Militante Fussballfans verhalten sich weniger rechtsextrem als früher, widersetzen sich aber zunehmend der Selbstkontrolle innerhalb der Fanszene. Experten fordern nun mehr Prävention.
Von Daniel Foppa
Die Krawalle während und nach der Partie zwischen dem FC Basel und dem FC Zürich vom letzten Freitag haben die Diskussion um Gewalt an Fussballspielen neu entfacht. Während die Basler Staatsanwaltschaft wegen Gefährdung des Lebens ermittelt und Sportminister Samuel Schmid vor einem «Flächenbrand» warnt, liefern Forscher der Universität Neuenburg neue Einblicke in das Innenleben der radikalen Fanszene.
Gewalt nur bei Provokation
Eine noch unveröffentlichte Nationalfondsstudie unter der Leitung des Sozialwissenschaftlers Thomas Busset stellt fest, dass rassistische und rechtsextreme Haltungen unter den militanten Fans zurückgehen. Im Vergleich zu den Neunzigerjahren, als gewaltbereite Hooligans die Szene dominierten, geben heute so genannte Ultras den Ton an. Die vorwiegend männlichen Mitglieder dieser Gruppierungen sind zwischen 15 und 25 Jahren alt und stammen aus allen sozialen Schichten. Sie sind überwiegend gut integrierte Schweizer Bürger und verstehen sich als fester Bestandteil ihres Klubs, den sie wie ihre Stadt oder ihre Region bedingungslos unterstützen. Gegenüber dem kommerzialisierten Fussballgeschäft nehmen sie eine kritische Haltung ein. Ultras organisieren spektakuläre choreografischen Aktionen in den Stadien, wie Riesentransparente, rhythmische Schlachtgesänge – und das Abbrennen von Feuerwerkskörper. «Für die Ultras stehen Emotionen im Vordergrund», sagt Busset. Gewalt ist für sie gemäss Selbstdefinition kein Selbstzweck, sondern nur Antwort auf Provokationen.
Bussets Team hat für seine Studie Ende 2004 und Anfang 2005 während insgesamt 60 Spielen die radikale Fanszene der Fussballklubs FC Basel, BSC Young Boys und Servette FC beobachtet und mit dreissig Anhängern aus dem harten Kern vertiefte Interviews geführt.
Feuerwerk gehört zur Ultra-Kultur
Auch die FCZ-Anhänger, die in Basel pyrotechnische Gegenstände auf FCB-Fans geworfen haben, werden Ultra-Vereinigungen wie der Gruppe «K4» zugeordnet (TA vom Montag). Wie aber erklärt sich Busset die neue Eskalation in der Fanszene, wenn gewaltbereite Hooligans zunehmend von Emotionen suchenden Ultras abgelöst sein sollen? «In Basel hat sich eine Randgruppierung nicht an den Code der Szene gehalten», sagt Busset. Feuerwerkskörper gehörten zwar zur Kultur der Ultras. Dass diese bis zu 1000 Grad heissen Utensilien direkt auf Zuschauer geworfen werden, sei jedoch nicht die Regel. Andere FCZ-Fangruppen hätten die «K4»-Leute dementsprechend zu disziplinieren versucht, was im Stadion und nach der Rückkehr der Fans in Zürich zu Schlägereien geführt habe. Für Busset zeigen die Vorfälle von Basel vor allem eines: «Innerhalb der Fanszene kann die Selbstkontrolle schneller verloren gehen, als dies die Leaderfiguren einräumen.»
Busset rät den Fans, die Verwendung von Feuerwerkskörpern neu zu diskutieren. Den Klubs legt er nahe, mit verstärkter professioneller Fanarbeit auf solche Vorkommnisse zu reagieren: «Im Vergleich zum Ausland hat die Schweiz bei der Fanarbeit einen grossen Nachholbedarf.» Busset rät vor allem zur verstärkten Präsenz von Sozialarbeitern in den Stadien. Mit Ausnahme des FC Basel habe kein Verein über mehrere Jahre hinweg eine professionelle Fanbetreuung betrieben. Diese Aussage wird von den Mediensprechern der beiden Zürcher Stadtklubs umgehend dementiert. «Der FCB hat wohl einen Vorsprung. Doch auch wir betreiben seit drei bis vier Jahren eine professionelle Fanbetreuung», sagt etwa FCZ-Medienchef Alexander Kuszka.
Kaum Interesse an der Euro
Wenig Bedenken hegt Busset mit Blick auf die Euro 08. «Die Ultras sind an der Nationalmannschaft kaum interessiert.» Er könne es sich nicht vorstellen, das Zürcher und Basler Ultras plötzlich Hand in Hand für dieselbe Mannschaft eintreten. Zudem sei auf Grund der restriktiven Ticketvergabe nicht davon auszugehen, dass sich grössere Gruppen von Ultras die EM-Spiele im Stadion selbst anschauen. Mögliches Konfliktpotenzial sieht der Wissenschaftler hingegen im Umfeld der Public-Viewing-Areas. «Hier wurde aus kommerziellen Gründen ein neues Problem kreiert», sagt Busset.