Schlaglichter auf den Pnos-Jargon

BernerZeitung

Dominic Lüthard redete wie in der Zeit nach 1930: Die rechte Szene suche wohl bewusst Anklänge an die Zeit der Nazis, sagt Historiker Georg Kreis zum Auftritt des «Indiziert»- und Pnos-Exponenten vor dem Richter.

Georg Kreis, diese Woche stand Dominic Lüthard in Burgdorf vor Gericht. Der Exponent der rechten Rockband Indiziert und der rechtsextremen Partei national orientierter Schweizer (Pnos), bezeichnete sich dabei als «eidgenössischer Sozialist». Da ist es nicht mehr allzu weit bis zum nationalen – eben bis zum National-Sozialisten.

Georg Kreis: Natürlich klingt im «eidgenössischen Sozialist» der Nationalsozialismus an. Ich sehe im Ausdruck eine Kombination von einem äusseren Spiel mit den Formen und – vielleicht – einer inneren Verwandtschaft. Man will wohl mit einer limitierten Grenzverletzung austesten, wie weit man gehen kann.

Limitierte Grenzverletzung?

Sehr oft versucht man, Bekenntnisse abzugeben, für deren Inhalt man dann doch nicht belangt werden kann. Man will nationalsozialistisch sein, ohne nationalsozialistisch zu erscheinen, und tritt dann doch nationalsozialistisch auf – eine rundum schillernde Sache.

Sie reden betont von – vielleicht – einer innerer Verwandtschaft zwischen der Pnos und dem nationalsozialistischen Gedankengut. Weil eben alles so unklar bleibt?

Richtig. Grundsätzlich darf man nicht von identischen Worthülsen auf einen identischen Inhalt schliessen. Der Nationalsozialismus hat Sprache klar mit seinen Inhalten gefüllt. Das heisst aber nicht, dass der Gebrauch gewisser Wörter automatisch zu einem Nationalsozialismus-Verdacht führen muss.

Die Nähe zum Nationalsozialismus wird bei der Pnos trotzdem nicht von ungefähr kommen.

Hier ist zumindest die Vermutung erlaubt, dass die Anklänge gesucht werden.

Das gilt wohl ebenso für den Ausdruck «Familie, Kind und Boden». Lüthard hat so das Kernthema seiner Partei umrissen.

Die Begriffe sind je einzeln gesehen unverdächtig. In der Kombination kann man aus den drei Schlagworten schon viel eher Rückschlüsse ziehen. Es trifft zu, dass da ein Slogan benutzt wird, der mit gleichen Inhalten von faschistischen Bewegungen gepflegt worden ist. Aber eben, es ist schwierig, vom Formellen auf den Inhalt zu schliessen.

Am Prozess war weiter die Rede davon, dass «wir» – also die Pnos – «die Macht in Bern an uns reissen wollen». Wieder klingen unheimliche Zeiten an, diesmal die frühen 1930er-Jahre, in denen die Nazis in Deutschland die Regierung übernahmen.

Es mag auch hier Parallelen geben. Die Feindschaft gegenüber der vermuteten oder tatsächlichen Machtzentrale – Bern – etwa. Das Thema wirkt mobilisierend, und dass man die Gewalt an sich reissen will, ist typisch.

Auch für vergangene Nazizeiten?

Ja. Allerdings war die so genannte Machtergreifung der Nazis in Deutschland eine Machterteilung. In der nationalsozialistischen Bewegung mag dieser Akt zwar bewusst als ein An-sich-Reissen gedeutet worden sein, der von Brutalität und Gewalt begleitet war. Und auch die bürgerlichen Kräfte hatten alles Interesse an diesem Bild, weil es sie entlastet hat. Immerhin haben genau sie Hitler – auch in Anbetracht seines Wahlerfolgs – zum Kanzler gemacht. Es ging ihnen darum, eine Mehrheit gegen links bilden zu können.

Nazi-Gewaltakte wie die gegen die Juden gerichtete Reichskristallnacht gab es trotzdem.

