ABSAGE Auf dem Rütli findet keine offizielle Feier statt. Aber weil trotzdem Rechts- und Linksradikale auf die historische Wiese wollen, muss sie gesperrt werden.
Von Daniel Jaggi
Das gab es seit 58 Jahren nicht mehr: Auf dem Rütli wird am 1. August keine offizielle Bundesfeier durchgeführt. Nach den Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen hat die Rütlikommission die Feier vergangene Woche abgesagt. «Die Wiese ist frei für alle», sagte der Urner Sicherheitsdirektor Josef Dittli (50). Doch der Regierungsrat aus Uri nahm seine Zusicherung im gleichen Atemzug wieder zurück. «Sobald Ausschreitungen befürchtet werden müssen», so Dittli, «wird das Rütli für alle gesperrt.»
Rechts- und Linksextreme drängen am Nationalfeiertag aufs Rütli. Daniele Jenni (58) vom antifaschistischen «Bündnis für ein buntes Brunnen» sagt zu SonntagsBlick: «Wir werden dort sein, wo die Rechtsextremen sind.»
Wo die Rechtsradikalen sein werden, ist gar keine Frage: auf dem Rütli! Nach ihrer Aussperrung im letzten Jahr streben sie nun die Rückeroberung der Wiese an. Dittli rechnet mit rund 700 Nationalisten.
Wenn sich linke und rechte Extremisten treffen, knallts
Die Konfrontation, von der Dittli spricht, ist also vorprogrammiert: Wo immer sich Rechts- und Linksradikale zu nahe kommen, knallts. Deshalb werden die Sicherheitskräfte der Innerschweizer Kantone in Alarmbereitschaft stehen müssen. 2006 kostete der Einsatz rund zwei Millionen Franken. Dieses Jahr dürfte er nur unwesentlich kleiner sein.
Mit der Sperrung der Wiese ist auch die Reise der Bundespräsidentin in die Zentralschweiz geplatzt. Dittli: «Für Frau Calmy-Rey würde es sehr schwierig werden, auf das Rütli zu kommen.»
Moritz Leuenberger (60) dagegen hält eine offizielle Rütlifeier noch immer für denkbar. Gestern sagte der Bundesrat zu SonntagsBlick: «Wenn jemand eine 1.-August-Feier auf dem Rütli durchführen will, sollte er das auch können und es sind ihm die nötigen Freiheiten zu garantieren.»
Doch das ist reine Rhetorik: Wenn nicht doch noch ein Wunder geschieht, gehört die berühmteste Wiese der Schweiz am 1. August den Kuhfladen.
Die Rütlifeier: So kam es zum Streit
Der Anfang: 2000 provozieren erstmals Rechtsextreme auf dem Rütli. 2005 wird Bundesrat Samuel Schmid (60, SVP) niedergeschrien. 2006 setzen die Kantone rigorose Sicherheitskontrollen durch. Kosten: 2 Millionen Franken.
Januar 07: Der Kanton Uri, auf dessen Gebiet die Nationalwiese liegt, bewilligt eine von der Rütlikommission organisierte Feier. Dann wollen Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey (61, SP) und Nationalratspräsidentin Christine Egerszegi (58, FDP) ein Familienfest veranstalten.
Februar: Die Urner Regierung gibt auch zur Familienfeier grünes Licht. Doch Schwyz stellt sich quer. Von Brunnen aus sollen keine Schiffe zum Rütli fahren. Das Dorf hat genug von Polizei, Demos und Gewalt.
April: Jetzt bockt auch Uri. Weil Schwyz seinen Hafen schliesst, sollen auch keine Schiffe ab Flüelen fahren.
10. Mai: Krisensitzung der Zentralschweizer Regierungsräte. Luzern stünde als Abfahrtshafen bereit. Bedingung: Der Bund muss sich an den Kosten beteiligen. Es ist von 200 000 Franken die Rede.
16. Mai: Der Bundesrat will kein Geld für die Rütlifeier zahlen. Damit ist auch die Luzerner Lösung gescheitert. Calmy-Rey bleibt dabei: Sie will aufs Rütli.
23. Mai: Bundesrat Christoph Blocher (66, SVP) spricht sich gegen eine zentrale Feier auf dem Rütli aus.
24. Mai: Die Rütlikommission sagt ihre Feier ab. Nun ist die Wiese wieder frei für alle.
Das Ende: Die Finanzierung ist kein Problem mehr. Ein privater Sponsor will die Kosten übernehmen. Und der Luzerner FDP-Nationalrat Otto Ineichen (65) sammelt Tausender-Noten. Doch das Geld findet keinen Abnehmer. Es beginnen gegenseitige Schuldzuweisungen. Der Bund schiebt das Problem an die Rütlikommission ab. Die kritisiert Bund und Kantone. Die Kantone wiederum sind von der Absage des Bundesrats enttäuscht.