Nacht der Gewalt Rechtsextreme zerstören dasLakuz und greifen türkische Familie an. Eine Horde Rechtsextremer hat in der Nacht auf Samstag Langenthal unsicher gemacht. Die Neonazisrichteten im Jugendkulturzentrum Lakuz grossen Sachschaden und griffen später vor dem Spital einetürkische Familie an. Die Polizei griff mehrmals ein undverstärkte ihre Präsenz deutlich.
Pascal Dietrich
Die Nacht von Freitag auf Samstag war inLangenthal eine Nacht der Gewalt. Das Handgemenge amSchluss der Märitgass-Party (siehe Bericht unten)erscheint aber geradezu harmlos im Vergleich mit der Spur der Zerstörung und Aggression, welche eine HordeNeonazis hinterliess. Dreimal zogen die Rechtsextremen Lakuz, dem autonomen Kultur- undBegegnungszentrum an der Farbgasse. Beim zweiten Mal entstandeine Schlägerei, beim dritten Mal hinterliessen dieGlatzköpfe ein Bild der Zerstörung. Damit aber nichtgenug: Kurz vor vier Uhr morgens wurde eine türkische Familieins Spital Langenthal gerufen, weil ein Angehöriger imSterben lag. Zur selben Zeit begaben sich zwei leichtVerletzte begleitet von einer Gruppe Neonazis ins Spital. türkische Familie wurde zuerst verbal, dannauch handgreiflich von den Rechtsextremenangegriffen. Den inzwischen verstärkten Kräften derKantonspolizei und der Stadtpolizei Langenthal gelang es, eineweitere Eskalation zu verhindern.
Kulturzentrum teilweise zerstört
Begonnen hatten die Auseinandersetzungen am Freitagabend um zehn Uhr. Laut den Augenzeugenberichten einesLakuz-Vereinsmitglieds versammelte sich eine Gruppe mit Leuten aus der rechten Szene vor dem Lokal. «Siefotografierten das Gebäude, zeigten Schwur- und Stinkefinger und verlangten Einlass», schildert er die Situationin einem Bericht. Die Lakuz-Leute verwehrten denZutritt, der nur Mitgliedern gestattet sei, verschlossen die Türund riefen die Polizei. Diese sei umgehend eingetroffenund habe die Personalien von Mitgliedern derprovozierenden Gruppe aufgenommen. «Einer Patrouille der Kantonspolizei gelang es, die Lage zu beruhigenund die Skinheads zum Verlassen des Geländes zubewegen», schreibt auch die Polizei in einer Meldung. Doch die Ruhe ist nur von kurzer Dauer: Um ein morgens kehren Angehörige der rechten Szenezurück und verlangen Bier, so der Bericht desVereinsmitglieds.
Nach einem Handgemenge, bei dem eineFensterscheibe in die Brüche ging, gelingt es der Lakuz-Crew, Störenfriede hinauszuwerfen. Kurz darauf seienjene aber mit Holzprügeln bewaffnet zurückgekehrt. Lakuz-Leute fliehen und alarmieren ein zweitesMal die Polizei. Als diese eintrifft, hatten dieNeonazis den Tatort aber bereits wieder verlassen. Im Lokalherrscht ein
Chaos: Stühle und Tische sind umgestossen, die Musikanlage liegt am Boden. Später, um drei Uhr morgens, wird eine Horde von ungefähr 30 Rechtsextremen erneut beim Kulturzentrumgesichtet. Diese Zahl wird von der Polizei bestätigt. DieSchar sei daraufhin durch das Zentrum Langenthalsgezogen, wobei es zu weiteren Sachbeschädigungen kam,schreibt die Kantonspolizei. Kurz vor vier Uhr morgensereignete sich dann der Vorfall vor dem Spital, bei demeine türkische Familie bedroht und auch angegriffenwurde. Ausserdem beschädigten die Skinheads das Autoeiner Spital-Angestellten.
