Die gebotene Chance nutzen

MittellandZeitung

Strafgericht Von Rechtsextremismus und Alkohol los gesagt

Er hat von der Anstaltsleitung gute Noten bekommen und will sich zum Bauern ausbilden lassen. Aber vorerst muss er seine Vergangenheit bewältigen.

Rolf schenk

Die Dreierkammer des Basellandschaftlichen Strafgerichts hat einen der Haupttäter des Überfalls auf den Pronto-Shop in Liestal wegen Angriffs und einfacher Körperverletzung in zwei Fällen, Fahrens in angetrunkenem Zustand und der unrechtmässigen Aneignung verurteilt und die im Februar dieses Jahres ausgesprochene Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt bestätigt. Die gegen ihn vom Strafgericht Basel-Stadt 2004 bedingt ausgesprochene Haftstrafe von sechs Monaten wurde für vollziehbar erklärt, weil die neuen Delikte in der Probezeit begangen wurden. Sie werde jedoch zugunsten der ausgesprochenen Massnahme aufgeschoben, erklärte Strafgerichtspräsidentin Jacqueline Kiss in ihrer Urteilsbegründung.

Zum «Musterknaben» geworden

Der Angeklagte präsentierte sich gestern vor Gericht als einsichtiger, reuiger Täter, der mit seiner rechtsextremen Vergangenheit und seinen Alkohol exzessen Schluss machen will. Er hat in der Arbeitserziehungsanstalt Uitikon eine Lehre als Landwirt begonnen und wird von der Anstaltsleitung als eigentlicher «Musterknabe» beschrieben. «Der Bericht ist so gut, dass es fast unheimlich ist», stellte die Vorsitzende zu Beginn der ausführlichen Befragung zur Person fest.

Er selbst zeigte sich einsichtig und möchte am liebsten bis zum Abschluss seiner Lehre in Uitikon bleiben. «Ich will meine Chance nutzen», erklärte er den Richterinnen und Richtern. Den Kontakt zu den früheren Kolleginnen und Kollegen aus der rechtsextremen Szene habe er praktisch abgebrochen und auf Alkohol verzichte er gänzlich, obwohl er mittlerweile bereits alle drei Wochen das Wochenende in Freiheit verbringen kann. Diesen Wunsch hat ihm das Gericht mit seinem Zusatzurteil nun erfüllt. Ob sein Alkoholverzicht jedoch von Dauer ist, wird von den Fachleuten mit einem Fragezeichen versehen. Sie attestieren ihm in ihrem Bericht eine «deutliche Rückfallgefahr». Das würde wohl bedeuten, dass er – wie vor seiner Verhaftung im Oktober 2005 – wieder im Alkoholrausch grundlos zuschlagen könnte.

Der von seinem Vater und später von seinem Stiefvater aufs Schwerste miss-brauchte Angeklagte gab vor Gericht an, dass er seine Enttäschung und Wut auf die beiden Männer noch nicht überwunden habe. Stützen seien ihm jedoch die Mutter und seine Geschwister, die er an seinen freien Wochenenden regelmässig besucht.

Grosses Aufräumen

Zum Schluss der Einvernahmen leistete auch Präsidentin Kiss noch aktive Vergangenheitsbewältigung: Mit zum Teil drastischen Bemerkungen führte sie dem Angeklagten die nach seiner Verhaftung beschlagnahmten Gegenstände vor. Neben einem Geissfuss, zwei Äxten, einem Luftgewehr und einer Luftpistole waren darunter auch Naziliteratur sowie DVD der übelsten Art. All das hat er dem Gericht zur Vernichtung überlassen. Einzig eine seriöse Hitler-Biographie hat er nach einigem Zögern zurückgenommen, weil ihm die Vorsitzende den Wälzer zum aktiven Studium empfohlen hat.

Juristische Sandkastenspiele

In ihrer mündlichen Urteilsbegründung hat Jacqueline Kiss jedoch deutlich gemacht, dass das Gericht seine Taten nicht als harmlos einstuft. Auch wenn es im Falle eines vom Angeklagten gefundenen und nicht abgegebenen Handys nach eigenem Bekunden «juristische Sandkastenspiele» betrieben hat. Entgegen der Verteidigerin Silvia Schweizer war es nämlich der Meinung, dass der Besitzer des Natels, ein Polizist, der privat Zeuge einer Schlägerei des Angeklagten wurde, durchaus berechtigt war, rechtsgültig Strafanzeige einzureichen.

Im Gegensatz zu Staatsanwalt Jörg Rudolf, der ebenfalls für eine Massnahme als Zusatzstrafe plädiert hatte, entschied es jedoch, dass sich der Angeklagte bei einer Schlägerei an einem Fest in Lausen nur des Angriffs und der einfachen Körperverletzung schuldig gemacht hat. Es sei ihm nicht nachzuweisen, dass er dem Opfer einen Bierkrug auf den Kopf gehauen habe, was als schwere Körperverletzung taxiert worden wäre. Der mit einem weiteren Berufskollegen anwesende Polizist habe nämlich nur gesehen, dass, aber nicht wo er zugeschlagen habe. Bei der zweiten Schlägerei an einem Fest in Zunzgen wollte sich der schwer alkoholisierte Angeklagte an nichts erinnern, wurde aber von einem Kollegen aus dem rechtsradikalen Umfeld identifiziert, dem das Gericht wohl zu recht Glauben schenkte.