Die Gewalt hat fast schon einen Stammplatz im Basler St.-Jakob-Park, wenn der FC Zürich Gast ist. Wie in den beiden Vorjahren kam es auch vor einer Woche wieder zu Krawallen. Diesmal schleuderten Zürcher Anhänger brennende Fackeln auf andere Zuschauer. Seither beschäftigen die Ausschreitungen nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die Strafverfolger. Die Basler Staatsanwaltschaft wertet derzeit Bilder von Überwachungskameras im Stadion aus, doch die Suche nach den vermummten Tätern gestaltet sich schwierig.
Abgeschlossen haben die Staatsanwälte inzwischen die Ermittlungen zum heftigsten Krawall im Umfeld des Schweizer Fussballs, der als «Schande von Basel» in die Sportannalen einging. Am 13. Mai 2006 wurde der FC Zürich in der letzten Runde im Basler «Joggeli» Schweizer Fussball-Meister – dank eines Tors in der Nachspielzeit. Die massive Gewalt nach dem Abpfiff bildet nun den Gegenstand in einer 26-seitigen Anklageschrift, die der «Tages-Anzeiger» einsehen konnte. 26 Fussballanhänger werden der versuchten einfachen Körperverletzung mit gefährlichen Gegenständen, der Sachbeschädigung, der Gewalt gegen Beamte sowie des unbefugten Verkehrs mit pyrotechnischen Gegenständen beschuldigt. Der Prozess ist auf neun Tage im Oktober und November angesetzt.
«Zahlreiche, teilweise vermummte Zuschauer», so schreibt die Anklage, seien damals nach Spielschluss aufs Spielfeld gestürmt. «Dort gingen sie mit vereinten Kräften auf Spieler und Funktionäre des FC Zürich los.» Vielen Fernsehzuschauern blieb in Erinnerung, wie der Siegestorschütze, Iulian Filipescu, auf der Flucht vor Verfolgern Hacken schlug und sich – gemäss Anklageschrift – gegen die Angreifer «erfolgreich zur Wehr setzte», indem er ebenfalls Fusstritte austeilte.
Ein Serbe, eine Frau, ein 50-Jähriger
Ein damals 21-jähriger Polytechniker und ein damals 23-jähriger Student müssen sich nun vor Gericht für die Attacke auf den Verteidiger verantworten. Die meisten der mutmasslichen Täter sind im gleichen Alter wie die beiden, kommen ebenfalls aus Basel und Umgebung und sind Schweizer. Mindestens fünf von ihnen sind vorbestraft. Unter den Angeklagten befinden sich ein einziger Ausländer – ein Serbe -, eine einzige Frau und auch ein 50-jähriger Mann.
Mit herausgerissenen Sitzen und Banden, mit Fahnenstangen, Feuerwerk und anderen Gegenständen griffen die Krawallanten FCZ-Anhänger und Sicherheitskräfte an. Währenddessen rotteten sich gewaltbereite Gruppen vor dem Ausgang des Gästesektors zusammen. Sie waren aus Bars in der Stadt vors Stadion geeilt, «um Zürcher zu verhauen», wie ein Beschuldigter in der Untersuchung zugab. Einer brachte eine Schutzmaske mit, ein anderer, der sich selbst als «ehemaliger Neonazi» bezeichnete, nahm sogar seine Frau und sein Kleinkind mit.
Der Polizei gelang es, den Gästeanhang auf dem Weg zum Extrazug abzuschirmen. Die Gewalt richtete sich darauf vorab gegen Polizisten und gegen Medienschaffende. «Unter skrupelloser Inkaufnahme einer Lebensgefährdung von Dritten warfen mehrere Hooligans Tische, Bänke und Bierfässer von einer Terrasse auf den Vorplatz des Stadions hinunter», heisst es in der Anklageschrift. Immer wieder seien auch «verbotene Handlichtfackeln» gezündet und gegen Menschen geworfen worden. Unbeteiligte, sogar Feuerwehrleute und Sanitäter, wurden attackiert.
Die Polizei versprühte Tränengas, schoss mit Gummischrot und Wasserwerfern und nahm 25 Randalierer fest. Nach zwei Stunden bekam sie die Situation in den Griff. Zurück blieben Verletzte: 115 Personen klagten laut Anklage «über Atem- und Kreislaufprobleme, Verbrennungen, Schnittwunden und anderes mehr», 15 davon mussten ins Spital.
Anklage auch gegen Zürcher Fans
Demoliert wurden 19 Polizeiautos und sieben Wagen des Fernsehens. Scheiben weiterer Autos (mit Zürcher Nummernschildern) und von Trams gingen in die Brüche, Container und Baustellen brannten. Der Sachschaden belief sich auf weit über 300 000 Franken.
Auch gegen Zürcher Anhänger, so zeigen TA-Recherchen, hat die Basler Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Sie müssen demnächst vor dem Strafgericht erscheinen, weil sie nach einer Niederlage des FC Zürich im April 2007 im «Joggeli» einen Bierstand demolierten.