Neonazis im Vormarsch

Blick

Ruth Metzler, was tun Siegegen die Gewalt vonrechts?

VON GEORGES WÜTHRICH

BERN – Bundesrätin Ruth Metzler handelt – trotzbundesrätlichen Sommerferien. Die Justizministerin willenergisch gegen die wachsende Gewalt von rechtsvorgehen: «Ich lasse überprüfen, ob dieAntirassismus-Strafnorm im Kampf gegen denRechtsradikalismus noch ausreicht», erklärt Metzler imBLICK-Interview.

Frau Bundesrätin, sind Sie beunruhigt über den wachsendenRechtsradikalismus in der Schweiz?
Bundesrätin Ruth Metzler: «Die Entwicklung bereitet mir grosse Sorgen. Aber ich möchtebetonen, dass wir schon lange darauf hingewiesen haben. In den letzten Tagen istfälschlicherweise der Eindruck entstanden, dass es sich um ein neues Phänomen handelt.»

Macht Sie diese Entwicklung zornig?
Metzler: «Bestürzt bin ich über die Gewaltbereitschaft, über die Tatsache, dass auchSturmgewehre und Sprengstoff verwendet werden.»

Und was sagen Sie zur Schande auf dem Rütli?
Metzler: «Ich bin froh, dass die Öffentlichkeit und die Politik die Gefahr von rechts jetzt sointensiv diskutieren. Es kam aber auch schon vor, dass der Chef der Bundespolizei belächeltwurde, als er vor dieser Entwicklung gewarnt hat. Nun wächst dieses Bewusstsein in derBevölkerung. Und dies unterstützt die Arbeit meines Departementes. Vielen ist klar geworden:Es gibt ein Problem.»

Wollen Sie die Skins nächstes Jahr wieder auf dem Rütli sehen?
Metzler: «Natürlich nicht. Aber ich muss unterstreichen, dass die Grenze zwischen freierpolitischer Meinungsäusserung und rassistischen Aufmärschen schwierig zu ziehen ist.»

Was tun Sie gegen die Gefahr von rechts? Muss der Antirassismus-Artikelverschärft werden?
Metzler: «Die aktuelle Situation erfordert eine sorgfältige Prüfung derAntirassismus-Strafnorm. Vor allem was die Grenze zwischen öffentlichen Auftritten undprivaten Anlässen von 200 bis 300 Leuten betrifft. Es muss auch geprüft werden, wiePropaganda-Auftritte mit rassistischen Gebärden und Emblemen unterbunden werden können.Diese Überprüfung wird stattfinden. Das habe ich bereits mit meinem Bundesamt für Polizeivereinbart. Mit Gesetzesänderungen allein wäre aber noch nichts gewonnen. Wichtig ist auchdie internationale Bekämpfung. Ich bin froh, dass ich Anfang September meine Kollegen ausden Nachbarländern in Konstanz treffen kann. Das Thema Rechtsextremismus steht zwar nichtauf der Traktandenliste. Aber ich werde sicher am Rande der Konferenz Gespräche führen, vorallem mit meinem deutschen Kollegen Otto Schily.»

Ständerat Franz Wicki verlangt als Präsident der Geschäftsprüfungsdelegationeine Erklärung des Bundesrates.
Metzler: «Ich werde den Bundesrat umfassend informieren und aufzeigen, dass es nicht alleinein Polizeiproblem ist. Mit Ständerat Wicki habe ich vereinbart, dass zu Beginn derHerbstsession eine Sitzung mit seiner Delegation zum Thema Rechtsextremismus stattfindenwird.»

Die 19-jährige Brandstifterin von Möhlin hat als Motiv angegeben, dassAusländer alles bekommen und sie als Schweizerin nichts. Dieses Gefühlhaben noch viele Schweizerinnen und Schweizer.
Metzler: «Das gibt mir sehr zu denken. Ich habe in meiner Amtszeit unzählige Male feststellenmüssen, wie sehr negative Einzelerlebnisse mit Ausländern das gesamte Bild prägen können.»

Eine Studie des baselstädtischen Justizdepartementes zeigt, dass auch diepopulistischen Kampagnen der SVP viele Jugendliche rechts abrutschenlassen.
Metzler: «Es wird immer gefährlich, wenn man verallgemeinert und mit Schlagwörternoperiert, statt vorhandene Probleme auseinander zu nehmen und sie differenziert zu lösen.»