manifestieren können. Auch der Vertrieb von Büchern und CDs mit rassistischemInhalt solle zugelassen werden. «Es wäre ein Trugschluss, wenn bei Nichteintretenauf unser Angebot erwartet würde, dass alle behördlich beschlossenen Massnahmenwiderspruchslos befolgt und vollzogen würden», droht Wüthrich. Die Gesellschaftkönne wählen, ob sie diesen Rahmen freiwillig schaffe oder ob sie ihn später nachblutigen Strassenkrawallen der rechten Jugend abtreten müsse.
Wüthrich, der in der Skinheadszene als Rechtsberater agiert, hat seinen Vorstossmit Skinheadführern abgesprochen. «Ich will damit etwas Dampf aus dem Kesselablassen», erklärt er. Verständlich – aus seiner Optik. Denn vergangenen Dienstagerhielt das Thema rechte Gewalt eine neue Dimension. Die Bundesanwaltschaftvermeldete, sie habe Anfang Mai in den Wohnungen zweier Berner Skinheadsselbst gebastelte Sprengkörper beschlagnahmt, dazu Gewehre, Pistolen,Schlagringe, Munition und rassistisches Propagandamaterial.
Vor diesem Hintergrund hat die öffentliche Empörung vergangene Woche einenvorläufigen Höhepunkt erreicht. Von Zusammenarbeit mit Rechtsextremen will vonder offiziellen Politik denn auch niemand etwas wissen. Zwar will die zuständigeJustizministerin, Ruth Metzler, zu Wüthrichs Vorschlag keine Stellung nehmen.Daniel Eckmann, Sprecher von Bundesrat Kaspar Villiger, kommentiert ihn aberspontan als inakzeptabel: «Es ist unvorstellbar, dass rassistisches Gedankengutbehördlich abgesegnet wird. Und über Gewaltfreiheit muss man in einemdemokratischen Rechtsstaat nicht diskutieren – sie ist eine Grundvoraussetzung.» Ähnlich tönt es bei den Präsidenten der Bundesratsparteien. Für Pierre Aebi (SP)stellt das Angebot die Demokratie in Frage, Ueli Maurer (SVP) taxiert es alsFrechheit, für Adalbert Durrer (CVP) ist es absolut zynisch («Rassismus undGewaltverzicht sind nicht verhandelbar»), und für Franz Steinegger (FDP) «gibt eskeine Vorleistung für Gewaltverzicht». Beim Basler Polizeidirektor Jörg Schild – erpräsidiert die Polizeidirektorenkonferenz – «sträuben sich alle Nackenhaare». Die Politiker werten Wüthrichs Verhandlungsangebot als listigenSchlichtungsversuch und als beängstigenden Beweis für das erstarkteSelbstvertrauen der Rechten. Dieses gipfelte am Donnerstag gar in einemgeharnischten Brief der Nationalen Partei Schweiz (NPS) an die Bundespolizei:Darin bezeichnet die NPS die Einreisesperre gegen den deutschen Neonazi undSchweizer NPD-Verbindungsmann Stephan Göbeke-Teichert als Schande undDiskriminierung und stellt beim Bundesrat den Antrag zur Aufhebung derEinreisesperre.
Entwicklung Richtung Terrorismus von rechts nicht ausgeschlossen
Doch nicht nur die Politik, auch die Bundespolizei mag den Versprechen aufGewaltverzicht nicht richtig glauben: «Rechtsextreme Intellektuellenzirkel, wieWüthrichs Avalon einer ist, suchen zum einen Nachwuchs in der Skinheadszene,zum andern könnten sie interessiert daran sein, einen militanten Background zuhaben – quasi einen bewaffneten Arm.»
Berührungsängste mit rechten Gewalttätern hat Wüthrich in der Tat nicht. Soverteidigt er beispielsweise den Ex-Hammerskinführer Pascal Lobsiger als«verlässlichen Menschen mit aufrechter Haltung». Lobsiger wurde nach demÜberfall in Hochdorf LU 1995 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. BeimRütli-Aufmarsch am 1. August marschierte er an vorderster Front. Laut Bundespolizei stellt sich die militante Rechte zunehmend kritisch gegen Staatund Parteiensystem. Nicht nur Linke, Schwule und Ausländer, auchWirtschaftsführer und Politiker gehören jetzt zu den Gegnern der erstarktenRechten.
So taucht nun auch das Schreckgespenst einer braunen RAF auf. «EineEntwicklung in Richtung Rechtsterrorismus ist nicht auszuschliessen», warnt dieBundespolizei. Unmissverständliche Töne erreichen die Schweizer Skinheadsbereits aus Deutschland: «Man darf einfach nicht vergessen, dass wir im Krieg sindmit dem System», erklärte im Mai eine Gruppe Nationalrevolutionäre Zellen. Und:«Da gehen nun mal einige Bullen und sonstige Feinde drauf.»Bomben für 20 Franken
Die Beschlagnahmung von 20 selbstgebastelten Rahmbläser-Kapsel-Bombendurch die Bundesanwaltschaft bei zwei 22-und 25-jährigen Skinheads in Bern lässtaufhorchen. Bereits hatten die beiden ihreSprengsätze für rund 20 Franken pro Stückin der Szene zum Kauf angeboten. «Mit denSprengsätzen hätten Anschläge verübtwerden sollen. Der Fund dokumentiert eineneue Gefährdungsstufe», sagt Jürg Bühler,Vizechef der Bundespolizei. Szenekennervermuten hinter der Bombenbastlerei einenpersönlichen Racheakt gegen Punks inBern. «Man zündet den Sprengsatz an, wirftihn in ein Haus, und päng! Das kanntödlich sein», sagt ein Skinhead undprophezeit: «Der Krieg ist unaufhaltbar!»