«Wir machen sicher weiter», sind sich dieBetreiber des Lakuz einig, obwohl sie traurig und schockiertseien, dass ein grosser Teil ihrer Aufbauarbeit ineiner Nacht zerstört wurde. Sie wollen nun abwarten, wasseitens der Behörden unternommen werde. «Polizei und Justiz müssen jetzt handeln», fordern sie. Vom Problem Gewalt von rechts sei nicht nur das Lakuzbetroffen, sondern die ganze Gesellschaft, halten die Lakuz-Initianten fest, die aus Angst vorRacheakten nicht namentlich in der Zeitung genannt seinwollen. Sie schätzen den angerichteten Sachschaden im Kulturzentrum auf mehrere tausend Franken.
Die Stadt will Anzeige erstatten
Die Polizei schreibt bezogen auf den in ganzLangenthal angerichteten Schaden sogar von mehrerenzehntausend Franken. Abklärungen zur Ermittlung derTäterschaft seien im Gang. Die Polizeipräsenz sei in derNacht auf Sonntag verstärkt worden, was auch zahlreichen Langenthalern aufgefallen ist. Werner Meyer, Langenthaler Gemeinderat und zuständig für die öffentliche Sicherheit, wurde gleich amSamstagmorgen informiert. «Das Haus gehört der Stadt, unddeshalb wird sich der Gemeinderat mit der Sachebeschäftigen. Sicher ist, dass eine Strafanzeige erstattet wird»,erklärte Meyer. «Wir haben ein grosses Interesse aneiner schnellen Aufklärung der Vorkommnisse.» Dabeiwürden sicherlich die aufgenommenen Personalien und erfassten Autokennzeichen hilfreich sein, soMeyer weiter. Von den sieben Personen, bei denen dieIdentität aufgenommen wurde, stammen vier aus dem Oberaargau und drei aus dem Raum Bern undBurgdorf. «Es war kein einziger Langenthaler darunter», Gemeinderat Meyer aufgefallen.
Mitarbeit: Jana Fehrensen
Nötig ist jetzt ein Zeichen gegen Gewalt
Kommentar: Langenthal und Burgdorf seien diebeiden Kleinstädte im «wilden Osten des Kantons Bern»,pflegt der Langenthaler Stadtpräsident Hans-Jürg Käser gelegentlich mit einem Augenzwinkern zu sagen.So wie in der Nacht auf Samstag hat man sich den«wilden Osten» allerdings nicht vorgestellt. Deutlichstärker als das Oberland oder das Seeland sind derOberaargau und Burgdorf in letzter Zeit von Gewalt aus der rechts-extremen Ecke betroffen.
Pascal Dietrich
Wohlgemerkt: Provokationen und Sticheleienzwischen Links und Rechts kommen häufig vor und diesohne Zweifel auf beiden Seiten. Was sich aber dieHorde Neonazis dieses Wochenende in Langenthalgeleistet hat, muss man als Feldzug gegen Anstand,Freiheit und Toleranz bezeichnen. Angesichts der Zahl der Rechtsextremen und der offensichtlichen Planungihrer Angriffe kann man sogar von bandenmässiger Kriminalität sprechen. Daraus folgt, dass die Vorkommnisse sorgfältig untersucht undanschliessend die Schuldigen mit aller Härte verurteilt undbestraft werden müssen. Gift für diese Bemühungen wäre eine versteckte Sympathie für die braune Schlägertruppe ineinem kleinen Teil der Bevölkerung, wie sie hin undwieder spürbar wird. Burgdorf hat deshalb mit derAktion «Courage» ein Zeichen gesetzt, indem zahlreiche Menschen aus der Stadt und der Umgebung dieGewalt von Mitgliedern der rechten Szene verurteilthaben. Nach der «Invasion» in Langenthal ist ein ähnlicher Positionsbezug der Oberaargauerinnen und Oberaargauer angezeigt.