Auflösungserscheinungen bei den Schweizer Demokraten
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Die Schweizer Demokraten haben ihren letzten Parlamentssitz verloren, und der enttäuschte Präsident denkt laut über die Auflösung seiner Partei nach. Die SVP hat in den vergangenen Jahren für eine nachhaltige Flurbereinigung am rechten Rand des Parteienspektrums gesorgt. Auf eidgenössischer Ebene übrig geblieben ist einzig die Tessiner Lega.
se. Über vierzig Jahre lang kämpfen die Schweizer Demokraten (SD) schon gegen die «Überfremdung». In jüngerer Zeit traten sie etwa mit ihrem Referendum gegen die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit in Erscheinung, mit dem Kampf gegen eine allfällige Aufhebung der Lex Koller (Grundstückverkauf an Ausländer) oder für die Abschaffung der Antirassismus-Strafnorm. Doch die kleine Splitterpartei ist gegen Christoph Blochers übermächtige SVP chancenlos geblieben; diese hat die zentralen Themen der SD längst medienwirksam vereinnahmt. Und so verloren die SD am vergangenen Sonntag ihren letzten Nationalratssitz, worauf nun der abgewählte Nationalrat und Parteipräsident Bernhard Hess am Radio enttäuscht die Auflösung seiner Partei in Aussicht stellte. Zwar wurden an der Basis sofort Stimmen laut, die eine solche Auflösung dementierten; entscheiden wird die Partei denn auch erst im kommenden Frühjahr. Doch der Trend ist klar: Die rechten Splitterparteien verschwinden von der Bildfläche. Noch 1991 hatten kleine Rechtsparteien insgesamt 15 Nationalratssitze belegt (8 FPS, 5 SD und 2 Lega). Dann aber begann der Aufstieg der SVP mit der erfolgreichen Mobilisierung gegen den EWR. Wenige Jahre später ging die Freiheitspartei faktisch in der SVP auf (namhafte Vertreter wechselten die Partei), und nun verschwinden auch die SD von der nationalen Bühne. Am rechten Rand stellt seit Sonntag nur noch die Tessiner Lega einen Nationalrat, und dieser politisiert in der SVP-Fraktion.
Klassenkampf der nationalistischen Art
Während die SVP mit einer ziemlich kühnen Verschmelzung national-konservativer und wirtschaftsliberaler Programmpunkte einen beispiellosen Erfolg verbuchen konnte, blieben die SD mit ihrer vaterländisch-proletarischen Programmatik auch zu ihren besten Zeiten eine Rand- und Einthemenpartei. An sich sind die SD programmatisch eine Arbeiterpartei, die den Klassenkampf von rechts probt: Während die SVP Staatsabbau, Steuersenkungen und einen deregulierten Arbeitsmarkt fordert, stehen die SD für eine staatliche Kontrolle des Service public ein, für Steuerharmonisierungen zwischen den Kantonen und generell für mehr sozialen Ausgleich. Man dachte in dieser Partei auch immer wieder über eine rechts positionierte «nationale Gewerkschaft» nach, um dem «Lohn- und Sozialdruck» zu begegnen.
Die SD wurden 1961 am damaligen Industriestandort Winterthur als «Nationale Aktion gegen die Überfremdung von Volk und Heimat» (NA) gegründet. 1970 kam die erste Volksinitiative der NA zur Begrenzung des Ausländerbestands zur Abstimmung; sie ging unter dem Namen des damaligen Wortführers und ersten NA-Nationalrats James Schwarzenbach in die Geschichte ein. Die proletarische Rechtspartei forderte damals nicht zuletzt auch die Linke heraus, deren aussenpolitisch offener Kurs Teile der Arbeiterschaft in die Arme der SD trieb. Die «Schwarzenbach-Initiative» vermochte drei Viertel der Stimmbürger an die Urnen zu locken und erzielte den für damalige Verhältnisse sensationellen Ja-Stimmen-Anteil von 46 Prozent.
Innerparteiliche Zerreissproben
Nach dem Erfolg verspürte die damalige NA grossen Zulauf – immer wieder auch von extremistischer Seite. Schwarzenbach selber kehrte seiner eigenen Partei denn auch rasch den Rücken und gründete 1971 mit zunächst guten Wahlergebnissen die «Schweizerische Republikanische Bewegung», die aber noch im Verlauf der 1970er Jahre nach und nach wieder an Boden verlor. Auch die NA kam erst in den 1980er Jahren wieder in Schwung, als die Partei von der aufkommenden Asyldebatte profitierte. Man positionierte sich nun angesichts des aufkommenden Umweltthemas als wachstumskritische und sozialpolitisch engagierte vaterländische Opposition mit ökologischem Anstrich. Anhaltende parteiinterne Streitereien, Ausgrenzungen und schliesslich auch Einbussen bei Regionalwahlen in den Hochburgen Bern, Waadt und Zürich führten 1990 zum Namenswechsel in Schweizer Demokraten. Parteiinterne Schlammschlachten haben das Bild der SD aber bis heute geprägt; Schaden nahm die Partei auch an publik gewordenen Kontakten einzelner Exponenten mit bekannten Rechtsextremen im In- und Ausland.
Im Schatten der SVP
Zu den Erfolgen der NA/SD zählen neben der erwähnten «Schwarzenbach-Initiative» ihr 1984 nur knapp gescheitertes Volksbegehren «gegen den Ausverkauf der Heimat» sowie zwei erfolgreiche Abstimmungskämpfe gegen ein neues Ausländergesetz und gegen die erleichterte Einbürgerung in den Jahren 1982 und 1983. Einen medienwirksamen Sieg verbuchten die SD ferner mit ihrer Initiative «für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag», hier erzielten sie 83,8 Prozent Ja-Stimmen. Bei zahlreichen weiteren Abstimmungskämpfen vorab zu aussen- und ausländerpolitischen Themen vermochten sich die SD aber gerade in jüngerer Zeit kaum noch aus dem Schatten der SVP zu lösen.
Auch auf kantonaler Ebene sind die SD heute nur noch in Bern und Basel-Landschaft mit je einem Parlamentssitz vertreten. Blochers SVP hat nicht nur die Mitte herausgefordert, sondern auch für eine umfassende Flurbereinigung am rechten Rand gesorgt, indem sie die Wählerbasis der kleinen Splitterparteien fast restlos abgesogen hat. Entsprechend sorgsam achtet die SVP auch darauf, dieses rechte Protestpotenzial programmatisch bei Laune zu halten.