Rechtspopulistische Politiker aus der EU orientieren sich an der SVP. Besonders die Minarett- Initiative ist laut dem Berliner Politologen Oliver Geden ein «helvetischer Exportschlager».
Mit Oliver Geden sprach Thomas Knellwolf
Exponenten der Schweizerischen Volkspartei spannen mit Islamgegnern aus der Europäischen Union zusammen: So möchten SVP-Parlamentarier im kommenden Monat, einen Ableger der islamkritischen Bewegung Pax Europa gründen. Der Zürcher SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer plant zudem, am 11. September an einer Demonstration des «Konter-Jihads» in Brüssel eine Rede zu halten. Die Kundgebung wurde aber verboten.
Die verstärkte Vernetzung, die der «Tages-Anzeiger» am Samstag publik machte, nützt gemäss Rechtspopulismus-Forscher Oliver Geden von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik vor allem ausländischen Anti-Islamisten; für die SVP könnte sie schädlich sein.
Herr Geden, übertreiben Sie nicht, wenn Sie die Forderung nach Minarettverboten als «helvetischen Exportschlager» bezeichnen?
Seit die SVP ihre Minarett-Initiative lanciert hat, tauchen ähnliche Forderungen vermehrt auch in anderen Staaten Europas auf. Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) kopierte jüngst in einem parlamentarischen Vorstoss sogar ganze Textstellen von Politikern der SVP. Dies ist umso bemerkenswerter, als die FPÖ lange als führende rechtspopulistische Partei Europas galt und die SVP international kaum wahrgenommen wurde.
Weshalb strecken nun europäische Rechtsparteien die Fühler Richtung Schweiz aus?
Die FPÖ – einst sogar noch ein wenig erfolgreicher als die SVP heute – ist nach ihrem Eintritt in die österreichische Regierung im Jahr 2000 massiv eingebrochen. Ihr Fall schien das normale Schicksal erfolgreicher Rechtspopulisten in Europa. Die SVP stellt hingegen einen europäischen Sonderfall dar: Trotz verstärkter Regierungsverantwortung wird sie voraussichtlich bei den Parlamentswahlen im Herbst erneut gut abschneiden.
Weshalb kupfern ausgerechnet die Österreicher ziemlich stark ab?
Nach dem Regierungseintritt spaltete sich die FPÖ. Die Splitterpartei BZÖ, die von Jörg Haider dominiert wird, blieb in der Regierung, der Rest der FPÖ trat aus und besann sich auf ihre angeblich von Haider verratenen wahren Werte. Die FPÖ versucht nun wieder eine konsequent oppositionelle und scheinbar authentische Linie zu fahren. Vergangenes Jahr warb sie gar mit Christoph Blocher, worauf sich der SVP-Bundesrat distanzierte. Die FPÖ forderte zuletzt sogar eine Umgestaltung des politischen Systems nach Schweizer Vorbild: Erst verlangte sie eine Konkordanzregierung auf Bundesebene, dann vergangene Woche die Einführung von Volksinitiativen.
Den Anti-Islamismus als Thema hat die SVP aber nicht erfunden.
Nein, das Thema findet sich bei vielen ähnlichen Parteien und bei Bürgerinitiativen. So gab es in Deutschland und Frankreich eine vehemente Kopftuchdebatte. Bis etwa vor fünf Jahren nahmen sich in den Bundesrepublik praktisch nur Rechtsextreme des Kopftuchs an, heute sind bereits Regeln für Kopftücher an Schulen in Gesetzesform gegossen. Das Minarettverbot als Forderung hat das Potenzial, die Kopftuchdebatte abzulösen.
Aber weshalb soll die SVP beim Minarettthema plötzlich europaweit führend sein?
Niemand stellte die Minarette bislang so stark in den Mittelpunkt einer politischen Kampagne. Europäische Anti-Islamisten werben mit der SVP. Die Tatsache, dass sich Exponenten einer Regierungspartei des Themas angenommen haben, verspricht weit mehr Legitimation, als wenn eine ähnliche Forderung von rechtsextremen Splittergruppen kommt. Ausserdem ist die Forderung nach einem Minarettverbot weit mehrheitsfähiger als die nach einem Moschee- oder Koranverbot.
Hat eine Anti-Islamismus-Internationale unter einem Label wie Pax Europa eine Chance?
In den vergangenen Jahren wurde der antiislamische Diskurs überall in Europa stärker. Trotzdem bin ich skeptisch, ob es eine solche länderübergreifende Bewegung braucht, damit die Gruppierungen in den jeweiligen Ländern ihre Anliegen besser artikulieren können. Die Geschichte ähnlicher Bemühungen zeigt, dass einzelne Glücksritter immer wieder unter dem Deckmantel der Vernetzung versuchen, die Deutungshoheit über ein Thema zu erlangen. Das scheint auch bei Pax Europa so zu sein. In solchen Fällen zerstreiten sich die Akteure dann sehr schnell. Zweifellos wollen sich einzelne SVP-Akteure verstärkt vernetzen. Doch das Interesse der SVP-Spitze daran dürfte nicht allzu gross sein.
Weshalb?
Getreu ihrem Isolationismus hat die SVP nur spärliche internationale Kontakte. Die Parteispitze ist keinesfalls erpicht darauf, mit der FPÖ oder dem Front national in Verbindung gebracht werden. Die beiden haben in der Schweiz zu Recht einen äusserst schlechten Ruf. Allerdings steht ihnen die SVP in punkto Ausländerfeindlichkeit und Nationalismus in nichts nach. Anders als Exponenten der FPÖ oder des Front national stellt die SVP die liberale Demokratie aber nicht radikal in Frage und neigt auch nicht dazu, den Nationalsozialsozialismus zu verharmlosen. Allerdings grenzt sich die SVP bisweilen nicht ausdrücklich vom rechtsextremen Milieu ab.
Wo findet diese Abgrenzung denn nicht statt?
Im Falle von Ulrich Schlüers Auftritt bei der rechtsextremen Burschenschaft Danubia in München scheint es weder Schlüer noch die SVP zu kümmern, wie die Leute, bei denen Schlüer auftritt, beleumundet sind. Schlüer hielt auch schon einen Vortrag bei der FPÖ-Parteiakadamie – und dies zu einem Zeitpunkt, als sie von einem fanatischen Deutschnationalen, von Ewald Stadler, geführt wurde. Einzelne SVP-Exponenten fühlen sich vermutlich geschmeichelt, wenn solche Anfragen aus dem Ausland kommen.