«Indiziert»

Berner Zeitung

«Indiziert»

Würze für die braune Suppe

Sie hassen Ausländer und Linke. Als Rechtsradikale oder Neonazis lassen sich die Rocker von «Indiziert» aber nicht gerne betiteln.

«Dunkelhäutige gehören nicht in die Schweiz», «Ausländer sind ein Problem», «bei Linksextremen kann ich nicht garantieren, dass ich nicht gewalttätig werde»: Im Gespräch mit dieser Zeitung ziehen die Mitglieder der Burgdorfer Rockband Indiziert alle rechtsradikalen Register.

Aber Alex und Cédric Rohrbach, Dominic Lüthard und Benjamin Lingg legen Wert darauf, nicht als Rechtsradikale oder gar als Neonazis bezeichnet zu werden. «Wir sehen uns als Rechtsrock-Band», sagt Cédric Rohrbach. «Im Gegensatz zu den Nazis rufen wir nicht dazu auf, Menschen zu vernichten», ergänzt sein Bruder Alex Rohrbach.

Dass sie «beim Texten gerne etwas Pfeffer in die Suppe» geben, räumen die vier ein. «Wir machen den Besatzern den Garaus», heisst es in einem derart «gepfefferten» Song. Die Frage, wen «Indiziert» mit «Besatzern» meint, beantwortet der selbst ernannte Nichtrechtsradikale Cédric Rohrbach wie aus der Pistole geschossen: «Alle, die unser Sozialsystem missbrauchen und nicht hierher gehören.»

Gewaltaufrufe würden sie in ihren Liedern nicht verstecken, sagen die Musiker: Schliesslich sei «jedem freigestellt, wie er die Texte interpretieren will». Aber: «Wenn die, die wir meinen, Angst bekommen, haben wir unser Ziel erreicht.»

«Natürlich wollen wir zündeln»

Der Hass auf Linke und Ausländer hat einen Namen: «Indiziert». Seit Jahren liefert die Rockband aus Burgdorf den Soundtrack zu rassistischen Gewaltexzessen. Als Neonazis sehen sich die Musiker aber nicht.

Würden Sie sich auch mit einem dunkelhäutigen Journalisten unterhalten?

Alex Rohrbach: Nein.

Wieso nicht?

Dominic Lüthard: Weil wir finden, dass jemand, der für eine Schweizer Zeitung schreibt, Schweizer Wurzeln haben soll. Ein Dunkelhäutiger gehört nicht in die Schweiz.

Stört es Sie, wenn man Sie als Rechtsradikale oder Neonazis bezeichnet?

Alex Rohrbach: Ein Stück weit schon, weils nicht stimmt. Cédric Rohrbach: Wir sehen uns als Rechtsrock-Band. Das mit den Neonazis ist ein Klischee. Wir sind nicht radikal. Wir singen nie über Hitler oder den Holocaust oder so.

Sie singen: «Für eine reine, weisse Schweiz. Wir müssen kämpfen, und das mit Fleiss»: Genau so klangs bei den Nationalsozialisten vor 60 Jahren.

Lüthard: Das ist etwas anderes. Damals gabs Hitler. Der hat seine Macht missbraucht. Das ist zu verurteilen.

Alex Rohrbach: Man muss da unterscheiden: Im Gegensatz zu den Nazis rufen wir nicht dazu auf, Menschen zu vernichten. Wir stellen aber fest: Es gibt nur eine europäische Kultur, und die ist nun einmal weiss.

In Ihrem Lied «Ausnahmezustand» singen Sie: «Was ist aus dem Land geworden, durch fremde Kulturen total verdorben. Die Ausländer toben sich hier aus, leben in Saus und Braus. Eines Tages werden alle erwachen, dann lassen wir es hier so richtig krachen»: Das ist ein Aufruf zur Gewalt.

Lüthard: Wir sehen das nicht so. Man kanns ja auch krachen lassen, ohne Menschen zu verletzen, mit einem politischen Umsturz, zum Beispiel.

