Zum ersten Mal wurde der Führungsstab des Bevölkerungsschutzes unter der Leitung von Hanspeter Strickler aktiv. Der glimpflich abgelaufene «Ernstfall» zeigte die Stärken des Konzepts auf.
Herr Strickler, vor ein paar Tagen fand in Amriswil ein Treffen der Skinhead-Szene statt. Wann haben Sie davon erfahren, dass ein solches Treffen geplant ist?
Hanspeter Strickler: Am Samstagmittag gegen 12 Uhr wurde Gemeindeammann Peter Kummer durch die Kantonspolizei darüber informiert, dass es Hinweise für ein geplantes rechtsradikales Treffen in Amriswil gebe. Beim angeblichen Rock-Konzert in der Festhütte handle es sich offenbar effektiv um ein Skin-Treffen. Peter Kummer bat mich als Chef des Ressorts Sicherheit deshalb, dieser Information weiter nachzugehen und ihn auf dem Laufenden zu halten. Wenn nötig, solle der Führungsstab des Bevölkerungsschutzes aufgeboten werden.
Wieso hat die Information der Polizei dann dazu geführt, solche Massnahmen zu treffen?
Strickler: Dies aufgrund einer Zusatzinformation der Polizei, wonach nicht nur ein Treffen der einheimischen Skin-Szene geplant sei. Vielmehr sei in Deutschland eine Skin-Veranstaltung abgesagt worden und die dortigen Vertreter der Szene seien von den Oberthurgauern eingeladen worden. Wir wissen, dass die deutschen Skins vielfach eine bedeutende Gewaltbereitschaft aufweisen, während die Zusammenkünfte der Ostschweizer Skins nach Angaben der Polizei in aller Regel friedlich verlaufen.
Ab wann stand dann fest, dass tatsächlich der Bevölkerungsschutz aktiv werden muss?
Strickler: Bei meinen Gesprächen mit der Polizei lagen um etwa 14 Uhr zuverlässige Angaben vor. Wir wussten, dass nicht nur Skins aus der ganzen Schweiz, sondern auch aus Deutschland und eventuell auch aus anderen Ländern erwartet wurden. Zu jenem Zeitpunkt ging die Polizei davon aus, dass es sich um eines der grössten Skin-Treffen handeln könnte, das jemals in der Ostschweiz durchgeführt wurde. So habe ich in der Folge den Führungsstab des Bevölkerungsschutzes orientiert und mit der Kantonspolizei ein Koordinationstreffen im Gemeindehaus vereinbart.
Wer entschied bei diesem Treffen, wie nun vorgegangen wird?
Strickler: Die Kantonspolizei legte ein Sicherheitsdispositiv fest und zeigte auf, dass von ihrer Seite her namhafte Kräfte zur Verfügung gestellt werden könnten. Von Seiten des Bevölkerungsschutzes konnten dann die von der Kantonspolizei angeforderten Massnahmen, wie Strassensperren und das Umleiten von Verkehr, umgesetzt werden. Dadurch, dass der Verkehr an drei Knotenpunkte geleitet wurde, war die Polizei in der Lage, einen Grossteil der vermutlichen Besucher des Anlasses zu kontrollieren.
Und welche weiteren Aufgaben wurden dem Bevölkerungsschutz zugewiesen?
Strickler: Wir haben beschlossen, die Saalwache zu verstärken und die Feuerwehr vor der Festhütte vermehrt patrouillieren zu lassen. Zudem haben wir von unserer Seite her den Statthalter aufgeboten. Mit der Polizei wurden die möglichen Szenarien der Zusammenarbeit festgelegt. Es wurde dabei auch geklärt, welche zusätzlichen Aufgaben vom Bevölkerungsschutz zu übernehmen wären, wenn es in der Festhütte und Umgebung zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen wäre und damit eine konzentrierte Polizeipräsenz vor Ort nötig gewesen wäre. Klar war aber immer, dass die gesamte Personenkontrolle in den Hän-den der Polizei bleiben würde. Ebenso musste die Medienbetreuung geregelt und zwischen Polizei und Bevölkerungsschutz aufgeteilt werden.
Ab wann waren die Sicherheitskräfte bereit?
Strickler: Um 17 Uhr kam es zur Besammlung des Polizeicorps vor dem Gemeindehaus. Damit wurde auch gleich signalisiert, dass grössere Kräfte im Einsatz stehen, um die Situation unter Kontrolle zu behalten.
