Rechtsextremismus in der Schweiz durchkreuzte: „Tina Turner lässt Antinazi-Demo platzen“ titelte die Zeitung gestern Montag. Weil weder die Rock-Lady

Blick

noch ihr Kollege Phil Collins, der ebenfalls die Schweiz als offiziellen Wohnsitz hat, abkömmlich gewesen seien, hätten die Organisatoren dieDemonstration abgesagt, schreibt die Zeitung weiter.

Politische Konkurrenz
Nicht wenige fragten sich auf Grund dieser Meldung, ob denn das Engagement für Toleranz und gewaltfreien Dialog wirklich vom Terminkalender zweierinternationaler Rockstars abhängig sei. So einfach ist die Geschichte nicht. Die Organisatoren sind weniger an den Rockstars als vielmehr anTerminproblemen, Feiertagsregelungen und ihren eigenen – sehr hohen – Ansprüchen gescheitert.

Am 26. August lancierte der Präsident der Grünen Partei, Ruedi Baumann, die Idee einer nationalen Demonstration gegen Rassismus undRechtsextremismus. Gedacht war sie als überparteiliches Zeichen der „Zivilgesellschaft“, so Baumann, gegen rechtsextreme Tendenzen. Idealerweise solltedie Demonstration noch vor der Abstimmung vom 24. September stattfinden; so hätte man gleich noch gegen die 18-Prozent-Initiative mobilisieren können.Kaum war die Idee geboren, wurde sie auch stolz verbreitet, und von da an war in den Medien die Rede von einer grossen, nationalen Demonstration am 16.September in Bern.

Doch dieses Datum stiess politischen Gruppierungen aus dem Raume Luzern, die sich links der SP positionieren, sauer auf. Sie hatten nämlich für dengleichen Tag ebenfalls zu einer Demonstration aufgerufen, allerdings in Emmen, jener Stadt, welche durch ihre restriktive Einbürgerungspolitik Schlagzeilengemacht hat.

Aus Rücksicht auf die Luzerner Kundgebung verzichteten die Berner Organisatoren auf dieses Datum. Mittlerweile hatte sich der Verein Open Hearts derSache angenommen, der schon mehrmals Grossanlässe für eine offene und pluralistische Gesellschaft organisiert hat („Rock gegen Hass“ oder dasDJ-Bobo-Konzert in Tirana). Geschäftsführer Sidney Weill und seine Mitarbeiter planten, die Demonstration um einen Tag, auf den 17. September, zuverschieben. Und um etwas richtig Grosses mit „internationaler Ausstrahlung“ auf die Beine zu stellen, traten sie in Kontakt mit den Rockstars Tina Turnerund Phil Collins. Deren Auftritt hätte der Welt das Bild einer anderen Schweiz, eines „offenen Landes“ zeigen sollen.

Doch auch dieses Datum passte nicht, diesmal den Kirchen. Der kommende Sonntag ist nämlich Eidgenössischer Dank-, Buss- und Bettag. TrotzInterventionen von Nationalrat und Open-Hearts-Präsident Roland Wiederkehr hätten die Kirchen nicht nachgegeben, sagte Weill, und somit war auch derSonntagstermin geplatzt. Weill betonte gestern, dass man die Kundgebung am Sonntag auch ohne Turner und Collins durchgeführt hätte.

Als es nun den Organisatoren nicht gelang, Turner und Collins für das letzte Ausweichdatum, den Mittwoch, 13. September, zu gewinnen, resignierten sie.Zwar hatte Bundesrätin Ruth Metzler einen Auftritt zugesichert – doch anscheinend reichte das nicht oder entsprach nicht dem Konzept der Organisatoren.

Turner nun schriftlich
Ganz ohne Tina Turner und Phil Collins müssen die Kämpfer für eine tolerante Schweiz aber dennoch nicht auskommen. Die Künstler hätten versprochen,sich in den nächsten Tagen der Schweizer Bevölkerung zum Thema schriftlich mitzuteilen, sagte Weill. Und der Präsident der Grünen Partei der Schweiz,Ruedi Baumann, schloss gestern nicht aus, dass seine Partei im Herbst oder Winter auf eigene Faust eine Demonstration organisieren werde.

Streit um Route
Luzern. – Die für Samstag geplante Demonstration, die von Emmen in die Stadt Luzern führt, findet statt. Allerdings haben sich Veranstalter und Behördenlange nicht auf eine Route einigen können. Die Organisatoren der Kundgebung gegen Rechtsextremismus und die 18-Prozent-Initiative haben sogar eineVerwaltungsbeschwerde eingereicht, weil Emmen die von ihnen gewünschte Route nicht bewilligen wollte. „Wir lassen uns nicht auf Nebenwegeabdrängen“, argumentierten sie. In der Aussprache vom Montag scheine man sich aber gefunden zu haben, heisst es im kantonalen Baudepartement.

Am Montag debattierte das Kantonsparlament über Rechtsextremismus und das inzwischen geschlossene Skinhead-Lokal in Malters. Dabei mahnte dieSVP zur Besonnenheit, die SP kritisierte die Anstifter, und Regierungsrat Fässler forderte Zivilcourage. Gleichentags stellte die Luzerner Regierung auch ihrStrategiepapier vor, um dem Rechtsextremismus besser entgegentreten zu können. Sie setzt sowohl auf Repression als auch auf Information.