Rütli-Feier abgesoffen

Blick

Rennst im Wolkenbruch davon!

Von Werner Bucher (Text) und Stefan Bohrer (Fotos)

Für die verregneten Besucher der Nationalfeier auf dem Rütli hätte Petrus den Schweizerpsalm umschreiben dürfen.

So hat sich Annemarie Hotz-Huber ihre erste Bundesfeier auf dem Rütli nicht vorgestellt: Als die Ex-Bundeskanzlerin die Nationalhymne «Trittst im Morgenrot daher …» anstimmen will, rennen die meisten der 700 Besucher davon. Vertrieben von einem Wolkenbruch mit 30 Litern Regen pro Quadratmeter.

Kaum hat die Feier auf dem Rütli angefangen, ist sie auch schon wieder vorbei. Nach nur einer halben Stunde.

Pflotschnass werden die ersten 512 Flüchtlinge mit dem Motorschiff Schwyz in voller Fahrt vom Rütli nach Brunnen evakuiert.

Dabei hat sich die neue Präsidentin der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG), welche die Rütli-Feier organisiert, so auf den Anlass gefreut. Annemarie Huber-Hotz: «Wir haben sie bewusst im traditionellen-bescheidenen Rahmen gehalten.»

Im Gegensatz zu den Vorjahren, wo Bundesräte bis zu 2000 Besucher aufs Rütli lockten, wurden diesmal nur 800 persönliche Eintrittskarten ausgegeben. Damit und durch starke Polizeipräsenz wurde verhindert, dass Rechtsextreme die Feier für ihre Zwecke missbrauchten. Zwei Dutzend junge Männer, die der rechtsextremen Szene zugeordnet werden, wurden in Brunnen und auf dem Seelisberg von der Polizei weggewiesen.

Erstmals waren auch zahlreiche Angestellte von Botschaften zur Bundesfeier eingeladen. So freute sich Mario Fridegotto, erster Sekretär der italienischen Botschaft in der Schweiz, auf den Anlass: «Ich kenne die Geschichte von Wilhelm Tell und auch die Bedeutung der Rütliwiese, die ein Symbol der Einigkeit darstellt.»

Das war noch vor dem grossen Regen. Als er dann völlig durchnässt zum Schiff eilte, hielt sich seine Freude in Grenzen.

Von den aufziehenden dunklen Wolken hatte sich Annemarie Huber-Hotz bei ihrer Begrüssung nicht einschüchtern lassen: «Ich habe kräftig geblasen, in alle Windrichtungen, um die Wolken zu vertreiben.»

Genützt hats nichts. Und von den vier Elementen, die der Urner Sicherheitsdirektor in seiner Ansprache aufgriff, als es noch trocken war, meldete sich das Wasser sofort – in Form eines Sturzbaches vom Himmel.

Ein urchiger Urner glaubt zu wissen, wer den plötzlichen Wolkenbruch ausgelöst hat: die Gruppe von Perkussionisten mit ihrem «modernen Seich». So was gehöre doch nicht aufs Rütli am 1. August. Er habe sich auf die folkloristischen Darbietungen gefreut.