Punks und Skins sassen im gleichen Saal

Der Bund

MÜNCHENBUCHSEE / Zum ersten Mal hat Münchenbuchsee seine Probleme mit Skinheads öffentlich diskutiert. Der Grossandrang beim Vortrag von Rechtsextremismus-Spezialist Hans Stutz zeigt, wie verunsichert die Bevölkerung ist. Zahlreiche Punks wie auch eine Gruppe Skinheads sorgten für eine spannungsgeladene Stimmung.

* ISABEL DREWS

Im Kirchgemeindehaus Münchenbuchsee kam es vorgestern Abend zu einem Grossaufmarsch: Bereits eine halbe Stunde vor Beginn der Veranstaltung waren alle Stühle besetzt. Im Saal sah es aus wie früher in der Kirche: Rechts sass eine etwa 15-köpfige Gruppe Skinheads, darunter auch einige Frauen, mit Springerstiefeln und Glatzen. Bei ihnen hatten sich auch einige führende Köpfe der Schweizer Rechtsextremismus-Szene niedergelassen, wie der unauffällig aussehende Roger Wüthrich aus Worblaufen, Kopf der Gruppe «Avalon», oder Ahmed Huber, ebenfalls «Avalon»-Mitglied.

Auf der linken Seite des Zwischengangs versammelte sich eine etwa doppelt so grosse Gruppe jugendliche Punks, alle gekleidet wie aus den tiefsten 80er-Jahren: Ratte auf der Schulter, rote Haare, halb vermummt im schwarzen Kapuzenshirt und PLO-Tuch. Neben diesen beiden rivalisierenden Gruppen war auch eine grosse Zahl «normaler» Leute – direkt Betroffene wie Lehrer, Eltern und die Behörden – ins Buchser Kirchgemeindehaus gekommen, um zu hören, was Hans Stutz, der die rechtsextreme Szene seit Jahren beobachtet, zum Skinhead-Problem in der Region Münchenbuchsee zu sagen hatte: Ebenfalls im Saal verteilt hatten sich in Zivil die drei für Buchsi zuständigen Kantonspolizisten. Obwohl die Trennwand, die den Saal normalerweise unterteilt, längst zurückgeschoben war, schien der Saal aus den Nähten zu platzen: Rund 250 Leute waren versammelt – mit höchstens 60 hatten die Veranstalter gerechnet, wie Jugendarbeiter Dan Diggelmann auf Anfrage erklärte.

Buhrufe und Klatschen

Eine gespannte Stille herrschte im Saal, als Referent Hans Stutz den Hellraumprojektor einschaltete. Erst seit dem Grossaufmarsch von rund 120 Skinheads auf dem Rütli an der 1. August-Feier und der darauf folgenden Berichterstattung in den Medien seien Skins in der Öffentlichkeit ein Thema, sagte Stutz zu Beginn. Zuvor sei das Problem häufig bagatellisiert worden. Stutz stellte die einzelnen Gruppierungen vor, die es in der Schweizer Skin-Szene gibt, zeigte mittels Flugblättern und Klebern deren Ideologie auf, erörterte den Organisationsgrad und die Vernetzung und betonte die Bedeutung der Treffpunkte und des Internets. Die anwesenden «Glatzen» hockten breitbeinig auf ihren Stühlen und hörten den Ausführungen zu, ab und zu wurde dem Kollegen eine Reihe weiter vorn ein SMS geschickt, ab und zu ertönte ein Buh-Ruf. Die Punk-Gruppe unterstützte die Ausführungen von Hans Stutz regelmässig mit Klatschen, der Rest des Saales verhielt sich ruhig.

Regionale Zusammenarbeit

Anders ging es in der anschliessenden Diskussion zu und her. Eröffnet wurde sie vom Gemeindepräsidenten Walter Bandi (svp), dem von linker Seite mehrmals vorgeworfen wurde, die Gewalttätigkeiten der Skins zu verniedlichen: «Es ist nicht abzustreiten, dass wir in Münchenbuchsee gewisse Vorkommnisse mit Skins hatten», sagte Bandi. Deshalb seien gemeinsame Aktionen mit dem Verein Region Bern geplant. Doch die Skinhead-Szene sei nicht das einzige Problem, das Münchenbuchsee mit Jugendlichen habe, betonte Bandi. Rund um den Bahnhof komme es regelmässig zu Vandalentum, hinter dem Linke steckten.

Schweigen brechen

Sie sei froh, dass endlich «etwas geht», sagte eine ältere Frau aus dem Publikum. Diesem Votum schloss sich die Gemeindeparlamentarierin Patrizia Vökt (gfl) an. «Für mich wird nach wie vor zu viel unter den Tisch gewischt», sagte sie. Ein Skinhead meldete sich zu Wort und erklärte stehend: «Ich grüsse meine Kameraden aus Bern und bitte die Herren Gemeinderäte, bei den Problemen mit den Linken nicht immer wegzuschauen.» Giorgio Andreoli, Projektleiter des Buchser GGG-Fons, einer Hotline zu Fragen rund um Gewalt und Rechtsextremismus, forderte die Anwesenden auf, alle Vorkommnisse zu melden. Eine junge Frau antwortete: «Wenn man Anzeige macht, schaufelt man sich sowieso das eigene Grab.» Der Skin, der vorhin noch brav aufgestanden war, schrie zurück: «Das stimmt nicht!» Als die Veranstaltung zu Ende war, wagten sich die Punks kaum, den Saal zu verlassen. Eifrig wurden Hinterausgänge geprüft. Gemäss Polizei ist es im Anschluss an die Veranstaltung zu keinen Auseinandersetzungen zwischen den Gruppen gekommen. Bandi wertet den Anlass «als Erfolg», wie er dem «Bund» erklärte. Für Dan Diggelmann stellt die Veranstaltung sogar «einen Wendepunkt» dar: «Noch nie war das gesamte Spektrum der Bevölkerung in einem Saal versammelt, um über die Probleme mit den Skinheads zu sprechen». Er hoffe, dass das Schweigen damit durchbrochen sei.