Seit ein paar Jahren prägen Rechtsradikale das Bild der 1.-August-Feier auf dem Rütli. Die Polizei lässt die Extremisten jeweils gewähren. Handhabe böte ein neuer Gesetzesentwurf. Dessen Zukunft ist indessen höchst unsicher.
c von daniel foppa, bern
Die Zentralschweizer Polizeikorps sind gewarnt: Der Dienst für Analyse und Prävention (DAP) des Bundes rechnet wiederum mit mehreren hundert Rechtsradikalen, die zur 1.-August-Feier in die Zentralschweiz strömen. Da dieses Jahr auf dem Rütli die Freilichtaufführung von Friedrich Schillers «Wilhelm Tell» stattfindet und eine eigentliche Bundesfeier entfällt, werden dort wohl weniger Neonazis als in den letzten Jahren Präsenz markieren. Einfacher wird die Sache für die Polizeikräfte jedoch nicht.
Besonders delikate Aufgabe
So wettert die Partei national orientierter Schweizer (Pnos) im Internet dagegen, dass am 1. August «nur noch zahlende Schweizer» auf dem Rütli willkommen seien. Sie ruft Gesinnungsgenossen dazu auf, sich um 11 Uhr in Brunnen (Schwyz) zu treffen und von dort aus mit dem Schiff aufs Rütli zu fahren – «mit oder ohne Eintrittskarte». Die Spezialisten des Bundes gehen davon aus, dass viele Rechtsradikale regulär die «Tell»-Vorstellung besuchen. Zudem werden Unmutsäusserungen von Personen erwartet, die ohne Ticket angereist sind und das Rütli ab 12 Uhr wieder verlassen müssen.
Die für das Rütli zuständige Urner Kantonspolizei rechnet denn auch mit Personen, die ohne Ticket zur Spielstätte fahren wollen. Wie sie sich ihnen gegenüber verhalten wird, lässt sie aus polizeitaktischen Gründen nicht durchblicken. «Solange keine strafbare Handlungen vorliegen, schreiten wir nicht ein», sagt Polizeisprecher Karl Egli. So müsste die Polizei auch Störungen der Theateraufführung durch Rechtsradikale tolerieren. «Unmutsäusserungen in der Kulturszene sind nicht verboten», sagt Egli.
Ähnlich sieht es die Kantonspolizei Schwyz, die sich mit einer besonders delikaten Aufgabe konfrontiert sieht. Bereits letztes Jahr kam es in Brunnen im Anschluss an die Rütli-Feier zu einem Aufmarsch von rund 300 Rechtsextremen. Als Redner trat der Schweizer Holocaust-Leugner Bernhard Schaub auf, ohne dass die Polizei einschritt. Ein ähnlicher Aufmarsch ist auch dieses Jahr zu erwarten. «Wir werden vor Ort sein und die Szene überwachen», erklärt die Schwyzer Polizeikommandantin Barbara Ludwig. Doch auch ihr sind die Hände bis zu einem gewissen Grad gebunden. «Nach wie vor gilt die freie Meinungsäusserung», sagt Ludwig. Man werde dieses Jahr jedoch besonders genau hinhören wegen allfälligen Verstössen gegen das Anti-Rassismus-Gesetz. Zudem wurde in Brunnen erstmals prophylaktisch ein Wasserwerfer positioniert.
Kritik an Gesetzesentwurf
Neben den Kantonspolizeien bereiten die Rütli-Aufmärsche auch den Bundesstellen Sorgen. So war Bundesanwalt Valentin Roschacher letztes Jahr vor Ort und zeigte sich schockiert über die Zustände. Während er öffentlich dazu aufruft, das Rütli den «neonazistischen Dummköpfen» zu entreissen, arbeitet das Bundesamt für Polizei an einer Gesetzesvorlage, die eine bessere Handhabe gegen solche Vorfälle liefern soll. So entstand in Ergänzung zum Anti-Rassismus-Gesetz der Entwurf zu einem Gesetz gegen Rassismus, Hooliganismus und Gewaltpropaganda. Dieses will rassendiskriminierende Symbole, Parolen und Gesten verbieten. Die betroffenen Polizeikräfte erhoffen sich viel davon, und auch Rechtsexperten wie der Freiburger Strafrechtsprofessor Marcel Niggli begrüssen den Entwurf: «Das Gesetz brächte Klarheit bei der Bekämpfung der Rassendiskriminierung», sagt Niggli. In der Vernehmlassung stiess die Vorlage letztes Jahr jedoch auf Vorbehalte. Die SP kritisiert eine vorgesehene Datenbank, mit der auch Globalisierungskritiker erfasst würden, und die FDP bemängelt die zu starke Ausrichtung des Entwurfs auf die rechtsextreme Szene. In Bausch und Bogen verwirft die SVP das «unnötige» Gesetz. Die Vorlage schüre «diffuse Ängste vor Rechtsextremismus», während Vandalismus und Übergriffe überwiegend von links kommen, schreibt die Partei.
Der Gesetzesentwurf befindet sich momentan in einer internen Ämterkonsultation. Anschliessend liegt es an Justizminister Christoph Blocher, über die Zukunft des Gesetzes zu entscheiden. Aus dem Justiz- und Polizeidepartement ist kein Kommentar über das Vorgehen zu erhalten. Es wird mit Spannung zu verfolgen sein, wie der SVP-Bundesrat mit der von seiner Partei zerzausten Vorlage verfährt.