Langenthal Gesprächsrunde zum Rechtsextremismus im Oberaargau. Die Gesprächsrunde zum Rechtsextremismus im Oberaargau ergab keinegriffige Lösung zum Problem, wie man sich gegen Angriffe Neonazis schützen kann. Sichtbar wurde vielmehreine gewisse Ohnmacht der Gesellschaft – und deren teilweise Mitschuld.
Gérard Bornet
Für die rund 70 Personen, welche dieGesprächsrunde zum Rechtsextremismus im Oberaargau besuchten, hatte es im Kleintheater Mühle zu wenigSitzplätze. Als Reaktion auf die Vorfälle vom 20./21. Septembersollte die Problematik rechtsextremer Gruppierungendiskutiert und gemeinsame Lösungansätze erarbeitet werden. Dazu versammelten sich zu einem Podiumsgespräch unter der Leitung von Pascal Dietrich auf dereinen Seite Serge Wüthrich vom Verein Lakuz und Nik Heyder der ehemaligen Villa Gugelmann, dem Vorläufer Lakuz. Auf der anderen Seite sprach mit WernerMeyer der Langenthaler Gemeinderat, der für dieöffentliche Sicherheit des Ortes zuständig ist und HansStutz, ein bekannter Beobachter der rechtsextremistischenSzene. Seit 1989 versucht er, allerechtsextremistischen Vorfälle zu dokumentieren.
In der anschliessenden Fragerunde mit Publikumsbeteiligung ging es aber plötzlichnicht mehr um die Gewalt von rechts, sondern auch um die links. Für den Themawechsel sorgte eine Gruppe rund acht Jugendlichen, die aufgrund ihresHaarschnittes und ihres Verhaltens während der Diskussion der Nazi-Skin-Szene zugeordnet werden können. Vonihrem Wortführer wurde gleich am Anfang die Fragegestellt, weshalb bisher niemand davon gesprochen habe,dass dem «Saubannerzug» vom 20./21. September, bei das Lakuz verwüstet worden ist, eineProvokation der Linken voraus gegangen sei. Nach dem ersten Scharmützel beim Lakuz hätte einer der Ihrenins Spital gebracht werden müssen. Dies sei dereigentliche Grund für die spätere Eskalation gewesen.Gesprächsleiter Pascal Dietrich musste die darauf folgendenwilden Wortmeldungen unterbinden, damit das Ganzenicht in eine Redeschlacht ausartete. Trotzdemerschöpfte sich der Rest der Publikumsdiskussion ingegenseitigen Schuldzuweisungen.
«Am besten immer Anzeige machen»
Der Verlauf der Publikumsdiskussionillustrierte ein Problem, welches zuvor auf dem Podiumthematisiert worden war. Trotz der vielen Vorfälle mit Rechtsextremen, von denen zu hören ist, gibt es praktisch keine Anzeigen. Serge Wüthrich selberweiss nur von einer einzigen (vor dem 20./21.September), und die betrifft eine Sachbeschädigung. EinGrund liege darin, sagte er, dass den Leuten auf demPolizeiposten erklärt werde, wenn sie eine Anzeigeeinreichten, müssten sie mit einer Gegenanzeige rechnen.Dadurch entstehe das Gefühl, man werde von der Polizei abgewimmelt. Dies auch, wenn die Polizeierkläre, die vorliegenden Fakten reichten nicht aus für eineAnzeige wegen Körperverletzung – ohne gleichzeitigdarauf hinzuweisen, dass auch eine Anzeige wegen Tätlichkeiten möglich wäre. Werner Meyer bestritt vehement, dass dies auseiner gewissen Sympathie mit der rechten Szenegeschehe – «dafür hätte ich kein Verständnis» – underhielt dabei Unterstützung von Hans Stutz: «Das gab esfrüher, hat sich aber heute geändert». Meyer gab den Rat, prinzipiell bei allen Vorfällen eine Anzeige zumachen, verschwieg aber die Schwierigkeiten nicht. Sosei das Problem bei einer Anzeige gegen Unbekannt oft,dass das Signalement nicht für eine richterlicheVerurteilung genügt. Und mit der Bemerkung: «Die Polizeikann nicht jeder eingeschlagenen Scheibe mit einer Fahndungsgruppe nachgehen», kam Meyer darauf zu sprechen, dass auch sie mit dem «Problem der beschränkten Mittel» kämpft.
«Klammheimliche Unterstützung»
Die Polizei kommt deshalb meistens zu spät,weil die Übergriffe der Rechtsextremen in der Regel nurMinuten dauern, ist eine weitere Erkenntnis aus dem Podiumsgespräch. Bleibt also die Prävention,womit die Öffentlichkeit angesprochen ist. «Rechtsextreme sagen, wir machen das, was die Öffentlichkeit bloss denkt, wir aber getrauenuns, zu handeln», erklärte Hans Stutz und folgertedaraus: «Es darf keine klammheimliche Unterstützung in der Gesellschaft geben». Als eine solche gilt derberüchtigte Leserbrief des Langenthaler SVP-Stadtrates BeatSterchi (siehe Ergänzungstext links), der auf dasselbeabzielt wie die Angriffe der Rechtsextremen: «Weg mit Lakuz».
Vom Recht auf Sicherheit
Leserbrief Ein Langenthaler Stadtrat zum Lakuz Unter dem Titel «Autonomes Lakuz: wie langenoch?» hatte sich am 17. Juli dieses Jahres derLangenthaler SVP-Stadtrat Beat Sterchi in einem seither ofterwähnten Leserbrief zu Wort gemeldet. Nachstehend einAuszug der für das Podiumsgespräch massgebendenPassagen: «Das Langenthaler Autonome Kultur- und Begegnungszentrum (Lakuz) steht seit längererZeit in der Kritik. … Es ist an der Zeit, dass sich Langenthaler Gemeinderat die Frage stellt, ob Experiment Lakuz in der gemeindeeigenenLiegenschaft an der Farbgasse nicht abgebrochen werdensollte. … Es kann nicht Aufgabe der Stadt Langenthal sein, unentgeltlich Raum zur Verfügung zu stellen,damit Extremisten aller Art sich gegenseitig dieKöpfe einschlagen. … Der Bürger und Steuerzahler Langenthal hat ein Recht darauf, dass er sich Stadtzentrum sicher bewegen kann. Deshalb istdie Zeit gekommen, das Experiment Lakuz an der Farbgasse abzubrechen, bevor sich neue Zwischenfälleereignen.»