Horrortat schwächte Rechtsextreme nachhaltig

SonntagsZeitung

Übernächste Woche beginnt der Prozess gegen die mutmasslichen Mörder Marcel von Allmens

von Catherine Boss

UNTERSEEN · Nach einer vierwöchigen Suchaktion sichtet die Seepolizei im Wasser unterhalb der Beatushöhlen am Thunersee einen weissen Turnschuh. Wenig später finden Taucher die Leiche eines 19-jährigen Mannes; die an den Beinen befestigten Gewichte hatten sich am Felsen verfangen; sonst wäre der Tote in die Tiefe gesunken und niemals gefunden worden. Marcel von Allmen ist am 27. Januar 2001 von seinen Freunden hingerichtet worden. Der Prozess gegen die geständigen Täter beginnt morgen in einer Woche.

Diese Horrortat hat die ganze Schweiz schockiert – und die Skinheadszene nachhaltig geschwächt. In den ersten Monaten nach dem Mord waren zwar noch einige jugendliche Rechtsextremisten in der Region aktiv. Die nach dem Mord gegründete «Befreiungsfront Bödeli» klebte Plakate mit dem Slogan «Die Schweiz den Schweizern. Ausländer raus!!!» Und sie beteiligte sich ein Jahr später als «Aktionsgruppe» im Abstimmungskampf gegen den Uno-Beitritt. Doch seither sind keine rechtsextremistischen Aktivitäten mehr öffentlich geworden. «Gewalttätige Auftritte sind im ganzen Kanton im Jahr 2003 wesentlich zurückgegangen», sagt der Berner Kripo-Chef Peter Baumgartner. Es seien 200 Rechtsextreme bekannt.

Auch der Schweizer Inlandnachrichtendienst (DAP) stellt für die Schweiz einen Rückgang der Aktivitäten fest. 2003 waren es noch 102 Vorfälle (Vorjahr 117). Direkte Konfrontationen zwischen Ausländern und Rechtsextremen sowie zwischen linken und rechten Gruppen hätten leicht abgenommen, sagt Jürg Bühler vom DAP, gestützt auf Daten für den neusten Extremismusbericht, der erst im Sommer veröffentlicht wird.

Ereignisse wie der Bödeli-Mord zeigten Wirkung, sagt Bühler. «Da wachsen die Haare plötzlich wieder auf den Glatzen, und das selbstbewusste, offensiv aggressive Auftreten lässt nach, weil die Mitläufer realisieren, dass es gegen den Rechtsextremismus gesellschaftlichen Widerstand gibt.»

Geheimnisverrat wird von den «Ordensrittern» genadenlos bestraft

Der Prozess wird mit den Details der Tat nochmals schocken. Marcel von Allmen wird am 27. Januar 2001 von seinen drei Freunden – wie er Mitglieder des geheimen «Ordens der arischen Ritter» – in der Ruine Weissenau oberhalb Unterseen regelrecht exekutiert. S., der Vierte im Bund, plant die Tat mit, ist aber bei der Vollstreckung nicht anwesend. Von Allmen muss in ihren Augen weg, weil er als Mitglied des Ordens immer öfters Geheimnisse ausplaudert – und damit für die Ritter überlebenswichtige Gebote verletzt.

Ohne ein einziges Wort zu sagen, schlagen die drei jungen Männer Marcel von Allmen mit einer Metallstange den Schädel ein. Sie traktieren seinen Körper mit Fusstritten und Faustschlägen. Als er nicht mehr atmet, schnüren sie einen schweren Metallzylinder um seine Füsse und werfen ihn aus 80 Meter Höhe in den Thunersee. Die Hinrichtung ist damit vollstreckt.

Mordversuche gab es schon vorher: Der «Orden der arischen Ritter» wollte laut Anklage bereits Ende 1999 einen 18-jährigen Jugoslawen umbringen – das Vorhaben scheiterte. Wenige Monate später planten sie die Tötung eines 19-jährigen Schweizers. Mehrmals setzten sie ohne Erfolg zur Tat an. Der Haupttäter M. M. ist vorbestraft, weil er im März 1999 ohne Warnung viermal gezielt auf einen Polizisten geschossen hatte.

«Ich bin froh, dass der Prozess nun kommt», sagt Simon Margot, Gemeindepräsident von Unterseen. Es soll alles ans Licht kommen, «doch dann wollen wir hier in Unterseen endlich einen Abschluss finden», so der SP-Politiker. Und fügt hinzu: «Ohne zu vergessen.»