Laut einem Experten gibt es bisher keine programmatischen Aufrufe Rechtsextremer , heute Samstag an den SVP-Umzug nach Bern zu kommen
Auf rechtsextremen Websites gibt es höchstens einzelne Stimmen, die zur Teilnahme am SVP-Umzug aufrufen.
Bernhard Ott
SVP-Grossrat Thomas Fuchs hatte dieser Tage ein Problem. Auf dem Portal der Website «patriot.ch» stand bis vor kurzem ein Aufruf zur Teilnahme am SVP-Umzug von heute Samstag in Bern mit dem Vermerk: «Stopfen wir dem linken Mob die Schnauze.» Auf «patriot.ch» finden sich auch Werbebanner der Nationalratskandidaten Thomas Fuchs und Erich Hess. «Ich habe den Betreibern am Donnerstag gemailt, sie sollen den Aufruf sofort entfernen», sagt Fuchs. Als Mitglied des Organisationskomitees für den heutigen SVP-Umzug könne er schliesslich nicht zu einem friedlichen Umzug durch Bern aufrufen und gleichzeitig in einem solchen Umfeld inserieren. Der inkriminierte Satz mit dem Gewaltaufruf gegen Linke ist vom Portal der Webpage tatsächlich entfernt worden. Die Betreiber haben ihn jedoch einfach ins Forum «gezügelt».
«Emotionale Aufrufe» im Netz
Betreiber der Webpage «patriot.ch» ist der 42-jährige Zürcher Computer-Spezialist Markus Hilfiker, der die Domain unter dem Namen «Tell, Wilhelm, Glattfelden» registriert hat. Hilfiker war gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Die Website will zwar eine Plattform für rechts denkende Jugendliche bieten. Von Aufrufen zur Gewalt haben sich die Betreiber bisher aber zumindest gegen aussen stets distanziert. Der Szenekenner Samuel Althof von der Aktion Kinder des Holocaust warnt denn auch davor, den Gewaltaufrufen auf rechtsextremen Webpages allzu viel Bedeutung zuzumessen. Der Aufruf auf «patriot.ch», den Linken «die Schnauze zu stopfen», ist für Althof kein wirkliches Indiz für organisierte rechte Gewalt am SVP-Umzug von heute Samstag.
«Es handelt sich vermutlich um einen emotional gefärbten Aufruf eines Einzelnen und nicht um einen programmatischen Aufruf», sagt Althof. Für Letzteres bräuchte es genauere Angaben über die Ausrüstung und allenfalls die «Bewaffnung». Auf den Sites von Fussballfans seien ähnlich emotional aufgeputschte Äusserungen zu finden, meint Samuel Althof.
In letzter Minute per SMS
Entgegen einer Pressemeldung von dieser Woche findet Althof auch keine programmatischen Gewaltaufrufe auf anderen einschlägigen Websites, etwa der Hammerskins oder von «Blood and Honour». Erstaunt hierüber ist Althof jedoch nicht. « Rechtsextreme mobilisieren meist in letzter Minute und zwar per SMS.» Eine Mobilisierung per Internet sei heute kaum mehr üblich. Dasselbe gelte tendenziell auch für die Linksextremen. «Auch in der linksextremen Szene organisieren sich Gewalttäter nicht derart offensichtlich», sagt Samuel Althof.
Thomas Fuchs betont, dass er für das Werbebanner auf «patriot.ch» keinen Rappen bezahlt habe. «Die Betreiber haben mein Inserat von sich aus aufgeschaltet und mich danach darauf hingewiesen», sagt Fuchs. Sein Name sei auch nicht auf anderen einschlägigen Websites rechter Gruppierungen zu finden, beteuert Fuchs.
Nationalräte im Ordnungsdienst
Der SVP-Umzug werde wohl trotzdem auch Rechtsextreme anziehen, meint Fuchs als OK-Mitglied. «Die kommen nicht wegen uns, sondern wegen dem Drum und Dran.» Ein Demo-Ordnungsdienst werde versuchen, diese Leute vom Umzug fern zu halten. Im Übrigen hätten sich SVP-Nationalräte bereit erklärt, Unruhestifter «anzusprechen», sagt Thomas Fuchs.
Weniger Leute erwartet
Am SVP-Umzug dürften deutlich weniger als die maximal erwarteten 10000 Anhänger teilnehmen. «Leute vom Land haben aus Bedenken vor möglichen Gewalttaten ihre Teilnahme abgesagt», sagt OK-Mitglied Thomas Fuchs. Laut SVP-Sprecher Roman Jäggi muss es sich hierbei aber um ein «bernisches Phänomen» handeln. «Gesamtschweizerisch läuft die Mobilisation gut.» So hätten sich 63 Autobusse aus allen Landesteilen angemeldet. Zudem werde ein Extrazug mit Sympathisanten aus dem Kanton Aargau erwartet. Jäggi spricht aber nurmehr von 5000 Personen, die im Schlepptau von Fahnenträgern, Trychlern und Geissbock Zottel durch die Altstadt marschieren. An der Gegendemonstration auf dem Münsterplatz werden nebst diversen Hip-Hop-Bands auch die Young Gods für einen «akustisches Konzert» erwartet. Die Genfer Band tritt am Abend zudem in der Reitschule auf. Weniger Freude am Geschehen hat der Berner Handwerkermärit, der üblicherweise bis 16 Uhr auf der Münsterplattform stattfindet. «Um ihre persönliche Sicherheit nicht zu gefährden», räumen die Marktfahrer bereits um 12 Uhr ihre Stände, wie es in einer Mitteilung heisst.