Jetzt kommen die Neonazi-Parteien
VON GEORGES WÜTHRICH
BERN – Rechtsextreme Parteien machen mobil! Zwei Gruppierungen rüsten sich zum politischen Marsch aufs Bundeshaus. Im Departement von Bundesrätin Ruth Metzler schlägt man Alarm. «Wir nehmen die Sache sehr ernst», sagt Urs von Daeniken vom Dienst für Analyse und Prävention (DAP).
Der rechtsextreme Marsch durch die Institutionen hat begonnen. Zu diesem Schluss kommen die Profis der früheren Bundespolizei. Bisher würden die Rechtsextremen oftmals verdeckt agieren, weil es noch zu früh für den Gang an die Öffentlichkeit sei, so DAP-Chef Urs von Daeniken.
Jetzt aber geht die Nationale Partei Schweiz (NPS) des Berners David Mulas in die Offensive: In ihrem Parteiorgan «Das nationale Blatt» kündigt die NPS an, sich an den Nationalratswahlen im Jahre 2003 zu beteiligen. Die NPS funktioniert nach dem Vorbild der deutschen NPD.
Noch ernster nehmen die Staatsschützer eine Neugründung aus dem Kanton Baselland vom letzten Herbst: die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS). Diese Gruppierung läuft der NPS immer mehr den Rang ab. Geführt wird sie vom Baselbieter Bauarbeiter Sacha Kunz, einem früheren Führungsmitglied der Skinhead-Organisation «Blood and Honour».
Beide rechtsextremen Parteien können zwar erst je rund 50 Sympathisanten und Mitglieder auf sich vereinen. Es sind meist den Kinderschuhen entwachsene Skinheads. Aber die Professionalität ihrer Internet-Auftritte und ihrer Broschüren lässt aufhorchen.
«Wir dürfen diese Parteien nicht unterschätzen. Sie sind offensichtlich bereits in der Lage, einfache politische Programme zu formulieren», stellt DAP-Chef Urs von Daeniken fest. Diese Szene verfestige sich zusehends: «Sie will in die Politik und versucht deshalb auch die Gewaltaktivitäten in der rechten Szene etwas zu dämpfen.» Die Rede ist von einem tief greifenden Trendwechsel. Aufhorchen lässt in diesem Zusammenhang, dass die Skinhead-Szene weiterhin beunruhigend zunimmt: Sie ist bis Ende letzten Jahres auf 800 bis 900 Anhänger angewachsen.
Ob die Kunzens und Mulas der neuen Parteien die Verfasser von recht gut formulierten Parteiprogrammen sind, ist allerdings fraglich. Die Analysten des DAP vermuten die Urheber eher in revisionistischen Zirkeln wie etwa dem Verein «Justiz und Wahrheit» des international zur Fahndung ausgeschriebenen Holocaust-Leugners Jürgen Graf.
Kampf um die Strasse
Kampf um die Köpfe
Kampf um die Regierungssitze.
Mit diesem Dreisäulen-Konzept will die PNOS den Marsch durch die Institutionen antreten – mit klar rassistischer Stossrichtung: «Im Kampf für das Überleben unseres Schweizer Volkes stellen wir den besonderen Schutz der Familie als Träger des biologischen Erbes in den Mittelpunkt unseres politischen Willens.» Und die Konkurrenz PNS sagt unumwunden, wo sie ihre Stimmen holen will: bei den SVP-Wählern. Damit nicht genug. Die Neonazi-Partei verrät auch, wie sie den Marsch ins Bundeshaus schaffen will: als Wolf im Schafspelz. «Leider haben wir keine andere Wahl, als uns diesem System für kurze Zeit zu unterziehen», schreibt die PNS. Und nachher?
KOMMENTAR
Kampf den Neonazis! Später ist es zu spät
VON JÜRG LEHMANN, CHEFREDAKTOR
In wenig mehr als zwei Jahren sind Nationalratswahlen. Jetzt kündigen Schweizer Neonazi-Parteien an: Wir machen da mit. Der oberste Schweizer Staatsschützer ist beunruhigt.