Hunderte von Glatzköpfen haben Samuel Schmid auf dem Rütli niedergeschrien und so die 1.-August-Feier massiv gestört. Nun müssen die Organisatoren über die Bücher.
Von David Schaffner, Rütli
Rund 700 Rechtsextreme sind gestern Nachmittag zur Bundesfeier aufs Rütli marschiert – so viele wie noch nie. Im letzten Jahr hatte die Polizei noch von 400 Radikalen gesprochen. Die meisten trugen gestern rote T-Shirts mit Schweizer Kreuzen und waren teilweise nur schwer von den übrigen rund 1300 Festbesuchern zu unterscheiden.
Zu Beginn der Feier um 15 Uhr verhielten sie sich noch weit gehend ruhig. Sie besetzten wie schon in den Jahren zuvor den oberen Teil der Wiese und schwangen ihre Schweizer Fahnen sowie die Wappen von mehreren Kantonen. Die Polizei hatte die Horden auf dem Weg zur Rütliwiese mehrere Male kontrolliert und ihnen extremistische Symbole und Propagandamaterial abgenommen. Einigen gelang es dennoch, unerlaubte Fahnen mit auf die Wiese zu schmuggeln. Nach und nach konnten ihnen die Polizisten aber auch diese abnehmen.
Schmid war den Tränen nahe
Während der Rede von Bundespräsident Samuel Schmid spitzte sich die Lage zu. Schmid appellierte an eine solidarische Gesellschaft und rief dazu auf, «extremistischen und totalitären Bestrebungen sowie jeder Form von Antisemitismus, Rassismus oder Extremismus entgegenzutreten». Die Rechtsextremen unterbrachen ihn mit Buhrufen und pfiffen ihn aus. Einige beschimpften ihn als «Judas» und «Sau».
Jedes Mal wenn Schmid über die Integration von Ausländern sprach, machten sich die Rechtsextremen lautstark bemerkbar. «Verrat, Verrat, Halbbundesrat», lautete einer ihrer Sprüche, oder: «Lügen haben kurze Beine, Samuel Schmid, zeig uns deine.» Zudem skandierten sie Slogans wie: «Wer hat uns verraten, die Scheissdemokraten» sowie «Wir sind das Volk» und «Die Schweiz den Schweizern».
Je länger die Rede dauerte, desto lauter wurden die Rechtsradikalen. Schmid gelang es nicht, Herr der Lage zu werden. Jedes Mal, wenn ihn die Glatzköpfe unterbrachen, wartete er, bis sie von sich aus wieder leiser wurden. Mehrere Besucher teilten die Einschätzung, dass Schmid am Schluss der Rede den Tränen nahe gewesen sei.
Der Bundespräsident verliess das Rütli direkt nach seiner Rede. Den Medien sagte er: «Lasst die Bilder auf die Zuschauer wirken, sie sprechen für sich.» Auf die Frage, ob er noch einen Grund zum Feiern sehe, gab Schmid keine Antwort.
Die Präsidentin der Rütlikommission, Judith Stamm, trat nach Schmids Rede erregt vor das Mikrofon. Sie habe sich im Vorfeld dafür eingesetzt, dass alle aufs Rütli dürften, sofern sie sich an die Regeln halten würden, sagte sie. «Dies war heute aber nicht der Fall. Zu den Regeln gehört nämlich auch, dass die Zuschauer den Redner sprechen lassen.» Sie entschuldigte sich bei Samuel Schmid für das Verhalten der Rechtsradikalen.
Am Abend nach der Feier sagte Stamm gegenüber dem TA, dass sie noch nie eine solch massive Störung auf dem Rütli erlebt habe. Die Rechtsradikalen hätten «den minimalsten Anstand massiv unterschritten». Wie man den Rechtsradikalen im kommenden Jahr entgegentreten könnte, weiss Stamm noch nicht: «Das müssen wir noch innerhalb der Rütli-Kommission besprechen. Sicher ist: Eine Feier auf Einladung wollen wir eher nicht. Das wäre ein Affront gegen alle anständigen Bürger, die an der Rütlifeier teilnehmen möchten.»
Stamm möchte abklären, ob es überhaupt rechtliche Grundlagen gibt, um die Rechtsradikalen künftig vom Rütli fern halten zu können. «Das beste Mittel gegen die Rechtsradikalen ist wohl, wenn möglichst viele Leute an die 1.-August-Feier kommen.»
Polizei toleriert rechte Demo
Nach ihrer Rückkehr vom Rütli haben die Rechtsextremen wie schon in den Jahren zuvor unbehelligt in Brunnen eine Kundgebung durchgeführt. Auf ihrem Marsch von der Schifflände zum Bahnhof skandierten sie nationale und fremdenfeindliche Parolen wie «Ausländer raus». Die unbewilligte Demonstration stand unter dem Motto «Für eine eidgenössisch-sozialistische Zukunft». Mehrere Mitglieder der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) führten sie an. Die Polizei liess die rund 600 Teilnehmer gewähren – obwohl die Schwyzer Regierung im Vorfeld angekündigt hatte, dass sie eine illegale Demo nicht tolerieren werde.
Die Kommandantin der Schwyzer Kantonspolizei, Barbara Ludwig, sagte am Abend: «Ich bin mit dem Einsatz rundum zufrieden.» Es sei ihre Aufgabe gewesen, Ruhe und Ordnung in Brunnen zu garantieren. Dies sei gelungen. «Eine Beurteilung vor Ort hat ergeben, dass wir nicht einschreiten müssen», so Ludwig. Ein rechtliches Nachspiel soll die unbewilligte Demo jedoch haben: Jene, die sie angeführt haben, müssen mit einer Anzeige rechnen.