop Pronto-Shop am Bahnhof Liestal vor drei Jahren ist der Fall rein juristisch gesehen ausgestanden. Die vom Straf- und vom Jugendgericht gegen sie gefällten Urteile sind rechtskräftig. Zwei Täter haben das gegen sie gefällte Urteil angefochten und werden heute erfahren, ob das Kantonsgericht unter dem Vorsitz von Kantonsgerichts-präsidentin Christine Baltzer ihrem Antrag auf Strafmilderung gefolgt ist oder den Forderungen von Staatsanwalt Jörg Rudolf und Opferanwalt Nikolaus Tamm stattgegeben hat, die beide eine Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils verlangt haben.

Unsäglicher Schlägertrupp

Treffen würde dies vor allem den zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilten Anführer der rechtsextremistischen «Warriors». Er hatte den «Rachefeldzug» mitorganisiert, mit dem die Rechtsextremen einer Gruppe ausländischer Jugendlichen am Abend dieses 30. Aprils 2004 einen Denkzettel verpassen wollten.

Opfer der tollwütigen Schlägerbande wurden jedoch nicht die ausländischen Jugendlichen, die gar nicht anwesend waren, sondern drei unbeteiligte Passanten, die vom Schlägertrupp im Pronto-Shop und auf dem Bahnhofsgelände grundlos zusammengeschlagen und erheblich verletzt wurden. Ein heute 36-jähriger Berufs-chauffeur wurde psychisch so schwer traumatisiert, dass er noch heute arbeitsunfähig ist.

Der zweite Appellant war an dieser Aktion nicht direkt beteiligt, weil er wegen einer Fussverletzung «nur» als Fahrer eingesetzt worden war. Das Strafgericht sah jedoch das Ganze als «kollektive Aktion» und verurteilte auch ihn ? unter anderem wegen schwerer Körperverletzung ? zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 18 Monaten, obwohl er als einziger schon im Februar 2006 klare Signale gegeben hatte, dass es ihm mit dem Ausstieg aus der rechtsradikalen Szene ernst ist.

Das hat er gestern vor Kantonsgericht erneut bestätigt. Er hat nicht nur seine «Uniform» verbrannt und mit seiner Familie wieder ein gutes Verhältnis aufgebaut, sondern sich auch einen neuen Freundeskreis erschlossen. Der zugezogene Rechtsextremismus-Experte Samuel Althof wertet dies grundsätzlich positiv, glaubt aber, dass er die Geschichte trotzdem noch nicht ganz aufgearbeitet hat.

Erster Schritt

Positiver beurteilt er auch den Haupttäter, der sich noch vor einem Jahr verschlossen und uneinsichtig präsentiert hat. Auch er hat mit den «Kameraden» aus der Vergangenheit gebrochen und lebt heute mit seinem Bruder und ihren beiden Freundinnen im Elternhaus. Seine Szenenabstinenz sei zwar glaubwürdig, aber wirklich ausgestiegen sei er noch längst nicht. Ihm könnte eine psychotherapeutische Behandlung sehr dabei helfen, den Ausstieg aus der Szene tatsächlich zu vollziehen, erklärte Althof.

Ob er einen Gefängnisaufenthalt in diesem Ablösungsprozess für sinnvoll erachte, mochte er Christian von Wartburg verständlicherweise nicht beantworten. Der neue Verteidiger des Haupttäters, der zwar nicht selbst zugeschlagen, aber den «Raid» massgeblich organisiert hatte, beschönigte die Tat seines Klienten in keiner Weise.

«Er kann, soll und muss als Mittäter für seinen Vorsatz bestraft werden, aber er kann nicht für die sinnlose Gewalt der beiden Schläger bestraft werden», sagte Von Wartburg.

Seiner Schuld bewusst

Während er für seinen Klienten eine Reduktion der Strafe auf zwei Jahre forderte, die nach neuem Recht bedingt ausgesprochen werden könnte, verlangte Verteidiger Arthur Trottmann für seinen Klienten eine blosse Verurteilung wegen Gehilfenschaft und eine bedingte Geldstrafe von 240 Tagessätzen.

In ihren Schlussworten zeigten sich beide Appellanten reuig. Sie entschuldigten sich für ihr Verhalten und boten den Opfern Gespräche an. Ob das für mildere Urteile reicht, wird sich heute zeigen.