Die Neonazis, die vor rund drei Wochen sechs Jugendliche in Thun brutal zusammen geschlagen haben, befinden sich nach wie vor auf freiem Fuss. Die Polizei klärt nun ab, ob es sich bei diesem Fall um Rassendiskriminierung gehandelt hat.
Auch wenn er bereits drei Wochen zurück liegt; der brutale Angriff durch eine Gruppe von Neonazis beschäftigt Marcel S.* immer noch sehr. Er und seine fünf Freunde wurden damals an der Schulhausstrasse in Thun von etwa sieben Skinheads zusammengeschlagen (wir haben berichtet).
Der Auslöser für die Gewaltattacke: Ihr dunkelhäutiger Freund Samuel M.*, Sohn einer Schweizerin und eines Afrikaners. Als Grund für die Schläge nannten die Rechtsextremen seine Hautfarbe. «Das Ganze ging uns sehr nahe und wir sprechen auch heute noch oft darüber», sagt der 22-jährige Marcel S.
«Angst immer noch da»
Den Schritt an die Öffentlichkeit haben die sechs Thuner nie bereut. «Es war gut, dass wir uns an die Zeitung gewandt haben», betont Marcel S. Es sei ihnen wichtig gewesen, die Bevölkerung aufzurütteln. Auch wenn die Angst vor möglichen Racheaktionen nach wie vor da sei. Denn die Täter befinden sich bis heute auf freiem Fuss. Entgegen unseren Angaben vom 16. Februar wurden sie von der Polizei bisher nicht gefasst. «Es darf nicht sein, dass sie ungeschoren davonkommen», sagt Marcel S.
Enger Kontakt mit Polizei
Damit das nicht geschieht, standen die sechs Freunde, die anonym bleiben wollen, in den letzten Wochen mit der Polizei in engem Kontakt. «Wir haben uns mehrmals getroffen und über die verschiedenen Möglichkeiten gesprochen», erklärt Marcel S. Bis jetzt hätten sie aber noch keine Anzeige erstattet. «Aus Angst», wie Marcel S. und der dunkelhäutige Samuel M. erklären. «Wenn wir Anzeige erstatten kennen die Täter unsere Namen», sagt Marcel S. Die Adresse herauszufinden sei dann ein Leichtes. «Die Polizei hat uns zwar Schutz versprochen», sagt Samuel M. Thun sei aber klein. Und aufgrund der Brutalität, die die Täter vor drei Wochen an den Tag gelegt haben, traue er ihnen alles zu.
Keine Anzeige, keine Strafe
Auch wenn die Ermittlungen laut Hermann E. Jutzi, Chef der Polizei Thun, auf Hochtouren laufen: Der Fall gestaltet sich nicht ganz einfach. Solange keine Anzeige vorliegt, kann er nicht an das Untersuchungsrichteramt weitergeleitet werden, das über eine allfällige Strafe entscheidet. Die Anzeige kann aber nicht nur von den Opfern, sondern auch von der Polizei eingereicht werden. «Allerdings nur, wenn es sich um ein Offizialdelikt handelt», erklärt Jutzi. Rassendiskriminierung gehört zu jenen Straftaten, bei denen die Polizei von Amtes wegen Anzeige erstatten muss. Das könnte auch bei der Gewaltattacke in Thun der Fall sein. Allerdings nur wenn sie unter die Rassismus-Strafnorm fällt.
Weil er in der Schweiz ist?
Auslöser für die Schläge war die Hautfarbe des 22-jährigen Samuel M. und seine «Anwesenheit in der Schweiz». Die Skinheads beschimpften einen der Jugendlichen zudem als «Negerfreund». «Ich hoffe darauf, dass die Polizei selbst Anzeige erstatten kann», sagt Samuel M. Ob es sich tatsächlich um ein Offizialdelikt handelt, muss laut Hermann E. Jutzi momentan noch abgeklärt werden: «Die Ermittlungen sind noch in vollem Gang». Die Polizei setze aber alles daran, den Fall zu lösen.