Winterthur Vermehrt versammeln sich auswärtige Rechtsradikale – nicht nur zum Kegeln
Immer wieder kommt es in der ehemaligen Industriestadt zu Scharmützeln von Links- und Rechtsextremen. Was will man dagegen unternehmen?
marius egger
Als sich Anfang Jahr Anhänger der rechtsextremen Szene in Winterthur zu einem «Kegelabend» trafen, lief die Kugel schnell aus der Bahn. Die Schläger verprügelten einen Schwarzen vor einer Disco und malträtierten eine junge Frau vor der Alternativbeiz «Widder». Der Versuch, die Beiz zu stürmen und die Gäste zu verprügeln, misslang, es entstand jedoch beträchtlicher Sachschaden. Der Neonazi-Saubannerzug endete schliesslich beim Hauptbahnhof mit einer Schlägerei gegen Linksautonome.
Rechtsextreme gegen Linksautonome – das Problem ist in Winterthur bekannt. In der Vergangenheit ist es immer wieder zu Scharmützel von links und rechts gekommen. Neu an der Sache: «Erstmals aufgefallen ist uns der Auflauf von auswärtigen Rechtsextremen», erklärt der Winterthurer Sicherheitsvorsteher Michael Künzle.
Auswärtige Szene nicht im Griff
Dass in der ehemaligen Industriestadt in den letzten Jahren eine linksautonome Szene herangewachsen ist, die auch von vielen auswärtigen Gleichgesinnten unterstützt wird, ist seit den friedlichen Protesten gegen den Irak-Krieg 2003, der ebenfalls friedlich verlaufenen Anti-WEF-Kundgebung 2005 und verschiedenen Hausbesetzungsaktionen bekannt. Auch bekannt ist jedoch, dass sich einige Protagonisten der Szene nicht nur mit friedlichen Aktionen begnügten. So artete die Aufsehen erregende Besetzung des 92 Meter hohen ehemaligen Sulzer-Hochhauses 2004 in eine unkontrollierbare Zerstörungs Party aus. Die von zwei Einheimischen eigentlich als friedliche Hausbesetzung initiierte Aktion endete mit einem Auflauf von 300 Personen und einem Sachschaden von rund 360 000 Franken.
Nun versammeln sich in Winterthur also auch die auswärtigen Rechtsextremen. Sie kommen aus den Kantonen Zürich, Aargau, St. Gallen und dem benachbarten Ausland, wie die Verhaftungsaktion von 28 Krawallanten nach dem «Kegelabend» im Januar zeigte. Das gibt Künzle zu denken: «Die eigene Szene ist einigermassen kontrollierbar, aber Auswärtige haben wir nicht im Griff», so der CVP-Politiker.
Wie reagieren die beiden Kandidaten für das Amt des Stadtpräsidiums, Ernst Wohlwend von der SP und Emil Manser von die SVP, auf die neue Herausforderung?
Linksextremen sozialpolitisch begegnen
Ernst Wohlwend, der amtierende Stadtpräsident, führt den «Entscheid» vom November 2004 ins Feld, als eine unbewilligte Anti-SVP-Kundgebung angesagt wurde. «Wir konnten durch den Wegweisungsartikel die geplante SVP-Kundgebung schon am Bahnhof im Keim erstickten. Die Leute wurden umgehend wieder in den Zug gesetzt und zurückgeschickt», so Wohlwend. Dass sich ausgerechnet der Sozialdemokrat Wohlwend auf den Wegweisungsartikel beruft, mag doch einigermassen erstaunen. Wohlwend relativiert aber sogleich: «Der Wegweisungsartikel muss sehr sorgfältig und mit Augenmass angewendet werden.» Die Aufgabe seiner Arbeit sieht der Stadtpräsident denn auch vor allem in einer gezielten Prävention in Form der Jugendarbeit. So soll sowohl die Schulsozialarbeit als auch die Jugendarbeit weiter ausgebaut werden. Gerade der linksextremen Szene glaubt er sozialpolitisch entgegenwirken zu können. «Bei der rechtsextremen Szene habe ich eher die Befürchtung vor einer grösseren internationalen Geschichte. Dass sich womöglich ein europäisches Netz spannt.» Diese Gefahr sieht er allerdings nicht nur für Winterthur.
Momentan sieht der Stadtpräsident jedoch keinen Anlass für eine Hysterie. In Winterthur laufe insgesamt nicht mehr und nicht weniger als in anderen Städten. «Ich will die Sache natürlich überhaupt nicht kleinreden. Aber laut einem nationalen Städtevergleich sind wir sogar die sicherste Stadt.»
Sein Herausforderer sieht das anders. «Ich finde die Situation grundsätzlich sehr schlimm. Seit zwei Jahren wuchert es», schätzt Emil Manser die Szenerie ein. Für den SVP-Kandidaten ist der Ursprung vor allem «auf der linken Seite» zu suchen. «Die politische Linke ist mitverantwortlich für das Problem.» Sie zeige sich sogar mit Hausbesetzern solidarisch und nehme an entsprechenden Demonstrationen teil. Als Stadtpräsident würde er denn auch klar eine härtere Hand führen, sollte er die Möglichkeit dazu bekommen. «Ich würde ganz klar die Repression verstärken.» Konkret sieht er etwa Möglichkeiten bei Demonstrationen. «Ich plädiere für eine solidarische Haftung bei begangenen Schäden», sagt Manser.
Polizei passt Arbeitszeit an
Das Thema der radikalen Szenen, die sich in Winterthur sammeln, wird von den beiden Stadtratskandidaten wohl nicht nur wegen den bevorstehenden Wahlen vom 12. Februar vorsichtig behandelt. Dem Problem begegnen auch andere Orte in der Schweiz mit Ohnmacht.
Polizeivorstand Michael Künzle sagt denn auch: «Was wir tun können, ist eine höhere Polizeipräsenz erstellen.» Dazu wurden bereits die Arbeitszeiten angepasst. Die Präsenzzeit an den Wochenenden und am Abend ist entsprechend intensiver. «Es ist aber ganz klar», fährt Künzle fort, «dass wir auf die Hilfe der Bevölkerung angewiesen sind.» Versammlungen radikaler Gruppierungen könnten nur frühzeitig aufgelöst werden, wenn erste Aufläufe wahrgenommen und gemeldet würden. Ausserdem spiele der Austausch unter den nationalen Polizeikorps eine wichtige Rolle. «Ich glaube aber, es ist eine Generationenfrage», so Künzle. «Irgendwann sind die Anführer weg. Das geht vorbei.»
Schauen, hoffen und warten – ein anderes Mittel hat man in Winterthur bis jetzt noch nicht in der Hand.