Neonazi-Rocker planen Treffen

BernerRundschau

Neonazi-Rocker planen Treffen

Rechtsextremismus Plattenlabel aus Roggwil mobilisiert am Wochenende die Szene

Muss die Region mit einem der grössten Neonazi-Rockkonzerte der letzten Jahre rechnen? Ein in Roggwil ansässiges Plattenlabel ruft im Internet für morgen zu einem Konzert mit rechtsextremen Bands irgendwo «in der Schweiz» auf.

Christian Liechti

Die Bundespolizei ist eingeschaltet, die Kantonspolizei Bern vorbereitet und das Regierungsstatthalteramt Aarwangen in erhöhte Aufmerksamkeit versetzt. Doch, ob es morgen wirklich zu einem der grössten Hassmusik-Konzerte rechtsextremer Rockbands aus dem In- und Ausland kommen wird, ist unklar. Fest steht nur, dass der in Roggwil ansässige Musikproduzent HRD-Records im Internet zu «Helvetien Rockt» irgendwo «in der Schweiz» aufruft. Wo das Konzert stattfinden soll, steht nirgends geschrieben nur – dass campieren möglich ist.

Drei der sechs angekündigten Bands können der rechtsextremen Szene zugeordnet werden. Wie Rechtsextremismus-Experte Hans Stutz in der «SonntagsZeitung» schreibt, sind dies «XXX», «Spreegeschwader» und «Legion of Thor».

In der Szene verwurzelt

Bekannt ist auch, dass sich die Akteure der Plattenfirma HRD-Records im Dunstkreis der Neonazi-Rockband «Indiziert» bewegen. Diese Gruppe sorgte in den letzten Jahren für Schlagzeilen, weil sie wegen ihres Liedguts aus Liegenschaften in Hindelbank, Burgdorf und Roggwil rausflog (wir berichteten). Die Band besteht aus den Burgdorfer Brüdern Cédric (22) und Alex Rohrbach (24), Benjamin Lingg (22) aus Langenthal und Dominic Lüthard (23) aus Roggwil. Ihre Texte «heizen zum Rassenhass an», schreibt die deutsche Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.

Das Untersuchungsrichteramt Oberaargau-Emmental büsste die Musiker wegen Verstössen gegen das Antirassismusgesetz. Wie Medienberichten und öffentlichen Gerichtsverhandlungen ebenfalls entnommen werden kann, sind ausser Lingg alle Bandmitglieder wegen Raufhandel, Landfriedensbruch und Sachbeschädigung vorbestraft.

Einreisesperre möglich

HRD-Records ist laut Bundespolizei-Sprecherin Danièle Bersier den Behörden «als Produzentin und Vertreiberin rechtsextremer Musik» bekannt. Zum angekündigten Neonazi-Konzert will die Bundespolizei jedoch keine weiteren Angaben machen. Geprüft werde jedoch, ob den Mitgliedern der ausländischen Bands an der Grenze die Einreise in die Schweiz verboten wird. Zu diesem Mittel hat die Bundespolizei bereits im letzten Jahr gegriffen und gegen ausländische Bandmitglieder eine Einreisesperre verhängt. Damit verhinderte sie ihre Teilnahme an Konzerten. Alles Weitere, so Bersier, liege in der Zuständigkeit jener Kantone, in denen das Konzert stattfindet. Auch die Kantonspolizei Bern bereitet sich auf einen möglichen Grossaufmarsch der Neonazis vor. Man beobachte die Lage, ist hier lediglich auf Anfrage zu vernehmen.

Ein Katz-Maus-Spiel

«Der Anlass könnte auf ein Katz-Maus-Spiel hinauslaufen», schätzt Regierungsstatthalter Martin Lerch die Lage ein. Er ist im Amt Aarwangen in Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei für die öffentliche Sicherheit zuständig und bearbeitet Bewilligungen für derartige Grossanlässe. Doch auf dem Regierungsstatthalteramt sei bisher kein Gesuch für einen vergleichbaren Anlass an diesem Wochenende eingegangen. Sollte das Konzert ohne Bewilligung durchgeführt werden, kann Lerch die Organisatoren für die illegale Durchführung anzeigen. «Vorerst bleibt uns nichts anderes übrig, als unsere Aufmerksamkeit zu erhöhen.»

