Bedingte Strafen für Skins

Der Bund

Zwei Skinheads aus der Region Burgdorf wurden wegen Angriffs verurteilt

12 und 16 Monate Gefängnis bedingt: So lautet das Urteil des Kreisgerichts Burgdorf-Fraubrunnen für die beiden Skinheads, die aktiv an einem gewalttätigen Angriff auf andersdenkende Jugendliche in Hasle beteiligt waren.

? STEFAN VON BELOW

Einen Punkt stellte Gerichtspräsidentin Annemarie Hubschmid gleich zu Beginn der gestrigen Urteilseröffnung klar: «Bei uns gibt es kein Gesinnungsstrafrecht.» Das Kreisgericht Burgdorf-Fraubrunnen bestrafe die beiden Angeschuldigten aus der Region Burgdorf nicht wegen ihrer politischen Einstellung, sondern wegen der Taten, die sie begangen hätten und diese seien «sehr gemein».

Der heute 22-jährige S. wurde wegen Angriffs, versuchter schwerer Körperverletzung, versuchter Begünstigung und Widerhandlung gegen das Sprengstoffgesetz zu 16 Monaten Gefängnis bedingt bei einer Probezeit von vier Jahren verurteilt. Zudem wird er unter Schutzaufsicht gestellt. Für seinen 20-jährigen Kollegen R. lautet das Urteil auf 12 Monate Gefängnis bedingt bei einer Probezeit von drei Jahren. Er wurde ebenfalls des Angriffs sowie der Nötigung und des Raufhandels schuldig gesprochen.

Im Zentrum der Hauptverhandlung standen die Ereignisse vom 16. Dezember 2000. An jenem Abend waren S. und R. zusammen mit einem Dutzend weiterer Skinheads von Burgdorf nach Hasle gefahren, um einer Gruppe von Andersdenkenden «eins aufs Dach zu geben», wie sich R. ausdrückte. Einem der drei Jugendlichen, welche die Skinheads am Bahnhof Hasle-Rüegsau antrafen, versetzte S. einen Faustschlag, der ihn rückwärts über ein Geländer fallen liess. Nur mit Glück blieb das Opfer auf einer Auffangvorrichtung liegen, wo es von S. noch mehrere Fusstritte einstecken musste andernfalls wäre es dreieinhalb Meter in die Tiefe gestürzt. Derweil rannte R. in die Unterführung hinunter. Dort trat und schlug er auf einen anderen Jugendlichen ein, der infolge des Angriffs hinuntergefallen und verletzt worden war. Zum Schluss nahm R. dem wehrlosen Opfer als Trophäen einen Schuh mit roten Bändeln und ein Nietenband ab.

Angriff oder Schlägerei?

Der Attacke der Skinheads waren gegenseitige Provokationen durch Telefonanrufe und SMS vorausgegangen. Zudem ergaben die Ermittlungen der Polizei, dass die Opfer verschiedene Waffen bei sich hatten unter anderem einen Baseballschläger. Daraus schlossen die Verteidiger, dass die «Linken» auf die «Schlägerei» vorbereitet gewesen seien, ja die «Rechten» geradezu dazu «aufgefordert» und in den Kampf «eingewilligt» hätten. Damit handle es sich nicht um einen Angriff, sondern um eine Schlägerei, wie sie etwa in Gotthelf-Filmen vorkomme oder auch aus der Schweizer Geschichte Stichwort Freischaren und Saubannerzüge bekannt sei. Die Anträge der Verteidigung lauteten für S. auf einen Monat und für R. auf vier Monate Gefängnis bedingt.

«Enorm weit gegangen»

Dieser Argumentation schloss sich das Gericht nicht an. Trotz den Provokationen handle es sich um einen «klaren Fall eines Angriffs», sagte Hubschmid. Im Unterschied zum Raufhandel liege ein «einseitiges, nicht ein gegenseitiges körperliches Einwirken» vor. «Es ging viel zu schnell die Gruppe aus Hasle hatte gar keine Möglichkeit zur Gegenwehr.» Die beiden Angeschuldigten seien «enorm weit» gegangen das sei «massiv krimineller als eine Schlägerei». Damit folgte das Gericht weitgehend der Argumentation von Staatsanwalt Walter Wyss, der für S. 17 Monate bedingt und für R. 13 Monate bedingt gefordert hatte. Es handle sich um eine «Verharmlosung», wenn das Geschehene «in den Bereich des urchigen Schweizertums» gerückt werde, sagte Wyss an die Adresse der Verteidigung.

Weniger zu reden gaben die übrigen Delikte, die den Angeschuldigten zur Last gelegt wurden. So hatte S. unter anderem die Pistole eines Kameraden versteckt, um diesen zu schützen. Ausserdem hatte er aus einer Druckpatrone einen Sprengsatz gebaut laut seinem Verteidiger eine «Bastelei», die als «Jugendsünde» abgebucht werden könne. Hubschmid hingegen sah darin «wieder einen kriminellen Akt mehr». R. seinerseits hatte sich in den Sommerferien 2001 in Yverdon an einer Massenschlägerei beteiligt.

Konsequenzen für beide

Beide Angeschuldigten gaben zu Protokoll, sie sähen sich heute nicht mehr als Skinheads. S. wurde sogar vom Opfer attestiert, er habe mittlerweile «zum Normalen zurückgefunden». R. hingegen gab zu, nach wie vor Kontakt zu seinen Skinhead-Kameraden zu pflegen. Allerdings wünsche er sich «schon etwas Distanz von der Skinhead-Szene»: Dort dabei zu sein ziehe «viel zu viele Probleme nach sich». So sei er wegen dieses Gerichtsverfahrens aus der Unteroffiziersschule entlassen worden. Konsequenzen muss auch S. tragen: Infolge des gestrigen Urteils muss er eine Gefängnisstrafe von zwei Monaten verbüssen, die 1999 wegen versuchter Drohung mit bedingtem Vollzug ausgesprochen worden war.