Auch die Stadtpolizei Bern beurteilt jede unbewilligte Demonstration von Fall zu Fall. «Es gibt kein Patentrezept», sagt Sprecherin Franziska Frey. Sie schildert zwei Situationen, die von der Einsatzleitung unterschiedlich beurteilt wurden. Als sich im letzten Ok-tober in der Berner Innenstadt etwa 400 Linksautonome zu einer Spontankundgebung trafen, schritt die Polizei ein. Der gewaltsamen Auflösung seien Sachbeschädigungen und erfolglose Verhandlungen vorausgegangen, so Frey. Danach zerschlugen die Demons-tranten mehrere Schaufenster und demolierten Autos. Als am 7. Juli in Bern rund 70 Personen gegen den G-8-Gipfel demonstrierten, schritt die Polizei nicht ein. Der anschliessende Umzug zur britischen Botschaft behinderte zwar den Verkehr, doch es gab keine Sachbeschädigungen. «Die Demo war laut, aber friedlich», begründet Frey die Zurückhaltung der Stadtpolizei.
Die Solothurner Kantonspolizei musste in den letzten Jahren nie eine unbewilligte Kundgebung auflösen. «Wenn sie sich friedlich verhalten, kann man ein Auge zudrücken», sagt Polizeisprecher Peter Schluep. So sei kürzlich eine unbewilligte Demonstration von Rechtsextremen gegen Kinderpornografie toleriert worden.
Absprache unter Kantonen ist normal
Frey bezeichnet es als normal, dass die Polizei – wie in Brunnen – mit den Demonstranten Kontakt aufnimmt und sie von einer friedlichen Lösung zu überzeugen versucht. Das oberste Ziel sei, Zwischenfälle möglichst zu vermeiden. Wenn keine andere Möglichkeit bleibt, verfüge der Einsatzleiter über genügend Ressourcen. Frey zweifelt an der Aussage der Schwyzer Behörden, wonach man in Brunnen zu wenig Polizisten gehabt hätte für eine Auflösung des Neonazi-Umzugs. «Es ist normal, dass man sich in solchen Fällen mit den anderen Kantonen abspricht.»
Das bestätigt auch der Aargauer Kapo-Sprecher Bernhard Graser: «Dank dem Polizeikonkordat Nordwestschweiz pflegen wir eine gut funktionierende Zusammenarbeit mit den Kollegen in beiden Basel, Bern und Solothurn.»
Abgeriegelt Am 1. Mai verhinderte die Polizei in Solothurn ein Eindringen Rechtsextremer in die Innenstadt. sz
Die unbewilligte Demo in Brunnen
Am 1. August sind nach der Feier auf der Rütliwiese wie schon in den Jahren zuvor mehrere hundert Rechtsextreme von der Schiffsstation zum Bahnhof Brunnen marschiert und skandierten ausländerfeindliche Parolen. Die Polizeikräfte hielten sich dabei im Hintergrund und griffen erst ein, als die Demonstranten beim Bahnhof Reden halten wollten. Diese Taktik ging insofern auf, als es keine Zwischenfälle gab. Im Vorfeld hatte die Regierung des Kantons Schwyz jedoch angekündigt, dass unbewilligte Aufmärsche, Störungen oder Ausschreitungen in Brunnen «unverzüglich zu unterbinden» seien. Wie der Schwyzer Staatsschreiber Peter Grunder auf Anfrage der MZ sagte, hatte der Marsch der Rechtsextremen wohl schon einen «Kundgebungscharakter», entscheidend sei aber der verhältnismässige Polizeieinsatz gewesen. Eine offizielle Stellungnahme der Regierung dazu liege aber nicht vor, weil diese seit dem 1. August noch nicht getagt habe, so Grunder.