ZWEI SKINHEADS WOLLEN MIT KLISCHEES UND RECHTSRADIKALEN AUFRÄUMEN
Nicht alle Skinheads sind rechtsextrem
Zwei Winterthurer Skinheads, die den Rechtsextremen den Kampf angesagt haben, reden über ihre, zum Teil faschistoide, Vergangenheit, ihr Verhältnis zur Gewaltanwendung und die «richtigen» Skinheads.
SAMUEL TEXTOR
«Die berüchtigten rechtsextremen Glatzen haben mit echten Skinheads nichts gemeinsam, ausser dass sie deren Aussehen kopieren, um furchterregend auszusehen.» So argumentieren die in Winterthur wohnhaften Udo Grob und Joe Hawkins (Namen geändert), die sich als links, respektive apolitisch betrachten. Joe Hawkins, eine Romanfigur von Perry Rhodan, wurde als Synonym gewählt, weil er den urtümlichen Skinhead verkörpert: Als Arbeiter in einer britischen Grossstadt, Anfang der 70er Jahre, führt er ein hartes Leben. Diesem will er durch Lokalpatriotismus, der sich im Fussballfanatismus widerspiegelt, und nicht rassistisch motivierter Gewalt, etwas Abwechslung und Spass verschaffen. Das einzige Paar Jeans, durch Träger fixiert, wird hochgerollt, damit die blank geputzten Arbeiterstiefel bestaunt werden können. Um im Nahkampf nicht an den Haaren gepackt zu werden, wird der Schädel kahl geschoren.
Gesinnung als Unterschied
Nur wenig unterscheidet Udo und Joe vom «Idealbild», sie haben das beschriebene Aussehen, sind fanatische FCW-Fans und neigen zur Gewaltanwendung. Was grenzt sie nun von den rechtsextremen Schlägern ab? Sicher die politische Gesinnung – doch dies war auch nicht immer so: Joe ist auf dem Land aufgewachsen. Da er häufig von Ausländern verprügelt wurde, hat er sich die Haare geschnitten und Springerstiefel zugelegt, sich so Respekt verschafft. Seine politische Einstellung war lange Zeit «ziemlich faschistoid», er hat auch mit Rechtsextremen verkehrt. Seine Haltung erfuhr eine Kehrtwendung, als er vor wenigen Jahren, während einer Demonstration im Zürcher «Niederdörfli», mitansehen musste, wie seine «Fascho-Kollegen» drei Türkinnen zu Boden schlugen, «nur weil diese einen Schleier trugen». Nach diesem Vorfall hat sich erstmals «etwas da oben in Bewegung gesetzt», und bald darauf wendete er sich von den Rechten ab.Diese haben seinen Gesinnungswandel aber nicht akzeptiert, und seither mehrmals Joes Weg unangenehm gekreuzt. Vor kurzer Zeit ist der 20-Jährige von fünf Rechtsextremen verhauen worden. Selbst als er schon regungslos auf dem Boden lag, haben die Schläger weitergetreten. Die Woche darauf war noch immer die Stiefelmarke eines Schlägers auf seinem Gesicht abzulesen. Dies ist nur ein Vorfall unter vielen gewesen, doch von einer Anzeige hat er jeweils abgesehen, er lieferte jeweils lieber selbst die «Retourkutsche». «Die Ehre hat halt erste Priorität», führt Joe aus. Deshalb wird auch – wenn überhaupt – immer im fairen Kampf zurückgeschlagen. Von seiner letzten Freundin trennte er sich, weil diese mehrmals von Rechtsextremen, wegen ihrer Liebe zu einer «linken Zecke», geschlagen worden sei. Heute sieht Joe die Situation pessimistisch: Die rechtsextremen Skinheads erfahren einen Zulauf, die Seinigen stagnieren bei Wenigen. So habe er sich den linksextremen Gruppierungen angeschlossen, um nicht ständig in Gefahr zu schweben. Dies, obwohl er sich als apolitisch bezeichnet, er beschäftigt sich vorwiegend mit dem Skinhead-Kult, sucht lediglich die «Ablenkung vom Alltag».
Gefürchteter Skinhead-Look
Ganz anders der 21-jährige Udo Grob. Er ist streng linksdenkend, hat vor seiner «Metamorphose» zum Skinhead der Punk-Szene angehört, mit der er noch immer in Kontakt steht. «Im Vergleich zur Szene der Rechtsextremen, die sich exponenziell vermehrten, hat die Punk-Szene während den letzten Jahren eher Leute verloren», erklärt Udo. Der Skinhead-Look gibt ihm das Gefühl, gefürchtet zu werden. Er liebt es, die Angst in den Augen der Passanten zu sehen. Dass er bei ihnen negative Gefühle auslöst und für einen Rechtsextremen gehalten wird, stört ihn nicht weiter: «Die Leute, die mir wichtig sind, kennen meine Einstellung», sagt er. Christoph hilft mit, «Aktionen gegen Faschos» zu organisieren. Ihre Aktionen seien «überlegter», aber auch seltener, als jene der rechten Skins. Auf die Frage, weshalb der Gewalt mit Gewalt geantwortet wird, erklärt er: «Wenn wir ihnen nicht das Maul stopfen, tut es niemand.» Er gibt aber zu, dass die Gewaltanwendung eben schon ihren Reiz hat. Joe zitiert dazu: «Gewalt ist keine Lösung, aber ein verdammt gutes Argument.»Die Frage, was sie von den rechten Skins, ausser der politischen Einstellung, denn noch unterscheide, können sie nur zögernd beantworten.