Alex Rohrbach: Beim Texten geben wir gerne etwas Pfeffer in die Suppe. Die Botschaft, die wir vermitteln, muss einfach sein, sonst kommt die Hälfte der Zuhörer nicht draus.

«Manchmal ist alles hoffnungslos aus, doch wir machen den Besatzern den Garaus. Da hilft kein Winseln und Um-Gnade-Flehen, denn Erbarmen gibt es nicht, das werdet ihr schon sehen»: Was anderes ist dieser Text als eine Aufforderung, gegen Ausländer Gewalt anzuwenden?

Lüthard: Es geht in diesem Song um Besatzer.

Und wer sind diese «Besatzer»?

Cédric Rohrbach: All die Leute, die unser Sozialsystem ausnutzen und nicht hierher gehören. Ausländer sind in ganz Europa ein Problem. Es bringt nichts, die freundlich zu bitten, das Land zu verlassen. Freiwillig geben die den Wohlstand, in dem sie hier leben dürfen, nicht auf. Lüthard: Ein Aufruf zur Gewalt ist dieser Song sicher nicht. Es ist jedem freigestellt, wie er den Text interpretiert.

Mit dem, was Sie singen, machen Sie vielen Leuten Angst.

Alex Rohrbach: Wenn die, die wir meinen, Angst bekommen, haben wir unser Ziel erreicht.

Sie zündeln.

Alex Rohrbach: Ja, natürlich. Lüthard: Klar zündeln wir. Wir haben in diesem Land grosse Probleme; die benennen wir so, dass es jeder versteht.

Haben Sie sich schon überlegt, dass aus der Zündelei eine Explosion werden könnte? Was ist, wenn plötzlich ein Toter auf der Strasse liegt, weil jemand Ihre Texte in die Tat umgesetzt hat?

Alex Rohrbach: Wenn die Leute Fiktion und Realität nicht auseinander halten können, ist das nicht unser Problem.

Cédric Rohrbach: In Erfurt hat ein Schüler vor ein paar Jahren Mitschüler und Lehrer erschossen. Nachher hiess es, dass ein Videospiel schuld an diesem Amoklauf war. Das ist Quatsch. Wenn es bei jemandem im Kopf nicht stimmt, kann kein Videospiel und keine Rockband etwas dafür, wenn er ausrastet.

Alex Rohrbach: Gut – wenn tausend Leute unsere CDs kaufen und dann durchdrehen, müssen wir uns natürlich schon überlegen, ob wir vielleicht etwas falsch gemacht haben.

Meinen Sie, was Sie singen, ernst? Oder steckt dahinter die pure Lust an der Provokation?

Alex Rohrbach: Das ist ernst. Lüthard: Freude am Provozieren ist sicher dabei. Das ist bei jeder Rockband so.

Benjamin Lingg: Wenns nach den Inhalten gehen würde, könnte man noch gegen andere Bands vorgehen. Gegen all die Rapper und Hiphopper zum Beispiel, die von Drogen, Schiessereien und Vergewaltigungen singen. Das finde ich schlimm.

Kurz nach dem Überfall auf die Familie Brünisholz gaben Sie mitten in der Oberstadt, ganz in der Nähe des Tatorts, ein Konzert. Musste das sein?

Cédric Rohrbach: Erstens habe ich diesen Auftritt vor der Sache mit der Familie Brünisholz organisiert. Zweitens hat unsere Band mit diesem Überfall nichts zu tun. Wir haben erst nach der Schlägerei aus den Zeitungen erfahren, dass es diese Familie überhaupt gibt. Es gab keinen Grund, das Konzert abzusagen.

Um ins Visier der ultrarechten Szene zu geraten, braucht es nicht viel: Ein «falsches» T-Shirt oder eine «falsche» Frisur können genügen, um zum Opfer eines glatzköpfigen Schlägertrupps zu werden.

Alex Rohrbach: So ist es nicht.

Wie ist es dann?

Alex Rohrbach: Für eine Schlägerei braucht es mindestens zwei. Und die Linken wissen ebenfalls sehr genau, wie man jemanden stichelt und reizt.

