Burgdorf · Die Aktion Courage zeigt, wie man rechtsextreme Jugendliche im Zaum halten kann.
Von Johannes Wartenweiler
Einige Rechtsextreme wollen in der Stadt Burgdorf eine Veranstaltung über den «Aufstieg von Adolf Hitler» durchführen. Den Saal möchten sie bei der Stadt mieten. Doch diese erteilt ihnen eine klare Absage. Das war Mitte Januar – und ist ein Erfolg der Aktion Courage, sagt die SP-Gemeinderätin (Exekutive) Elisabeth Zäch. Zäch war eine der treibenden Kräfte hinter der Aktion Courage, die vor knapp drei Jahren in Burgdorf initiiert wurde. Damals machte Burgdorfs rechtsextreme Szene ständig von sich reden. Rechte Schlägertrupps gingen immer wieder auf Jugendliche los, die sie – aufgrund ihrer Kleidung – als links einordneten. Besonders heftig waren die rechten Übergriffe am traditionellen Burgdorfer Schulabschlussfest Solätte (siehe WOZ Nr. 24/01). Damals hielt sich die Polizei zurück und griff nicht ein. Daraufhin initiierte die Gemeinderätin Elisabeth Zäch zusammen mit anderen BurgdorferInnen, die den Rechten Einhalt gebieten wollten, die Aktion Courage, deren Devise war: «Einmischen statt wegschauen». Mit dieser Aktion übernahm Burgdorf eine Pionierrolle im Kampf gegen rechtsextreme Schläger. Mehr als 1500 BurgdorferInnen unterzeichneten damals den Aufruf.
Gemeinderätin Zäch bezeichnet die Aktion Courage heute als vollen Erfolg. Das zeigt sich unter anderem daran, dass die Rechten heute in Burgdorf keinen Veranstaltungsraum mehr mieten können und sich der Gemeinderat in solchen Fragen sehr klar verhält: «Früher gab es immer noch Einwände, ein Verbot könnte die Meinungsfreiheit beeinträchtigen.» Der Gemeinderat habe zudem andere Veranstaltungsorte in Burgdorf vor den Rechtsextremen gewarnt.
Die Rechtsextremen konnten dann aber die Veranstaltung trotzdem in einer Nachbargemeinde durchführen (siehe WOZ Nr. 7/04). Dies veranlasste die Antifa Bern zur Frage, warum Burgdorf die anderen Gemeinden nicht gewarnt habe. Zäch darauf selbstkritisch: «Wir hätten diese Anfragen vielleicht öffentlich machen müssen. Denn ob die Veranstaltung in Burgdorf oder in Oberburg stattfindet, ist letzten Endes unwichtig.»
Diese offensive Haltung teilen im Augenblick alle wichtigen Burgdorfer Parteien. Stadtpräsident Franz Haldimann (SVP) war zwar bereit, die rechtsextremen Gesuchsteller zu empfangen, allerdings nur um ihnen zu sagen, dass sie in Burgdorf keine Unterstützung für ihre Aktivitäten erhielten.
«Courage war bei der Gründung ein wichtiges Ventil», sagt Zäch: «Die Leute hatten es einfach satt, dass die Skins die Schlagzeilen Burgdorfs beherrschten. Man wollte endlich klarstellen, wer in dieser Stadt die Regeln bestimmt.» Doch hätte sie sich gewünscht, dass «die Aktion Courage noch mehr zu einer politischen Bewegung geworden wäre». Kontinuierliche, breitere Aktivitäten blieben aus. Eine Umfrage unter den UnterzeichnerInnen des Aufrufs zeigte zwar, dass die BurgdorferInnen immer noch mit der Aktion sympathisieren, sich aber selbst kaum engagieren. Immerhin bildete sich laut Zäch eine kleine Gruppe, die die Aktion Courage als Kulturprojekt weiterführen wollte. Doch kam am Ende das Geld nicht zusammen, das es für regelmässige Kulturveranstaltungen gebraucht hätte.
«Courage ist kein Präventionsprojekt. Wir haben die Aktion als Offensive, als Reaktion lanciert – entsprechend hat die Bewegung auch keine administrativen Strukturen», sagt Zäch. Die Aktion Courage habe aber den Antrag gestellt, dass Burgdorf und die umliegenden Gemeinden dem GGGphon (Gemeinsam gegen Gewalt) beitrete, einem Beratungstelefon, das der Berner Sozialarbeiter Giorgio Andreoli ins Leben gerufen hat. Die Behörden haben den Vorstoss positiv aufgenommen und werden in den nächsten Wochen Mitglied beim GGGphon.
Die Burgdorfer Initiative wirkt inzwischen bis ins Ausland. Kürzlich hat Burgdorfs Partnerstadt – Burgdorf bei Hannover – von der Aktion Courage Logo und Aufruf übernommen.
Der Von-Allmen-Mord vor Gericht
Am 15. März beginnt der Prozess gegen die geständigen Täter, die im Januar 2001 den 19-jährigen Marcel von Allmen getötet haben. Die Tat hatten sie als Hinrichtung inszeniert: Drei Mitglieder des «Ordens der arischen Ritter» erschlugen auf einer Ruine oberhalb Unterseen bei Interlaken, ihren Freund und «Ordenskameraden» und warfen die mit Gewichten beschwerte Leiche in den Thunersee. Von Allmen wurde getötet, weil er geschwätzig war, die Regeln der Verschwiegenheit gebrochen hatte.
Einen Monat später wurde die Leiche gefunden. Kurz darauf verhaftete die Polizei die drei Täter sowie einen vierten Jugendlichen, der bei der Vorbereitung, nicht aber bei der Durchführung dabei gewesen war. Die Gruppe war winzig klein. Sie hatte sich via Internet mit rechtsextremem Propagandamaterial versorgt. Doch politisch war der «Orden» nicht aufgefallen; laut Bundesamt für Polizeiwesen war auch keiner der Beteiligten als Rechtsextremer verzeichnet. Die Gruppe hatte mehrere Morde geplant, deren Ausführung scheiterte. Einer der Täter musste sich bereits im Mai 2000 vor Gericht verantworten, weil er mehrfach und aus nächster Nähe auf einen Polizisten geschossen hatte.
Das skrupellose und bizarre Verbrechen hatte die Bevölkerung in der Region aufgerüttelt; es kam zu Protestaktionen und Sensibilisierungskampagnen. Der rechten Szene hat die Tat vermutlich eher geschadet – die sichtbaren Aktivitäten gehen im Kanton Bern seither zurück. Szenekenner vermuten aber, dass der harte Kern weiterhin aktiv ist. Wegen des grossen öffentlichen Interesses wurde der Prozess nach Bern verlegt. jw