Trotz einer Strafverfolgung bleibt Jonas G. seinen neonazistischen Kameraden treu
Von Hans Stutz
BERN/LUZERN · Am Morgen des 4. Novembers vergangenen Jahres erhielt der damals 22-jährige Oberleutnant Jonas G. unerwarteten Besuch. Die Luzerner Kantonspolizei beschlagnahmte bei ihm Propagandamaterial, eine verbotene Stahlrute, einen Tränengasspray und einen Nebelkörper der Armee, nebst mehreren Hundert Schuss Munition. Die Nebelgranate habe er, so gestand er später während der Untersuchungshaft, «in der Offiziersschule mitlaufen lassen».
Rund 25 Neonazis griffen die antifaschistische Demo an
Jonas G. war nicht der Einzige, der sich einer polizeilichen Aktion ausgesetzt sah. Bei insgesamt sechzehn Rechtsextremisten aus den Kantonen Luzern, Bern und Aargau kamen in jenen Tagen Ermittler vorbei, unter anderem beschlagnahmten diese auch jenes Foto, das Oberleutnant Jonas G. zusammen mit zwei Gesinnungskameraden beim Hitlergruss zeigt.
Die Beamten ermittelten gegen die Täter eines rechtsextremistischen Angriffs auf Teilnehmer einer antifaschistischen Kundgebung von Ende Oktober 2004 in Willisau LU. Rund 25 Rechtsextremisten hatten am 30. Oktober unter den Augen der Polizei die eintreffenden Teilnehmer einer bewilligten antifaschistischen Demonstration angegriffen.
In den darauf folgenden Tagen ermittelte die Luzerner Kantonspolizei gegen insgesamt 18 Täter. Sie informierte die Öffentlichkeit erst Ende Januar über ihren Fahndungserfolg. Die Täter würden – gemäss der Medienmitteilung – zumeist der Helvetischen Jugend angehören, einer Organisation im Umfeld der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos).
Sie hätten die Demonstration angegriffen, berichtete der Rechtsextremist im Verhör, weil «die Linken überall demonstrieren» könnten, sie jedoch nicht. In den Polizeiverhören gab Jonas G. über seine politischen Verbindungen nur ausweichend Auskunft. Er bequemte sich nur zur Antwort, dass er «den einen oder anderen» aus der deutschen und Schweizer Szene kenne. Und die vielen einschlägigen Schriften habe er auch nur, weil ihn «das interessiert».
Unbestritten ist: Jonas G. blieb dem neonazistischen Milieu treu. Er treffe sich weiterhin, erklärte er Anfang Juni 2005, «mit Kollegen aus rechtsradikalen Kreisen». Aber er sei bei «keiner solchen Vereinigung Mitglied». Mitglied ist G. hingegen sowohl beim örtlichen Schiessverein als auch beim Turnverein.
In den letzten Jahren war G. vor allem Rekrut, Soldat, Korporal, Leutnant und zuletzt Oberleutnant. Warum merken Armeeausbilder nichts von den rechtsextremen Ansichten von Untergebenen, obwohl sie längere Zeit mit diesen Militärdienst leisten?
Rechtsextreme seien, so VBS-Sprecher Felix Endrich, vielfach «grosse Patrioten, die mit grosser Motivation Militärdienst leisten». Diese würden sich daher «sehr zurückhalten, damit sie nicht auffallen». Im Klartext: «Sie hocken aufs Maul.» Jonas G. selbst wollte gegenüber der SonntagsZeitung nicht Stellung nehmen.
Rechtsextremisten reagieren mit anonymem Flugblatt
In den vergangenen Monaten hat der Willisauer Amtsstatthalter Franz Kurmann Jonas G. und zehn weitere Angreifer wegen Landfriedensbruch zu bedingten Gefängnisstrafen von ein bis zwei Monaten und zu einer Geldbusse von mehreren Hundert Franken verurteilt.
Auf diese Verurteilungen haben die Rechtsextremisten mit einem nicht unterzeichneten Flugblatt reagiert, in dem sie den Amtsstatthalter als «Inquisitor vom Amt Willisau» bezeichnen. Und dem SonntagZeitungs-Journalisten drohten sie, dieser werde sich noch wundern, denn eines Tages würden sie «sein grösster Alptraum» sein. Sie seien es leid, so die Flugblattverfasser, immer als «dumme Gewalttäter dargestellt zu werden».
Und sie kündigten an, dass im kommenden Jahr «einige Exponenten der nationalen Bewegung im Kanton Luzern» an die Öffentlichkeit treten würden. Sie würden «in die Politik eingreifen und die Lügner und Volksverhetzer beim Namen nennen».
Posieren mit dem Hitlergruss: Jonas G. (rechts) mit zwei seiner Gesinnungsgenossen
Nazi-musik in Brig
Im Crazy Palace in Brig trafen sich gestern 400 Neonazis zu einem Gedenkkonzert für ihr Idol Jan Stuart. Stuart gründete die rechtsextreme Band Screwdriver. Er verunglückte 1994. Angekündigt hatte das Konzert eine Schweizer Sektion von Blood and Honour. Unter anderen spielte die Zürcher Band Amok.