Skinhead-überfall / Vierzig Urteile in der Höhe von sechs Wochen bis drei Monaten Gefängnisbedingt sind das Fazit der Ermittlungen gegen die Skinheads, die 1995 ein Völkerfestival überfielen. Der Vorwurf des Landfriedensbruchs wurdefallengelassen.
uba. Samstag abend, 4. November 1995: Vermummte stürmen in Hochdorf im luzernischen Seetal das «Festival für Völkerfreundschaft». DieAngreifer schlagen wahllos auf Anwesende ein und verwüsten den Konzertraum. Nach knapp zehn Minuten ist der Spuk vorbei, zurück bleibenzehn Verletzte, darunter einer mit einem zertrümmerten Ellbogen. Der Sachschaden beträgt 15 000 Franken. Die Skinheads wählten Hochdorf nur«zufällig»: Ursprünglich planten sie einen «Angriff aufs Niederdorf» in Zürich, doch weil die Rädelsführer am Vortag durch die AargauerKantonspolizei kontrolliert worden waren, befürchteten sie, dass die Zürcher Polizei vorgewarnt sei.
39 weitere Verdächtige
Die Kantonspolizei Luzern ermittelte in Zusammenarbeit mit Polizeikorps anderer Kantone insgesamt 57 Täter aus 8 Kantonen; alle sind oderwaren sie Angehörige oder Sympathisanten der rechtsextremen Skinhead-Szene. Einem der Verdächtigen sowie bei weiteren 19 Personen aus demSkins-Umfeld, über die ebenfalls Ermittlungen aufgenommen wurden, konnte keine Straftat nachgewiesen werden. Bei 13 der in Hochdorfbeteiligten Skins handelte es sich um Jugendliche, die das 18. Altersjahr zur Tatzeit nicht vollendet hatten. Das Amtsstatthalteramt Hochdorf hatihre Fälle an die Jugendanwaltschaften oder Jugendgerichte abgetreten. Ebenfalls nicht zuständig ist das Amtsstatthalteramt für drei der Haupttäter,darunter der Rädelsführer und Organisator des Überfalls. Über sie wird das Luzerner Kriminalgericht befinden, weil das in Aussicht stehendeStrafmass von mehr als 3 Monaten Gefängnis und 3000 Franken Busse die Kompetenz des Amtsstatthalteramts übersteigt.
Kein Landfriedensbruch
Das Amtsstatthalteramt Hochdorf hat Strafen für 40 Täter ausgesprochen. Sie bewegen sich je nach Tatschwere und dem Verschulden zwischen 6Wochen und 3 Monaten Gefängnis bedingt sowie einer «erheblichen» Busse. Die Täter wurden unter anderem wegen Sachbeschädigung,Hausfriedensbruch, einfacher Körperverletzung und teilweise wegen unerlaubten Waffentragens und Waffenerwerbs für schuldig befunden.
Eher unerwarteterweise erachtet das Amtsstatthalteramt den Überfall der Skins-Gruppe in Hochdorf allerdings nicht als «öffentlicheZusammenrottung, bei der mit vereinten Kräften gegen Menschen und Sachen» vorgegangen wird; die Strafuntersuchung wegenLandfriedensbruchs wurde «in allen Fällen (hinsichtlich der Tat in Hochdorf)», wie das Amtsstatthalteramt schreibt, jedenfalls eingestellt. Derzuständige Sachbearbeiter will dazu erst Ende Woche Stellung nehmen.
Sechs weitere Prozesse
Sechs der Täter müssen sich nächstens dennoch – in Zürich – wegen Landfriedensbruchs verantworten: Sie hatten bei der gewalttätigenAuseinandersetzung zwischen links- und rechtsextremen Gruppierungen an der Blocher-Demo vom 23. September 1995 teilgenommen.