Zur Reichskristallnacht kam es erst fünf Jahre später. Aber es gab den Strassenterror schon in der Wahlphase, sowohl auf der rechten wie übrigens auch auf der linken Seite. Es war eine Zeit der starken Militarisierung, die politische Auseinandersetzung hatte eine stark gewalttätige Note. Gewalt wurde auch zu einer notwendigen Tugend stilisiert.

Tatsächlich auch links?

Ja, aber ich habe immer etwas Probleme, wenn man in dieser Frage die Rechten und die Linken parallel setzt. Besonders heute, wo die rechtsextreme Szene nicht vor direkter Gewalt gegenüber Menschen zurückscheut. Anders die Linke, an deren äusserem Rand der schwarze Block steht. Dieser kann zwar sehr gewalttätig gegen die Polizei sein, und in den Uniformen stecken auch immer Menschen. Gezielt gegen wehrlose Minderheiten geht er aber nicht vor.

Gewalt spielt bei «Indiziert» immer wieder eine Rolle. Die rechten Rocker verherrlichen die Todesstrafe als Mittel gegen die sogenannten Volksverräter.

Zur rechten Szene gehört ein nationalistischer Fundamentalismus, der genau weiss, was getan werden muss und was nicht getan werden darf. Wer davon abweicht, ist automatisch ein Verräter, und nach der gängigen Terminologie gehören Verräter bestraft.

Mit dem Tod.

Die Todesstrafe ist eng mit Vernichtungsphantasien verbunden. Der Feind gehört eliminiert, ausgeräuchert, er wird zum Ungeziefer, das bekämpft werden muss…

…wiederum ein gängiges rechtsextremes Bild. Solches Ungeziefer sind offenbar die Journalisten. «Indiziert» droht gerade ihnen mit der Todesstrafe.

Journalisten gehören im weitesten Sinn zu den Intellektuellen des Landes, sie sind gehalten, zu differenzieren und annähernd objektiv zu beobachten statt wie die Rechten unbesehen Slogans zu brüllen.

Das gibt zu denken. Muss man vor rechtsextremen Kräften wie der Pnos Angst haben?

Ich finde Angst eine problematische Reaktion. Ich kann sie verstehen, aber die Frage ist, wie man dann damit umgeht. Eine Variante ist, dass die beabsichtigte Einschüchterung funktioniert und man in falscher Besänftigung macht. Die Alternative ist, dass man sich öffentlich von rechtsextremem Gedankengut distanziert. Es gibt auch ein patriotisches Motiv, sich in dieser Art hinzustellen und zu sagen: «Nicht in unserem Land.» So kann man mit einer nationalen Haltung einer nationalistischen gegenüber treten.

Und verhindern, dass die rechten Kräfte überhand nehmen.

Für mich stellt sich eher die Frage, was die bürgerlichen Parteien tun. Wie weit sie sich abgrenzen. Wie weit sie die Rechtsextremen verharmlosen. Und wie weit sie mit ihrer gemässigten Art ähnliche Haltungen gegenüber Fremdem annehmen.

Interview: Stephan Künzi Keystone

Georg Kreis, Geschichtsprofessor an der Universität Basel und Präsident der eidgenössischen Kommission gegen Rassismus.

Der Prozess

«Indiziert» vor dem Richter

Angeschuldigt war er als Mitglied von «Indiziert». Als Richter Jürg Bähler ihn Anfang Woche erstmals zu den beiden CDs befragte, die die rechten Rocker bislang produziert haben, schimmerte aber der Politiker durch: Unvermittelt war Dominic Lüthard der Mann der rechtsextremen Partei national orientierter Schweizer (Pnos), der im letzten Frühling auch für die Grossratswahlen kandidiert hatte. Nach der ersten Einvernahme vertagte Bähler den Prozess. Er wird erst später darüber urteilen, ob die Band mit ihren Aussagen gegen das Antirassismusgesetz verstossen und öffentlich zu Gewalttätigkeit aufgerufen hat.