Seit gestern muss sich der Gründer der «Nationalen Partei Schweiz» erneut vor Gericht verantworten – u.a. weil er im Februar 2000 einen Schuss abgegeben hatte
Heidi Gmür
Offiziell darf man diesen jungen Mann, der vor Gericht ständig mit den Augen zuckt und die Füsse kaum ruhig halten kann, einen Rechtsextremen nennen. Das hat vor gut einem Monat ein Zürcher Gericht entschieden und einen Journalisten freigesprochen. Als Rechtsextremer gross in die nationalen Schlagzeilen hatte es der 28-jährige Mann vor vier Jahren geschafft. Damals gründete er die «Nationale Partei Schweiz» (NPS). «Völlig aufgeblasen» hätten das die Medien, sagt er heute, «das war doch nur eine Zwei- bis Drei-Personen-Partei». Dass er damals selber gerne von 60 Mitgliedern gesprochen hatte, davon kein Wort. Dafür gibt er sich einsichtig und sagt: «Wie ich bis vor drei Jahren herumlief, dass ich ganz verkehrt dachte, das musste zu Problemen mit der Gesellschaft führen.» Dass er damals auch aggressiv gewesen sei, das wiederum verneint er und erklärt: «Ich habe wegen den Angstzuständen auf eine Weise reagiert, wie es für mich heute auch unverständlich ist.»
Kein Wort auch davon, dass man im Internet noch heute die einstige NPS-Zeitschrift, das «Nationale Blatt», über die Postfach-Adresse des Angeschuldigten bestellen kann. Vor Gericht betont er vielmehr: «Wenn ich mich auf meinen steinigen Weg konzentrieren will, dann habe ich gar keine Zeit für so einen ,Seich?.»
Auf den richtigen Weg gebracht haben soll ihn dabei jener Vorfall, der sich am 17. Februar 2002 in der Berner Aarbergergasse vor einem Nachtlokal ereignet hatte – und den unter anderem wegen Betrugs bereits vorbestraften NPS-Präsidenten nun neuerlich vor Gericht gebracht hat. Es war ein Sonntag und kurz vor 19 Uhr, als sich der Angeschuldigte und ein flüchtiger Bekannter in die Haare gerieten. Man warf sich wüste Dinge an den Kopf, wie der Bekannte (Tätigkeit: Türsteher, Boxklasse: Superschwergewicht) einräumt. Der Angeschuldigte, er fühlte sich bedroht, zückte eine illegal erstandene amerikanische Armee-Pistole, Sonderausführung «Gulf Victory Series Desert Storm Storm» – und gab einen Schuss ab. Das Projektil blieb laut Überweisungsbeschluss zirka 1.5 Meter neben dem Bekannten und einen Meter neben dessen Kollegen im Laubenbogen stecken.
Gefährdung des Lebens lautet diesmal die Anklage. Aber auch falsche Anschuldigung, weil er am 20. September 2002 aus der psychiatrischen Klinik dem Leiter der Staatsschutzabteilung der Stadtpolizei ein SMS geschrieben hatte: «Köniz, Hilfe, ich wurde entführt. Bin in einem Keller. Sie wollen mich umbringen. Es ist ein Türke (. . .)» und dabei einen Namen nannte.
Tics, Persönlichkeitsstörungen
«Das Schlimmste», sagt der Angeschuldigte, wäre ein Unterbruch der Therapie, die er vor einem Jahr begonnen hat und der Arbeit, die er derzeit an einem geschützten Arbeitsplatz leistet. Auch das soziale Umfeld habe er geändert, beteuert er. Und er lebt seit zwei Jahren mit seiner Freundin zusammen.
«Recht positiv» wertet dies der psychiatrische Experte – bloss bedeute das nicht, dass diese Entwicklung auch beständig sein werde. Er betont, dass der Angeschuldigte «auf viele Jahre hin auf Medikamente und Therapie angewiesen sein wird». Er verweist dabei auch auf den Umstand, dass der 28-Jährige bereits seit 25 Jahren psychatrisch behandelt wird. Dabei leidet der Angeschuldigte nicht nur am Gille-de-la-Tourette-Syndrom (Tics). Unabhängig davon hat der Gutachter «schwere Persönlichkeitsstörungen» diagnostiziert. Er betont, dass der Angeschuldigte im normalen Strafvollzug «völlig unter die Räder käme», will dem Gericht aber den Entscheid nicht abnehmen, ob der Strafvollzug sinnvollerweise zugunsten einer ambulanten Massnahme aufgeschoben werden sollte. Die Erfolgsaussichten der Massnahme seien so oder so unsicher.