«Die Ehre und der Respekt vor anderen Völkern, die Verabscheuung der Gewalt gegenüber Frauen», nennen sie. Das Auftreten der Polizei betrachten beide, Joe wie Udo, als relativ neutral: «Wenn eine der extremen Gruppierungen, ob Linke oder Rechte, sich der Polizei gegenüber aggressiv verhält, revanchiert sich diese beim nächsten Wiedersehen», sagt Christoph. «Dies ist ja nichts als menschlich», fügt Joe hinzu. Die Zukunft sehen die beiden eher dunkel: Die Rechtsextremen werden weiter zulegen, dazu kriegen sie Unterstützung von unauffälligen, zum Teil einflussreichen Bürgern. Der Kampf wird auf beiden Seiten weitergeführt, nur intensiver, besser organisiert und mit härteren Mitteln.
(sat)
Die rechtsradikale Szene in Winterthur und Umgebung hat in den letzten fünf Jahren einen deutlichen Zuwachs erfahren. Während bis vor kurzem nur wenige rechtsradikale Skinheads in Winterthur verkehrten, sind heute deren 100 unterwegs. So genannte «Sharp Skins», Skinheads mit politisch eher linksgerichteter Haltung, sind in Winterthur an zwei Händen abzählbar. Zwei Vereine erfassen einen Teil der Rechtsextremen: Ungefähr 20 Mitglieder zählen sich zur «Patriotischen Jugend Winterthur», kurz PJW. Diese Verbindung existiert seit zirka zwei Jahren und ist bekannt für ihren Gewalteinsatz.
Mit dem «Kampf für eine freie Schweiz», dem KFS, besteht in der Region Winterthur noch ein zweiter Verein. Die vor kurzem gegründete rechtsextreme «Kampftruppe», zählt ungefähr 50 Mitglieder und entstand – unter anderem – durch ehemalige PJW-Anhänger. Sie treffen sich allwöchentlich in einem Winterthurer Restaurant. Gerüchten zufolge will der KFS bald in die Politik eingreifen. Als «Dachorganisation» der beiden Vereine kann die «Nationale Aufbauorganisation» (NAO) angesehen werden, die schweizweit Rechtsradikale «ausbildet». Die NAO bietet Kurse – beispielsweise in Geschichte – an, worin die Gräuel des Holocaust geleugnet werden. Unter den Drahtziehern der Organisation soll der bekannte Rechtsextreme Marcel Strebel sein.
Akt der Provokation
Die vor zehn Tagen gesprayten Hakenkreuze sollten in erster Linie die linke Szene provozieren, meint der Täter.
EVELINE RUTZ
Der junge Schweizer, welcher die Coop-Filiale an der Wülflingerstrasse 271 mit drei Hakenkreuzen und der rechtsradikalen Parole «Sieg heil» beschmiert hat, gibt als Motiv an, die linke Szene, aber auch Ausländer provozieren zu wollen. Zu diesem Zweck ziere seine Handschrift zahlreiche Gebäude in der ganzen Stadt. Er sieht sich jedoch «nicht als Rassist», da er nur gegen jene Ausländer etwas habe, die mit Drogen dealen oder «sonst irgendwie Aufruhr» verursachen. Ebenso könne er Schweizer, die Vergleichbares tun, nicht ausstehen.
Der 21-jährige Mann, der nach einer abgeschlossenen Maurerlehre zurzeit arbeitslos ist, und auf Grund eines Unfalls IV bezieht, gehört der rechtsradikalen Gruppe «Kampfkraft 2» an. Diese setzt sich aus etwa 15 Mitgliedern der ehemaligen «Eulachfront» zusammen und rekrutiert ihre Anhänger vorwiegend im Thurgau. Gemeinsam mit seinem Freund, der sich als «Hammerskin» bezeichnet, hat er vor einigen Wochen ein Rechtsradikalen-Treffen in Winterthur organisiert und fungiert als eigentlicher Drahtzieher der von ihm mitgegründeten Gruppierung. «Leute zu vertreiben, die sich hier als Parasiten eingliedern», ist das erklärte Ziel des Vereins, der sich auch als Gegenpol zur Punk-Szene versteht, da diese von der Polizei nicht genug bestraft würde. Bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen verzichtet der mehrfach Vorbestrafte jedoch nach eigenen Angaben auf den Gebrauch von Waffen und behilft sich einzig seiner Muskelkraft. Zentraler Bestandteil der «Kampfkraft 2» ist die Loyalität unter den 15 Mitgliedern: «Wenn es irgendwo Probleme gibt», werden sofort alle via Handy alarmiert und sind dann innert Minuten am Ort des Geschehens. «Faschismus heisst Zusammenhalten – wie ein Bündel Holz», erklärt der junge Skinhead die Ideologie seiner Gruppe. So kam es auch schon vor, dass der Verein die Geldstrafen einzelner Mitglieder übernahm, und es ihnen so ersparte, für die kriminellen Vergehen im Gefängnis zu sitzen.
Der Stadtpolizei Winterthur ist «Eulachfront» nicht aber «Kampfkraft 2» ein Begriff. Allerdings ändern die einzelnen Vereine ihre Namen laufend, so dass es schwierig ist, die einzelnen Strömungen der rechtsradikalen Szene genau einzuordnen. Da es sich beim beschriebenen Fall um ein laufendes Verfahren handelt, liess die Polizei keinerlei Untersuchungsergebnisse verlauten.