Leuenberger erntet Zustimmung

TagesAnzeiger

Für seine deutlichen Worte zuhanden der SVP erhält Bundesrat Moritz Leuenberger Unterstützung von den meisten Parteien. Nur die Kritisierten selbst widersprechen.

Von Andrea Fischer

Das Interview von Moritz Leuenberger im gestrigen «Tages-Anzeiger» hat unter den Politikern für Aufsehen gesorgt. Der SP-Bundesrat antwortete darin auf die Frage, ob sich Samuel Schmid gefallen lassen müsse, auf dem Rütli als «Sau» und «Judas» tituliert zu werden: «Niemand muss sich das gefallen lassen. Aber wer reisst denn die Hemmschwellen nieder? Woher kommen denn Ausdrücke gegenüber dem Bundespräsidenten wie „charakterlos oder „Halbbundesrat ? Aus den Federn und Mündern einer Bundesratspartei. So wird eine hasserfüllte Stimmung geschaffen.»

Die Namen der «Münder» sind bekannt: SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli stellte den Charakter von Samuel Schmid in Frage, und Christoph Blocher bezeichnete den heutigen Bundespräsidenten als halben SVP-Bundesrat.

Christoph Mörgelis Antwort auf diese harsche Kritik fällt nicht weniger harsch aus: «Das ist eine peinliche Reaktion eines überforderten Bundesrats, der seine Dossiers nicht im Griff hat und neidisch ist auf den erfolgreicheren Kollegen.» Nie habe jemand aus der SVP den Begriff «Halbbundesrat» verwendet, entgegnet Mörgeli. Der heutige Justizminister Christoph Blocher habe als Nationalrat seinerzeit das Regierungsmitglied Samuel Schmid als «halben SVP-Bundesrat» tituliert. In der Folge hätten die Medien den Begriff verdreht und daraus den «halben Bundesrat» gemacht. Mit der SVP hätten die Pöbeleien auf dem Rütli rein gar nichts zu tun.

SVP soll Pöbeleien verurteilen

Das sehen die Vertreter der übrigen Bundesratsparteien anders. FDP-Vizepräsidentin Marianne Kleiner hält Leuenbergers Kritik für «berechtigt». Wer die eigenen Regierungsmitglieder beschimpfe und demontiere, der müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, die Hemmschwellen niederzureissen.

Mit den Ereignissen auf dem Rütli ernte man die Früchte, welche die SVP gesät habe, sagt CVP-Fraktionschef Urs Schwaller. Er wolle die SVP zwar keineswegs mit der braunen Gruppe auf dem Rütli gleichsetzen. Dennoch sei er «froh über die Kritik» von Moritz Leuenberger – und erst recht darüber, dasssie aus dem Bundesrat komme.

Erwartungsgemäss teilen auch Grüne und SP die Meinung von Moritz Leuenberger. Ruth Genner, Präsidentin der Grünen, stellt fest, dass seit den Ereignissen auf dem Rütli vor allem jene besonders still seien, die den Rechtsradikalen den Boden bereitet hätten. Und Thomas Christen, stellvertretender Generalsekretär der SP, sagt: «Die SVP und Bundesrat Blocher haben eine besondere Verantwortung, die Pöbeleien zu verurteilen.» Stattdessen verharmlose die SVP aber die Sache. Dazu zählt gemäss Christen auch der Einwand von SVP-Nationalrat Mörgeli, wonach niemand sich darüber aufrege, dass auch Bundesrat Blocher am 1. August in Winterthur massiv gestört worden sei – von Vertretern aus der linksautonomen Szene.

CVP- und FDP-Vertreter stellen eine allgemeine Verluderung des Stils an beiden Enden des politischen Spektrums fest. Immer öfter würden Politiker bei öffentlichen Auftritten beschimpft und angepöbelt, sagt Urs Schwaller. Dies sei inakzeptabel. SP-Mann Thomas Christen stimmt zu: Selbstverständlich müsse sich auch Christoph Blocher bei seinen Auftritten keine Beschimpfungen gefallen lassen.

Für die Zukunft der Rütlifeier schlägt CVP-Vizepräsident Bruno Frick vor, das Gelände «friedlich zurückzuerobern». Marianne Kleiner von der FDP wünscht sich, dass die Rechtsradikalen aktiv fern gehalten werden. Eine Zutrittskontrolle sollte angesichts des auffälligen Auftretens möglich sein. Spätestens dann aber, wenn sie zu pöbeln anfingen, müsste man sie wegweisen, findet Kleiner. Was den generellen Umgang mit Rechtsextremismus angeht, fordert sie eine klare Abgrenzung. «Wir müssen allen bewusst machen, dass wir das nicht wollen.» Selbst wenn es sich bei den Rechtsextremen insgesamt bloss um eine kleine Gruppe handle.

«Das ist eine peinliche Reaktion eines überforderten Bundesrats.»