Zwei jungeMänner sitzen in Burgdorf vor Gericht, weil sie voranderthalb Jahren mit Kollegen aus der rechten Szenebeim Bahnhof Hasle anders denkende jungeLeute überfallen und verletzt haben.
Hans Herrmann
Andreas A.*,der eine der beiden Angeschuldigten, ist 22 Jahre alt. Ersitzt in Uniform vor dem Kreisgericht in Burgdorf, denner leistet gerade Militärdienst. Der andere, der 20-jährigeBernhard B.*, ist in unauffälliger,sportlich-bequemer Zivilkleidung erschienen. Ersterer trägt die Haarehalblang und lockig, ganz und gar nicht wie ein Skinhead, derandere gleichmässig gestutzt, aber nicht auffallendkurz. Die jungen Männer aus dem Raum Burgdorfverband vor anderthalb Jahren eine Gemeinsamkeit:Beide gehörten der rechten Szene an. Jetzt haben sie sichvor Gericht wegen verschiedener damals begangenerDelikte zu verantworten. Zur Hauptsache geht es um einenAngriff auf mehrere junge Leute am Bahnhof Hasle. BeiBernhard B. kommt die Teilnahme an einer Schlägerei inYverdon hinzu; im Verlauf dieser Rauferei zwischen einerGruppe Ausländern und jungen Campinggästenversetzte er einem Jugoslawen, der durch einenPolizisten am Boden festgehalten wurde, einen Fusstritt. B.hatte den kahl geschorenen, zivil gekleideten Beamten impolizeilichen Pfefferspraynebel versehentlich für einen Skingehalten, dem er zu Hilfe eilen wollte.
Zuerst «Krieg»per Handy
Der Vorfall inHasle ereignete sich am 16. Dezember 2000. Andreas A. undBernhard B. stiessen in einem Burgdorfer Restaurant aufeinige Skinheadkollegen, die sich mit dem Gedankentrugen, nach Hasle zu fahren, um dort einer Gruppe andersgesinnter junger Leute zu Leibe zu rücken. Dass sich amdortigen Bahnhof mehrere ihrer Gegner aufhielten,hatten die Skinheads im Verlauf einesHandy-Scharmützels erfahren, das rund um die Freundin einesSkingegners entbrannt war. EineErkundungsfahrt, die mehrere Skins vorerst einmal unternahmen,bestätigte ihnen, dass sich am Bahnhof «vielleicht 10von den anderen» aufhielten, wie Andreas A. zu Protokollgibt. Anschliessend formierte sich im BurgdorferRestaurant ein Trupp von einem Dutzend Skins; man zog genHasle, um die «anderen» anzugreifen. Sie selberseien ursprünglich nur zu sechst gewesen, relativiertClaus C.*, einer der Angegriffenen, vor Gericht. Als dannplötzlich die Skins aufgetaucht seien, hätten sich drei seinerKollegen verzogen; «die Skins waren ja in der Überzahl, zukämpfen hätte überhaupt keinen Sinn gehabt.»
«Rache fürMorddrohung»
Es ging allessehr schnell. Andreas A. stürzte sich auf Claus C., der ihmwegen seines Irokesenschnitts besonders aufgefallenwar, und versetzte ihm einen Hieb. C., der auf einem Geländersass, stürzte hintüber in die Tiefe. Hätte ihn nicht eineRohrkonstruktion aufgefangen, wäre er 3,5 Meter tief in dieUnterführung gestürzt. Als er schon in den Rohren lag, erhielter vom Angreifer noch ein paar zusätzliche Tritte. Dieser machtvor Gericht geltend, er habe auf seineGesinnungsgegner halt eine Wut gehabt; er habe sich vor allem für eineMorddrohung rächen wollen, die sein Vater einmalerhalten habe. «Wenn es gegen meine Familie geht, sehe ich Rot;die Familie bedeutet mir sehr viel», erklärt er denRichterinnen und Richtern. Noch schlimmererging es einem Kollegen von Claus C. Dieser wurdevon einem Skin zuerst auf die Auffangrohre gestossen,fiel dann aber in die Unterführung, wo er benommenliegen blieb. Bernhard B. rannte zu ihm hinunter und tratmehrmals auf ihn ein. Darauf entwendete er ihm einen Schuhund den Nietengürtel als Trophäe. «Ich war wütend aufunsere Gegner, unter anderem, weil sie an der Schule einKesseltreiben gegen meinen jüngeren Bruder veranstaltethatten», berichtet er. Andreas A.beteuert, nicht mehr in der rechten Szene zu verkehren;Bernhard B. unterhält zu ihr zwar nach wie vor losen Kontakt,will sich aber nicht mehr als zugehörig verstandenwissen. Das Gericht verkündet die Urteile morgen.
* Namengeändert