Im letzten Moment

Konkret heisst das: warten bis die Rechtsextremen den Treffpunkt bekannt geben. Und hier spielt das Internet sowie die Mobiltelefonie eine zentrale Rolle. Wochen zuvor wird das Konzert auf einschlägigen Seiten im Internet publik gemacht. Die Mobilisierung erfolgte per E-Mail und per SMS. Der wirkliche Veranstaltungsort wird erst wenige Stunden vor Konzertbeginn bekannt.

Wie die Bundespolizei in ihrem Bericht zur inneren Sicherheit 2005 schreibt, kommen der Musik und besonders den Konzerten für die Rekrutierung der rechtsextremen Szene eine hohe Bedeutung zu. Der Besuch von Skinheadkonzerten dient vielfach als Einstieg in den braunen Sumpf. Zwischen 2003 und 2005 stieg in der Schweiz die jährliche Anzahl gut besuchter Skinheadkonzerte an.

Was die Region morgen erwarten könnte, zeigte sich vor fast genau einem Jahr, am 17. September 2005, in Gamsen bei Brig. An einem Skinheadkonzert nahmen rund 400 Personen aus der rechtsextremen Szene teil.

Hetze gegen Juden, Schwule und Farbige

Sollte es am Wochenende zum Treffen der sechs Rockbands in der Schweiz kommen, muss damit gerechnet werden, dass antisemitisches, fremdenfeindliches und Gewalt verherrlichendes Gedankengut ungehindert verbreitet wird. Dies zeigt ein Blick in die Entscheide der deutschen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Diese Instanz prüfte zwischen 2000 und 2004 mehrere Tonträger dreier Bands, die an diesem Wochenende am Treffen teilnehmen sollen. Die Einschätzungen – meist von zwölf Experten vorgenommen – sind eindeutig. Die Liedtexte sind nicht für sensible Gemüter bestimmt.

Bei einem der Tonträger von XXX kommt die Bundesprüfstelle zum Schluss, dass die Lieder den Nationalsozialismus verherrlichen sowie NSDAP und SS glorifizieren. Die Liedtexte im Booklet sind mit Davidstern und Pistole, dem Reichsadler auf einem Kranz sowie einem Porträt von Rudolf Hess, dem Stellvertreter von Adolf Hitler, versehen.

Die Liedtexte beinhalten antisemitische Elemente. So wird von «Auserwählten» gesprochen – eine in rechten Kreisen gängige Bezeichnung für Juden. Zudem werden Vorurteile gegenüber Juden gefördert. In der Tradition der nationalsozialistischen Rassentheorie wird eine Vermischung der «Rassen», beziehungsweise eine «Vermischung der Völker» abgelehnt. Die Juden werden als Parasiten dargestellt, die die «Kulturen unterwandern» und «das Reine» zerstören wollen.

Weitere Gewalt wird geschürt. Ein Auszug aus einem Liedtext: «Die Kugel steckt im Lauf; der Feind ist im Visier; fremde Übermacht; dein Terror endet hier; der Himmel rot von Blut; Schatten an der Wand; Strassen voller Leichen; in Flammen steht das Land».

Auch die Band Legion of Thor stellt die eigene Rasse als «great white race» dar und bezeichnet «Fremde» als «Dreck» und «Parasiten». Weiter kommt die Bundesprüfstelle zum Schluss, dass die Band «fremden Kulturen» die Schuld an verschiedenen Sachen («Dealer», «Mörder») zuweist.

Spreegeschwader nimmt ebenfalls kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, Farbige als minderwertig einzustufen: «Alle Menschen sind nicht gleich; ich mache einen Unterschied; zwischen arm und reich; ich mache einen Unterschied; zwischen kalt und heiss; natürlich – auch zwischen – Schwarz und Weiss». Die Neonazi-Rockband hat es in ihren Texten auch auf Homosexuelle abgesehen. Schwule und Lesben werden in Refrains aufs Übelste beleidigt. Auch hier ein Auszug: «Ihr seid abnormal und pervers und seht es einfach nicht ein (…), wenn Aids euch nicht von selber schafft, könnt ihr mich mal fragen, doch was man mit euch machen sollte, das darf ich nicht sagen».