Wann rückten die ersten Skins an und ab wann stand der Bevölke-rungsschutz im Einsatz?
Strickler: Gegen 19 Uhr trafen vermehrt Besucher mit Autos und Kleinbussen ein. Der Führungsstab des Bevölkerungsschutzes war seinerseites seit 16.30 Uhr auf Pikett und traf sich zu regelmässigen Lagebesprechungen mit den Einsatzleitern der Kantonspolizei. Dies übrigens bis morgens um etwa 2 Uhr, als alles weit gehend vorbei war.
Es war der erste «Ernstfall», den der Amriswiler Bevölkerungsschutz erlebte. Hat sich dessen Konzept bewährt?
Strickler: Es hat sich sehr wohl gezeigt, dass das Konzept gut durchdacht ist. Die bewusst gewählte Aufgabenteilung von Gemeindeammann und Führungsstab konnte sich gleich bewähren. Peter Kummer war an diesem Tag sehr eingespannt in verschiedene wichtige, offizielle Verpflichtungen. Er konnte diese wahrnehmen, war aber gleich-zeitig immer über die Situation in Amriswil auf dem Laufenden. Es ist ja Sinn des Konzeptes, dass der Gemeindeammann seine Aufgaben weiter betreuen kann. Dann hat sich aber auch gezeigt, dass es in kürzester Zeit möglich war, die verantwortlichen Leute zusammenzubringen, um notfalls weitere Kräfte mobilisieren zu können. Wir konnten der Polizei die gesamte Infrastruktur des Bevölkerungsschutzes sofort an-bieten.
Das Konzept muss also nicht geändert werden?
Strickler: Das ,was wir auf Papier vorliegen haben – und was übrigens auch von Seiten des Kantons schon beübt worden ist -, hat sich nun auch im Ernstfall bewährt.
Die Veranstaltung wurde ja nur aufgrund falscher Angaben bei der Festhüttenbuchung möglich. Werden hier Konsequenzen gezogen?
Strickler: Ich werde dem Gemeinderat beantragen, die Gesuchsformulare und Verträge anzupassen beziehungsweise zu verfeinern, vor allem dort, wo es um die Angabe zum Zweck der Miete geht. Weiter werde ich eine Klausel beantragen, dass bei wahrheitswidrigen Angaben der Vertrag per sofort aufgelöst werden kann.
Also auch in einem solchen Fall?
Strickler: Eine Auflösung wäre in diesem Fall sicher nicht das Richtige gewesen. Das hätte die Gewaltbereitschaft auf jeden Fall erhöht. Wahrscheinlicher wäre hier eine kurzfristige Sperrung weit schlimmer gewesen als das kontrollierte Durchführen der Veranstaltung.
Hat das Ganze Folgen für den Amriswiler, der die Festhütte unter Vorspiegelung falscher Tatsachen gemietet hat?
Strickler: Nein, konkrete zivil- oder strafrechtliche Folgen sehe ich zurzeit (noch) nicht. Sicher wird sich aber der Gemeinderat Gedanken darüber machen müssen, welche geeigneten Massnahmen gegen Bürger eingeleitet werden sollen, die wissentlich unsere Stadt mit Falschangaben einer möglichen Gefährdung aussetzen. Da nichts passiert ist, gibt es aber keine weiteren Folgen. Wenn es aber zu Schadenereignissen gekommen wäre, hätte die Situation anders ausgesehen – der Mieter hat uns schon bei der Gesuchseinreichung ganz klar angelogen beziehungsweise mit irreführenden Teilinfos bedient – und man hätte dann prüfen müssen, wieweit man ihn haftbar machen kann.
Hätte der Mieter die Festhütte auch bekommen, wenn er die Wahrheit gesagt hätte?
Strickler: Nein. Wir haben als Behörde die Verpflichtung, jegliche Gefährdung der Bevölkerung zu vermeiden. Und hier war die Gefahr durch die auswärtigen Besucher gegeben. Ganz schlimm hätte es werden können, wenn die linksextremen Kreise vom Treffen gewusst hät-ten und ebenfalls nach Amriswil gekommen wären. Also, wenn die Gefahr besteht, dass es zu Gewalt kommt, wird kein Vertrag abgeschlossen.