«Erhebliche Zweifel an der Darstellung»
Im Burgdorfer Gewaltfall um Familie Brünisholz bestreitet Untersuchungsrichter rechtsradikale Motivation, Familie kritisiert Polizei
Kein rechtsextremes Motiv, sondern eine Rauferei aufgrund einer persönlichen Fehde. So lautet verkürzt das Fazit von Untersuchungsrichter Hansjürg Brodbeck zum Burgdorfer Fall Brünisholz. Zur Erinnerung: In der Nacht auf den 22. April sind der Musiker Erwin Brünisholz, seine spanischstämmige Frau und sein Sohn Emanuel in der Schmiedengasse Opfer von Schlägern geworden. Laut Familie handelte es sich um Neonazis. Eine Woche später demonstrierten rund 500 Leute gegen Rassismus, die Gemeinde erhöhte die Polizeipräsenz und reaktivierte die Aktion Courage.
Gerade aber das rechtsextreme Motiv wird nun vom Untersuchungsrichter in Frage gestellt, zumindest äusserte er «erhebliche Zweifel an der bisherigen Darstellung». Mit ein Grund, weshalb gestern öffentlich über die Ermittlungsergebnisse informiert wurde.
Tätlichkeiten werden bestritten
Laut Brodbeck ereignete sich der Vorfall folgendermassen: Es gab vor der Auseinandersetzung bereits Differenzen zwischen dem 32-jährigen Emanuel Brünisholz, dem 21-jährigen X. und dem 17-jährigen Y. Die tätliche Auseinandersetzung sei sodann ein «spontanes Ereignis» gewesen. Nachdem X. seinen Arbeitskollegen Y. sowie eine Drittperson (diese sei aber am Ganzen nicht beteiligt gewesen) zur Verstärkung holte, seien vermutlich die ersten Schläge von X. oder Y. ausgegangen. Allerdings werden allen Beteiligten, also sowohl X. und Y. als auch Emanuel Brünisholz, dessen Vater, dessen Mutter und einem Kollegen von Brünisholz, Tätlichkeiten vorgeworfen, die sie teilweise anerkennen, teilweise aber bestreiten. Die Mutter erlitt Quetschungen im Gesicht, Emanuel Brünisholz wurde ebenfalls im Gesicht verletzt. Y. erhielt Prellungen im Bereich der linken Lende sowie an der rechten Hand.Zur Frage, ob es sich um eine politisch motivierte Auseinandersetzung handelte, hielt Brodbeck fest: Die Ermittlungen hätten ergeben, dass Brünisholz von den Bezeichnungen «Rechtsextremer» und «Neonazi», mit denen er bisher Y. titulierte, «zuweilen leichtfertig Gebrauch gemacht» habe. Bei X. bestünden Anhaltspunkte, dass er dem rechtsnationalen Gedankengut nahe stehe (Gurtschnalle mit Wehrmachtszeichen, Besitz einer CD der rechtsradikalen Gruppe Indiziert). Hinweise für eine Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Organisation lägen aber keine vor, so Brodbeck. Y. wiederum trete nicht wie ein Skinhead auf und in seiner Wohnung seien keine Hinweise auf die rechtsextreme Szene gefunden worden. Beide hätten gesagt, dass sie weder Rechtsextreme noch Nazis seien. Schliesslich konnte die Darstellung von Brünisholz, wonach eine Gruppe Neonazis dabei gewesen sei, nicht bestätigt werden, so der Untersuchungsrichter. Als Zusammenfassung zitierte er eine Aussage von Vater Erwin Brünisholz: Die Auseinandersetzung «hat ganz sicher nichts mit links und rechts zu tun. Es ist eindeutig so, dass die Vorgeschichte zwischen X. und meinem Sohn der Ursprung ist.»
Anwalt wirft Verfahrensfehler vor
Die Konsequenzen: Das Verfahren gegen Y. wird vom Jugendgericht weitergeführt. Alle anderen, auch die bisher als Opfer beurteilten, werden wegen Raufhandels und weiteren Delikten wie Körperverletzung an das zuständige Einzelgericht überwiesen. Diese Instanzen werden endgültig urteilen.Daniel Kettiger, Anwalt der Familie Brünisholz, bezeichnete die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens in einer Stellungnahme als unbefriedigend. Es seien erhebliche Verfahrensfehler gemacht worden. Es bleibe der Eindruck, dass die Polizei den Fokus darauf legte, dem Vorfall den rechtsradikalen Hintergrund zu nehmen. Auch wenn die Schlägerei tatsächlich eine sehr persönliche Komponente aufweise, so ereignete sich diese in einem rechtsextremen Umfeld. Denn die mit Emanuel Brünisholz bekannte Frau, für die sich Brünisholz im Januar 2006 gegen X. eingesetzt habe, kämpfte darum, dass ihre Freundin nicht in die rechtsextreme Szene hineingezogen werde. Dies aber sei den Rechtsextremen ein Dorn im Auge gewesen. Kettigers Stellungnahme wiederum provozierte eine Stellungnahme der Kantonspolizei, die klar gestellt haben will, dass die Ermittlungen «absolut seriös, umfassend und unvoreingenommen geführt» worden seien.