Bei der Schlägerei an der letzten Solätte wurden Linke von Rechten verprügelt …

Alex Rohrbach: … aber der Auslöser dafür war ganz gewiss nicht nur das «Kein-Mensch-ist-illegal»-Shirt dieser linken Frau. Das können Sie mir glauben.

Wie lange sollen diese Auseinandersetzungen zwischen links und rechts in Burgdorf noch andauern? Könnten sich die Parteien nicht einmal treffen, die Differenzen bereden und einander dann in Ruhe lassen?

Lüthard: Wir sind für so ein Gespräch immer zu haben. Allerdings muss ich sagen, dass hier gar nicht so viel los ist, wie man denkt. Die Linken, die Aktion Courage, Anwälte und die Medien veranstalten einfach jedes Mal ein Geschrei, wenn einer von uns einen Mucks macht.

Alex Rohrbach: Stimmt. Ich muss nur aus dem Haus gehen – schon regen sich die Linken auf.

Nochmals: Können Sie sich vorstellen, sich mit Linken an einen runden Tisch zu setzen?

Lüthard: Auf jeden Fall. Bei Linksextremen könnte ich allerdings nicht garantieren, dass ich nicht gewalttätig würde. Cédric Rohrbach: Ich hätte nichts dagegen. Ich war schon im Gymer und bin auch jetzt an der Uni mit linken Leuten zusammen und komme mit denen trotz unserer gegensätzlichen Standpunkte eigentlich recht gut aus.

Was sagen Ihre Eltern zu dem, was Sie tun?

Lingg: Meiner Mutter gefällt die Musik nicht. Aber sie findet es gut, das wir unsere Meinung so und nicht anders ausdrücken. Lüthard: Mein Vater findet unsere Musik nicht schlecht. Die Mutter hat mehr Mühe, tolerierts jedoch. Aber gut: Ich verurteile sie ja auch nicht, nur weil sie früher einmal in der SP war.

Cédric Rohrbach: Für unseren Vater ist es als Polizist ärgerlich, wenn er seinen Namen wegen Alex und mir ständig im Kontext mit Neonazis lesen muss. Aber er kann das einordnen. Unsere Mutter hat ganz andere Ansichten als wir; trotzdem verstehen wir uns sehr gut.

Wegen Verstössen gegen das Antirassismusgesetz müssen Sie sich vor Gericht verantworten. Mit welchem Gefühl blicken Sie der Verhandlung entgegen?

Alex Rohrbach: Wir können uns nicht vorstellen, wieso wir verurteilt werden sollten. Und wir müssen einfach darauf vertrauen, dass wir einen Richter bekommen, der sich nicht von der Öffentlichkeit, den Medien oder von diesen «Courage»-Typen beeinflussen lässt. Wir hoffen auf einen mutigen Richter.

Interview: Johannes Hofstetter

Zur Band «Indiziert»

Die 2001 gegründete Rockband Indiziert besteht aus (v. l.) Cédric (22) und Alex Rohrbach (24) aus Burgdorf, Benjamin Lingg (22) aus Langenthal und Dominic Lüthard (23) aus Roggwil. Ihre Texte «reizen zum Rassenhass an», sagt die deutsche Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Das Untersuchungsrichteramt Oberaargau-Emmental büsste die Musiker wegen Verstössen gegen das Antirassismusgesetz. Dagegen hat «Indiziert» rekurriert; nun landet der Fall vor Kreisgericht. Ausser Lingg sind alle Bandmitglieder wegen Raufhandel, Landfriedensbruch und Sachbeschädigung vorbestraft.

Zum Interview

Ansichten vom rechten Rand

Die Initiative zum Interview mit «Indiziert» ging von dieser Zeitung aus. Auslöser dafür waren Gewalttaten in Burgdorf, die mutmasslich auf das Konto von Rechtsextremen gehen. Nachdem die ultrarechte Burgdorfer Szene in den letzten Monaten stark in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt ist, wollte die Redaktion deren prominenteste Exponenten zu Wort kommen lassen. Das Gespräch wurde nach den üblichen journalistischen Regeln geführt; dazu gehört, dass «Indiziert» das Interview gegenlesen konnten.